Bentley 4,5 L Blower(Heller - Nr. 80722)Produktinfo:
Besprechung:Zum VorbildMit der Gründung der Bentley Motors Ltd. in Cricklewood bei London im Jahr 1919 erfüllte sich Walter Owen Bentley seinen Traum, eigene Automobile zu bauen. Zwei Jahre später konnte das erste fertige Chassis, das viel Beachtung fand, ausgeliefert werden. Wie damals bei Fahrzeugen der gehobenen Preisklasse üblich, handelte es sich „nur“ um Chassis, die Karosserien wurden gemäß Kundenwunsch von Stellmacherbetrieben angefertigt und auf die Chassis aufgesetzt. Ebenso gehörte es damals zum guten Ton, die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit seiner Fahrzeuge bei Rennen unter Beweis zu stellen, gemäß dem Motto „Gewinne am Sonntag, verkaufe am Montag“. So nahmen Bentleys von Beginn an den 24 Stunden von Le Mans teil, die 1923 das erste Mal stattfanden. Zuerst mit Dreilitermodellen, dann mit Viereinhalb- und schließlich Sechseinhalblitermotoren konnte Bentley dort immer wieder Siege erringen. Gefahren wurden die Wagen von den „Bentley Boys“, einer Gruppe von rennsportbegeisterten Männern aus vermögenden Familien. Ende der 1920er Jahre arbeitete Mercedes-Benz schon mit Kompressor-Motoren, daher wollte Henry „Tim“ Birkin, einer der Bentley Boys, einen 4 ½ Liter-Motor ebenfalls mit einem Kompressor aufrüsten, was aber nicht auf die Zustimmung von W. O. Bentley stieß. Birkin fand jedoch Unterstützer für die Verwirklichung seiner Idee, so entstand der 4 ½ Litre Supercharged, der durch den vor dem Kühlergrill liegenden Roots-Kompressor mit zwei Vergasern leicht erkennbar war. Die aufgeladenen Motoren, die bei den Rennfahrzeugen 240 PS Leistung bei 4.200 Umdrehungen pro Minute lieferten, erlaubten eine Höchstgeschwindigkeit von rund 220 km/h. Neben einem neuen kompressorgeladenen Mercedes-Benz SSK starteten auch zwei Bentley Blower 1930 in Le Mans, von denen einer mit 144,3 Stundenkilometern sogar einen Rundenrekord aufstellte. Von Beginn an lieferten sich der Mercedes und die Bentley Blower einen harten Kampf um die Spitze. Allerdings mussten alle drei Fahrzeuge wegen technischer Defekte das Rennen abbrechen, die Bentleys hielten aber immerhin über 50 Runden länger durch. Das Rennen gewonnen hatten nach 179 gefahrenen Runden Woolf Barnato und Glen Kidston auf einem Bentley Speed Six. Danach dauerte es immerhin 73 Jahre, bis Bentley mit dem Speed 8 wieder ein Rennen in Le Mans gewann. Letztendlich brachte der Bau der für eine Rennteilnahme erforderlichen 50 Bentley Blower die Firma in eine endgültige finanzielle Schieflage, von der sie sich nicht mehr erholte. So wurde Bentley im Jahr 1931 von Rolls Royce übernommen, produzierte aber unter eigenem Namen weiter. Die Bekanntheit des Bentley Blower basierte weniger auf seinen Rennerfolgen (die waren tatsächlich sehr spärlich gesät), sondern auf der für seine Zeit überragenden Leistung. Auch heute noch ist es ein unvergeßliches Erlebnis, die Power eines 4 ½ Litre Supercharged mit seinem lautstark arbeitenden Roots-Kompressor zu spüren. Bentley Blower sind heutzutage gesuchte Raritäten, bei Auktionen werden Summen bis in den siebenstelligen Bereich geboten. 