Junkers Ju 88 C-4/C-6(AMT/Ertl - Nr. 8898)Produktinfo:
Besprechung:Dieser und der G-1/G-6 Bausatz stellten das erste Plastikmodell einer Ju88 mit versenkten Oberflächendetails im 1:72er Maßstab dar. Entwickelt wurden sie von der italienischen Firma ESCI, welche, wie auch AMT, einstmals zu ERTL gehörte. Zuvor gab es ja nur den Matchbox-Kit einer Ju 188 mit seinen wenigen recht tief sowie auch etwas zu breit geratenen Gravuren. Erstaunlicherweise schien selbst dieses begrüßenswerte Feature nichts an dem Umstand zu ändern, dass dieser AMT-Bausatz mittlerweile beinahe völlig in Vergessenheit geraten ist. Außer den zahlreichen, stimmig wirkenden eingravierten Oberflächendetails birgt dieses Plastikmodell noch eine weitere Besonderheit. Bereits der erste Blick auf die größtenteils mehr oder minder gratfrei gespritzten 110 Teile offenbart nämlich eine frappierende Ähnlichkeit zu Italeris Ju88 Kit(s). Ganze Baugruppen bestehen hier nämlich aus nahezu identischen Teilen, welche somit also austauschbar wären. Allerdings wurden bei der Abmusterung auch Italeris Fehler übernommen! Konkret bedeutet dies, dass dann der untere hintere Bereich der Motorengondeln, hinten, worin sich die Fahrwerksschächte befinden, zu schmal geraten ist. Genau wie auch oben der Übergang zwischen Cowlings und Tragfläche oben beträchtlich vom Original abweicht. Im Cockpit hat man sich ebenfalls akkurat an die Vorgaben des nationalen Mitbewerbers aus der Emillia Romagna gehalten. Was hier zwangsweise zu Verdruss führt, da sich die „Cäsar"-Baureihen, innerhalb der Kanzel, von der A-4-Ausstattung ja bekanntlich unterschieden. Somit ist u.a. also nicht nur die Anzahl der Sitzplätze falsch, sondern allein schon das Gerätebrett des Flugzeugführers nicht korrekt. Die Ausgestaltung der Anlenkungen der Querruderblätter ist ebenfalls baugleich mit Italeri. Andererseits gab es aber auch einige Erweiterungen gegenüber dem nur wenige Jahre älteren Kit aus der Gegend um Bologna. Lieferte ESCI doch noch Pedale sowie ein Zielvisier für das Cockpit, als auch ein Klarsichtteil für das EZB-6 Peilantennengehäuse mit. Dagegen fehlt dann aber ein Landescheinwerferglas und die zwei optionalen Kabinenverglasungen weisen heute womöglich unzeitgemäß hervortretende Streben auf. Außer möglichen Schlieren stört an der einen auch noch die Öffnung für das bei den Bomber-Baureihen dort in der Windschutzscheibe installierte MG. Bei Italeris Zerstörer lag dieser Fall ja etwas anders, da dieser Hersteller im Gegensatz zu ERTL bekanntlich auch einen Ju 88 A-4-Baukasten anbietet und aus Rationalisierungsgründen stets nur dessen Kanzelverglasung beipackte. Als „Problemlösung“ sah die Bauanleitung einfach vor, auch dem C-6-Modell einen A-Stand zu verpassen (sic!). Gleichen Unsinn offeriert übrigens auch die in Plastik-Modellbau-Kreisen sonst vielgerühmte Firma Tamiya, die Italeris Bausatz in Lizenz vertrieb, während uns so was jetzt bei HobbyBoss wohl kaum überrascht. Da von den bei ERTL möglichen drei Vorbild-Maschinen zwei eine Kabinenhaube mit einfachem B-Stand (wo es diese Öffnung nicht gibt) verwenden, wäre der Ärger eventuell noch hinnehmbar. Die Decals beinhalten, in geteilter Form, zusätzlich auch noch die Symbole für das Seitenleitwerk. Stencils oder Wartungshinweise etc. sucht man hingegen vergebens. Als Besonderheit wären hier vielleicht noch die aufgemalten Fenster für den Bug des Tagjägers zu nennen, welche neben den ebenfalls als Abziehbild vorhandenen Rumpfbändern die Lackierung vereinfachen helfen. Das den „Englandblitz“ darstellende Geschwader-Wappen des NJG 2 weist allerdings etwas Versatz auf, während jenes der vierten Staffel des KG 76 farblich nicht ganz astrein ist. Womit die Abbildung der karikierten Gans bei Italeri und HobbyBoss also eher dem Original entspricht, wohingegen bei beiden Anbietern aber die Farbe des Staffelbuchstabens, d.h. Weiß verkehrt ist! Leider ist damit ESCIs Mängelliste aber keinesfalls abgeschlossen. Fehlen doch vorne an der Bola die Ausbildungen der Mündungen der zwei MG FF und am Rumpf die Auswurfsöffnungen der Bugbewaffnung. Beides wäre bei Italeri vorhanden, während bei HobbyBoss diesmal, erstaunlicherweise, lediglich die Hülsenauswerferabdeckplatte vergessen wurde. Weitere Mängel, wie das Fehlen der (bei der C-4 und dem Zerstörer verkleideten) am Unterrumpf befindlichen FuBi 2-Antenne oder der im Spornrad-Fahrgestell-Schacht (bei Italeri mit angegossenen) letztlich kaum zu sehenden „Einziehstrebe", sollten dann wohl weniger stören. Auch bei den übergroß (für die C-4 sowie den Nachtjäger sowieso vorbildwidrigen), geratenen MG 81-Nachbildungen will ich noch ein Auge zudrücken, zumal ja Viele von uns sicherlich