Ryan Q2A Firebeevon Roland Sachsenhofer (1:48 ICM)Zur Ryan Q2A Firebee
Oft muss man ja nur wenig von den gewohnten Pfaden abweichen, um ganz neue Landschaften kennen zu lernen - oder neue Perspektiven auf Altbekanntes zu entdecken. Ähnlich ist es mir bei diesem kleinen aber erkenntnisreichen Projekt gegangen. Der Schritt vom Modell eines bemannten Flugzeuges zu einem solchen einer unbemannten Zieldrohne ist ja rein technisch gesehen kein großer, trotzdem habe ich viel mir Neues und auch Erstaunliches aus der Welt der frühen „UAV", der „Unmanned Area Vehicles“, herausfinden können.
Dann ist da natürlich auch noch die Sache mit der Aufschrift: „I go Pogo“. Mir hat es einfach keine Ruhe gelassen, nicht zu wissen, was mit dieser interessant klingenden Botschaft gemeint gewesen sein könnte. Zu meiner Erleichterung hat sich das Rätsel dann aber ab dem Zeitpunkt, wo ich, bildhaft gesprochen, endlich den Schlüssel im Schloss hatte, mühelos zu einer Auflösung der eher heiteren Art umwandeln lassen.
Aber davon mehr am Ende dieses Artikels, denn zu Beginn möchte ich ein paar der Fakten rund um die Ryan Firebee teilen, die ich besonders interessant gefunden habe.
Gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die US-Streitkräfte eine Ausschreibung einer turbinengetriebenen und annähernd schallschnellen Zieldrohne ausgegeben, die von zahlreichen Herstellern, das sich ankündigende große Geschäft witternd, mit Vorschlägen beantwortet wurde. Schlussendlich bekam Ryan Aeronautical Company mit der XQ2 den Zuschlag.
Der Erstflug des Prototypen fand 1951 statt, nach ausgiebiger Erprobung lief bald darauf die Serienfertigung unter der Bezeichnung Q2A Firebee an. Auch die US Navy zeigte sich interessiert: mit einer leistungsstärkeren Fairchild J44-R-20B Turbine anstelle des Continental J69-T-19B Triebwerks der USAF und unter der neuen Bezeichnung KDA-1 lief die Firebee bald auch für die Marine vom Band.
In ihren Leistungen erfüllte die Firebee alle Erwartungen; über die Jahrzehnte wurden insgesamt über 7.000 Exemplare dieses agilen ferngesteuerten Zieldarstellers in zahlreichen Varianten und mit zum Teil tiefgreifenden Modifikationen ausgeliefert. Übrigens gehörte auch die kanadische Luftwaffe zu den Nutzern: dreißig KDA-4 Firebees dienten der Erprobung der neuen Waffensysteme der CF-100 sowie später jener der geplanten CF-105 Arrow von Avro Canada. Als Trägerflugzeuge für die kanadischen Firebees kamen zwei modifizierte Avro Lancaster zum Einsatz.
Gestartet wurden die Firebees entweder vom Boden aus und durch ein Trägerflugzeug. Für den spektakulären Bodenstart stattete man die Drohne mit einer RATO-Starthilferakete aus, während der Luftstart anfänglich von modifizierten B-26 Invader durchgeführt wurde, zu denen sich später weitere geeignete Flugzeuge wie etwa die C-130 Hercules hinzu gesellten.
Typischerweise starteten die Firebee-Missionen in einer Höhe zwischen 4.000 bis 15.000 Metern, wobei die Flugzeugcrew bis zum Ausklinken über eine elektronische Nabelschnur mit dem technischen Innenleben der Drohne verbunden war. Nach deren Abtrennen und dem Abwurf des Flugkörpers übernahm ein Flugleitoffizier am Boden die weitere Flugsteuerung der Drohne. Sichtkontakt war dabei nicht nötig - und durch Geschwindigkeit und Reichweite der Firebee auch gar nicht möglich. Die Position der Drohne wurde per Radarpeilung ermittelt, die Funk-Fernsteuerung durch die Bodenkontrolle funktionierte bis zur erstaunlichen Entfernung von 240 Kilometern.
Die beiden stromlinienförmigen Körper an den Flächenenden der Q2A sind nicht etwa Zusatztanks, sondern beherbergen komplexe Elektronik, die den damaligen „stat oft he art“ repräsentierte. Zum einen konnte die Drohne auf sie abgefeuerte Flugkörper mit einer eigenen Radarquelle erfassen und deren Nähe in Relation zur eigenen Position laufend an die Bodenstation melden, zum anderen befanden sich in den Gondeln auch die Empfänger-Elektronik zur Steuerung der Drohne selbst. Ein weiteres aktiv ausgestrahltes Signal machte die Drohne für den Bodenleitstand erkennbar und half, Flugzeuge an den Zieldarsteller heran zu führen.