2020 gab Bentley bekannt, zwölf Exemplare des Blower in einer Continuation Series wieder aufleben zu lassen. Nach den historischen Spezifikationen und an den damaligen Fertigungsprozessen orientiert, werden in Crewe die Fahrzeuge neu aufgebaut. Das erste Exemplar wurde im Dezember 2020 präsentiert. Besitzern von Originalen gefällt dieses Engegement überhaupt nicht, fürchten sie doch um den Werterhalt ihrer sorgsam gepflegten historischen Fahrzeuge. Quellen: Wikipedia, Revell-Bauanleitung Der BausatzObwohl mit dem Titel “Modell des Jahres 2022” ausgezeichnet, hat man es hier keineswegs mit einer Bausatzneuheit zu tun. Die Timeline von Scalemates weist 1978 als Entstehungsjahr aus, seitdem wurde der Kit immer wieder aufgelegt, auch von Revell gibt es eine Edition aus dem Jahr 2016. Mit dem Kit kann der Bentley Blower mit der Startnummer 8 gebaut werden. Er gehörte dem Team von Dorothy Paget an, wurde von Dudley Benjafield und Giulio Ramponi gesteuert und schaffte 144 Runden. Der InhaltDie Bausatzkomponenten werden in einer großzügig bemessenen Klappdeckelbox geliefert, die drei weißen Spritzrahmen und die Reifen liegen offen darin, lediglich die Chrom- und die Klarsichtteile haben jeweils eine extra Plastiktüte spendiert bekommen. Das Plastik ist bis auf die Farbe identisch mit dem der Revell-Edition, die Teile sind sauber gegossen, Fischhaut und Auswerfermarken an sichtbaren Stellen sucht man vergebens, einige Formtrennnähte und Sinkstellen kann man leicht versäubern. Ob die Formen für diese Ausgabe überarbeitet worden sind, lässt sich nicht feststellen. Mit dem Bausatz kann man einen stimmigen und für diesen Maßstab sehr gut detaillierten Bentley Blower erstellen. Ins Auge fällt die schöne Motornachbildung, die geradezu nach einer Verkabelung schreit, die sauber mit sehr dünnen Speichen ausgeführten Räder und die Details auf den inneren Seitenwänden der Karosserie. Das Chassis überzeugt mit vollständig nachgebildetem Antriebsstrang, die Vorderachse ist lenkbar zu bauen. Eine Struktur an den Blattfedern ist nicht zu erkennen, dies ist auch vorbildgerecht, da hier die Federpakete mit einem Seil umwickelt sind. Auch die Kotflügel gefallen mit einer geringen Materialstärke und filigranen Anbaustreben. Die Lüftungsschlitze am linken Motorhaubenteil sind durchbrochen, die Verzurrung der Haube ist an den Haubenteilen angegossen, hier ist eine entsprechende Bemalung erforderlich.
Das eine markante Bauteil dieses Fahrzeuges, der offen vor dem Kühler liegende Kompressor, wird aus vier Teilen zusammengebaut, die eine schöne und detailreiche Nachbildung versprechen. Hier gilt es lediglich, an den Vergasern die Klebenaht zu versäubern. Als zweites ist der riesige, am Heck angebaute Treibstofftank zu erwähnen, hierfür sind fünf Teile vorgesehen. Grundsätzlich sind auch diese Teile gut nachgebildet, die Treibstoffleitungen sind angegossen. Beim Betrachten von Vorbildfotos fällt eine Vergitterung der seitlichen und des unteren Bereiches auf, die auf den Bauteilen jedoch nur andeutungsweise zu erkennen ist, hier hätte eine prominentere Nachbildung besser gefallen. Der Innenraum überzeugt mit einer schönen Nachbildung des Armaturenbrettes, die Skalierungen der Anzeigen sind als feines Relief ausgeführt. Auf den Sitzen sind Strukturen und leichter Faltenwurf der Lederbezüge erkennbar, Schaltknüppel und Pedalerie sind als Einzelteile vorhanden. Die Detaillierung der Innenwände wurde schon erwähnt: Türrahmen, Türöffner und Seitentaschen sind hier zu sehen. Auch auf dem zusammengefalteten Verdeck ist Faltenwurf erkennbar, diese Details müssen halt durch entsprechende Bemalung hervorgehoben werden. Auch das Lenkgestänge ist vollständig nachgebildet und zusammen mit der lenkbaren Vorderachse beweglich zu bauen.
Die Chromteile sind, analog zum Rest, ebenfalls sauber ausgeführt. Dies betrifft sowohl die Teilequalität als auch die Chrombeschichtung, die dünn ist und widerstandsfähig wirkt. Allerdings sind einige Angüsse unglücklich gewählt, so dass die Verchromung beim Abtrennen beschädigt werden wird und nachgebessert werden muss. Einige Motorteile haben hier aber eigentlich nichts zu suchen, sie müssen entchromt und entsprechend neu lackiert werden.
Die Klarsichtteile sieht man ebenfalls in guter Qualitat gefertigt; klar, dünn und schlierenfrei. Gut sichtbare, aber dennoch feine Gravuren fallen ins Auge. Das klappbare Gitter vor den Windschutzscheiben ist als Klarsichtteil ausgeführt, hier hat man damals wie heute mit den in diesem Maßstab zur Verfügung stehenden Möglichkeiten das Beste herausgeholt. Anders verhält es sich mit den Vergitterungen der Frontscheinwerfer: mit modernen Materialien (3D-Druck, Ätzteile) wäre hier wesentlich mehr drin gewesen, was einem Modell des Jahres durchaus gut zu Gesichte gestanden hätte. In wie weit die recht grobe Profilierung der Vollgummireifen authentisch ist, kann hier nicht beurteilt werden. Für die damals meist noch unbefestigten Pisten mag diese Nachbildung aber stimmig sein. Die Mittelnaht der Bausatzteile fällt kaum auf, da sie aber noch an ihrem Gussast hängen, dürfte ein sauberes Abtrennen und eine anschließende Versäuberung unumgänglich sein. Jedenfalls dürften die Vollgummireifen sicher und sauber auf den Felgenkränzen sitzen. Die DecalsAls wirkliche Enttäuschung muss man den Decalbogen betrachten. Mit gerade mal sieben Bildern bleibt der Bogen am absoluten Minimum; Revell hatte für seine Ausgabe eine wesentlich umfangreichere Auswahl zusammengestellt. Wenigstens den Komfort von Instrumentenanzeigen hätte man sich hier von Heller aber schon gewünscht. Immerhin machen die Decals auf den ersten Blick einen recht guten Eindruck: sie sind scharf und versatzfrei auf dünnem, glänzendem Trägermaterial gedruckt. Wie sie sich verarbeiten lassen, muss sich in der Praxis zeigen. Die BauanleitungBei der Bauanleitung hat sich Heller mittlerweile dem Revell-Standard angenähert. Farbig gedruckt, mit übersichtlichen Zeichnungen und Baustufen versehen, führt die dreisprachige und leicht verständliche Anleitung in 21 Abschnitten zum fertigen Modell. Abschließend ist eine Bemal- und Dekorieranleitung zu finden. Angaben zur Bemalung gibt es auch in den einzelnen Baustufen zu finden, die farbige Darstellung hebt dies hervor. Die benötigten Farben sind zwar mit Farbnummer und -bezeichnung aufgelistet, eine eindeutige Zuordnung zu einem Hersteller ist jedoch nicht zu finden. Es darf aber als sehr wahrscheinlich gelten, dass es sich um die Heller-Palette handelt.
Darstellbare Fahrzeuge: Bentley 4 ½ Litre Supercharged, Team Dorothy Paget #8, Benjafield / Ramponi, Le Mans 1930Stärken:
Schwächen:
Fazit:Um einen schönen Bentley Blower im Maßstab 1:24 zu bauen, ist dieser Kit eine gute Basis. Die Ausführung der Kunststoffteile ist gut und stimmig, die Detaillierung darf bei diesem über vierzig Jahre alten Kit als seiner Zeit voraus bezeichnet werden. Die wenigen beim Plastik beschriebenen Mankos sind letztendlich verschmerzbar und dürften einem erfahrenen Modellbauer bei der Verbesserung keine allzu großen Kopfschmerzen bereiten; das einzige wirkliche Defizit stellt der Decalbogen dar. Letzendlich ist die Auszeichnung “Modell des Jahres 2022” eine zwar späte, aber durchaus angebrachte Ehrung für diesen Bausatzoldie. Diese Besprechung stammt von Roland Kunze - 24. September 2022 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |
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