entsprechenden Ersatz in ihrem Reste-Fundus haben dürften. ESCI lieferte hier bereits 1:64er Maßstab, womit diese MG 81 dann, obwohl die äußere Form völlig stimmt, schon in gefährliche Nähe zur einstmaligen universellen „Zimmerflak" des Frog-Kits rücken. Des Weiteren ist auch ERTLs Bauanleitung nicht fehlerfrei. Die Probleme fangen hier bereits im Begleittext an, der ungeniert auch den Bau eines R-2-Nachtjägers verheißt. Der dafür notwendige Spritzgussrahmen mit den Cowlings für die BMW-Triebwerke liegt aber bekanntlich nur seinem G-1/G-6-Kit bei! Ferner sind im Bauabschnitt 5 auch noch die Hinweise zur Verwendung des doppelten B-Standes mit dem einfachen durcheinander geraten. Abschließend gäbe es in den (eigentlich unnötigerweise) separat gedruckten Bemalungs- und Abziehbildhinweisen neben einigen sachlichen Irrtümern und Druckfehlern auch noch zwei falsche Farbangaben zu bemängeln. Der C-6-Nachtjäger war untenrum nämlich nicht mit dem gleichen Blauton wie der Tag-Jäger lackiert, welcher darüber hinaus (wie bereits auf dem Deckelbild ersichtlich) offensichtlich auch noch gelbe Tragflächenenden besaß. Da hätte man in Iowa etwas sorgfältiger recherchieren können, existiert doch selbstverständlich für das RLM 76-Graublau des Nachtjägers ein Federal-Standard-Äquivalent. Weswegen dort die korrekte Farbempfehlung also „FS 36473 Sky Gray“ lauten muss, während die unteren Flügelenden des Zerstörers in „FS 33538 Orange Yellow“ anzumalen wären. Entscheidet man sich für den Ersteren, stellt man außerdem fest, das auf die Montage der bei der 4R+AS mitgeführte Schrägbewaffnung (Bauteil Nr. 89 ) nirgends hingewiesen wird! Somit ist innerhalb der Bauanleitung also einiges schiefgelaufen. Offensichtlich musste während der Projektierungsphase tatsächlich auch noch eine andere Möglichkeit ins Auge gefasst worden sein. Weshalb sonst liegt dann der Gussrahmen „N", der eine weitere (mir unbekannte) „Hirschgeweih"-Antennenanlage nebst dazu gehörenden Holmen enthält, bei? Wie dem auch sei haben es die Verantwortlichen letztlich vorgezogen ausschließlich mit der “Ju 88 in action-Part 2“- Squadron Signal-Broschüre als Vorlagenquelle vorlieb zu nehmen, die ja kurz zuvor veröffentlicht wurde. Sicherlich keine schlechte Wahl, wenn es auch m. E. unnötig war, nachdem man sich ja schon beim Formen-Design so freigiebig bei Italeri bediente, auch noch deren eine Decaloption abzukupfern! Wohingegen die C-4-Variante, die es bislang von keinem anderen Anbieter in diesem Maßstab gibt, in Wirklichkeit eher nur eine Suggestion darstellt. Um diese korrekt nachzubilden bedürfte es nämlich noch einiges mehr als die Kanzelabdeckung mit einfachem B-Stand, eine Umgestaltung der Ringkühlerfronten-Segmente und das Weglassen der Ladergehäuse an den Cowlings! Hätten die Verantwortlichen gründlicher geschaut, wären ihnen bestimmt nicht all die weiteren Zeichnungen entgangen, welche Squadron-Signal hinsichtlich der konkreten Baureihenunterschiede offeriert. Wie soll dieser modular gestaltete Bausatz, dessen Gussform bekanntlich ja noch zehn Jahre später der Firma AMtech als Basis für weitere Ju-88-Bauhreihen diente, objektiv bewertet werden? Angesichts der Tatsache, dass neben Airfix ausgerechnet Italeri als derzeitiger Besitzer des ESCI-Gussformenpools immer noch einen Raised-Panel-Kit der Ju 88 anbietet, darf man den einstigen ERTL Baukasten nicht einfach der Vergessenheit anheim fallen lassen, finde ich. Schließlich ist er selbst bis heute, mehr als 15 Jahre nach Produktions-Einstellung (wenn auch meist nur antiquarisch) anzutreffen, und dies sogar noch zu bezahlbaren Preisen. Mit einem entsprechenden Decalset und etwas Kitbash bzw. Scratchbuilding und/oder Zubehörteilen kann man daraus durchaus ansehnliche Modelle erschaffen, wie es z.B. Rolf Blattner in so vorbildlicher Weise dokumentierte. Außerdem habe ich persönlich die Hoffnung, dass man ihn vielleicht doch noch bei Italeri neu auflegt, noch nicht aufgegeben. Möge dieser fromme Wunsch also bei den Verantwortlichen Gehör finden und, nachdem dort erst letztes Jahr die eigene C-47 durch die bessere ESCI ersetzt wurde, dies schon bald auch mit der Ju88 geschehen!
Darstellbare Maschinen:
Stärken:
Schwächen:
Fazit:Der Bausatz der C-6 ist die bessere Alternative für den Hobby Boss Bausatz. Allen anderen oben genannten kann er wohl nicht das Wasser reichen. Aber für alle Sammler nostalgischer Bausätze sehr zu empfehlen. Wer jedoch eine wirkliche C-4 bauen will, muss eine Menge verändern. Diese Besprechung stammt von Josef Nevole + Enrico Friedel-Treptow - 02. Juni 2014 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |
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