Ein üblicher Firebee-Einsatzflug dauerte von einer halben Stunde bis zur maximalen Flugzeit einer Stunde. Hatte die Drohne ihre Mission in einem Stück „überlebt“, wurde von der Bodenstation die Aktivierung eines zweistufigen Brems- und Landefallschirmsystems ausgelöst. An einem 21-Meter Schirm landete die Firebee schlussendlich unbeschädigt, um danach geborgen zu werden. Die Q2A war also nicht unbedingt ein Verlustgerät, sondern für mehrere Zieldarstellungsflüge ausgelegt. Die Anzahl „überlebter“ Missionen wurde oftmals in Form kleiner Grafiken, die eine stilisierte und an einem Fallschirm hängende Drohne zeigte, am Rumpf angebracht. Um sich ein Bild machen zu können: eine gut dokumentierte Q2C Firebee brachte es so auf 36 erfolgreich absolvierte Missionen: ein wahrer Veteran! „I go Pogo“
Mein farbenprächtiges Modell zeigt eine frühe Q-2, die in den frühen Fünfzigern von der US Navy zur Erprobung eingesetzt worden ist. ICM gibt als Einsatzjahr 1950 an, was ich allerdings angesichts der Zeitumstände, die zur Aufschrift „I go Pogo“ geführt haben, bezweifle. Ich kann allerdings einen Zeitraum anbieten, den ich für wahrscheinlicher halte: 1952, das Jahr des erfolgreichen US-Präsidentschaftswahlkampfes Dwight D. Eisenhowers!
Wie komme ich auf diese Idee? Der Spruch „I go Pogo“ stammt, wie sich herausgestellt hat, aus einer damals populären Comicserie des Autors und Zeichners Walt Kelly. Mit der Erfindung von Pogo Possum, einem tendenziell friedliebenden, aber zu Zynismus neigenden Opossum, der gemeinsam mit tierischen Mitbewohnern wie Albert Alligator oder Porky Pine, einem Stachelschwein, in den Sümpfen von Okefenokee lebt, hat Kelly eine Hauptfigur seiner Geschichten gefunden, der den einfachen Normalbürger verkörpert - und dabei oft Unbequemes oder Widerständiges ausspricht: „complicated thinking of simple folk“, wie in einer Rezension geschrieben worden ist. In einem 1952 erschienen Band der Pogo-Reihe beschließen die Bewohner des Okefenokee-Sumpfes, Pogo zur Präsidentschaftswahl aufzustellen. Ihr Wahlspruch lautet – in Bezugnahme zu „Ike“ Eisnhowers damaligen Slogen „I like Ike!“ eben… „I go Pogo“!
Warum das gleichsam aufsässige „I go Pogo“ auf der Drohne gelandet ist, wird wohl ein Rätsel bleiben, mir persönlich war es aber ein Spaß, die einprägsame Gestaltung dieser speziellen Q2A Drohne vor den Hintergrund von Politik und Populärkultur der damaligen USA einordnen zu können.
ICM liefert mit den passgenauen Formen eine komfortable Gelegenheit, dieses interessante Fluggerät als Modell entstehen zu lassen. Der Bau selbst geht dank des klaren Formendesigns und natürlich auch durch die in der Natur der Sache liegende Einfachheit des Vorbilds rasch von der Hand. Einzig bei den Details der Aufhängung der Drohne am Transportwagen konnte ich nicht widerstehen, ein wenig nachzubessern. Hier hat es sich ICM allzu leicht gemacht: der Bausatz zeigt nur einen zentralen Pylon, an dem das Vorderende der Drohne am Rahmen hängt. Die Wirklichkeit war etwas komplizierter: zwei einstellbare Stabilizer, wie man sie ähnlich auch bei der Aufhängung von Außenlasten oder Abwurfwaffen unter Tragflächen kennt, haben hier ein Pendeln der Drohen im Rahmen verhindert. Nachdem ICM hier nichts vorsieht, habe ich mittels Drahtstiften und ein paar Teilen aus der Restekiste etwas nachgeholfen. Heikel war nur, die dazu nötigen Bohrungen im runden und schmalen Gestänge anzubringen.
Am Beginn des Baues habe ich nicht gedacht, wie interessant die Thematik und wie unterhaltsam die Recherche werden würde; mein Fazit kann daher nur positiv ausfallen. Gut, dass ICM rund um das Thema Firebee und B-26 Invader Interessantes anbietet! Wer weiß? Vielleicht gesellt sich noch die eine oder andere Drohne oder A-26 hinzu!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates“. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 01. November 2021 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |