RNLI Severn Class Lifeboatvon Frank Spahr (1:72 Airfix)VorbemerkungIch werde hier nicht die Diskussion über die tatsächliche Länge der britischen Küste fortzuführen versuchen. Benoit Mandelbrot hat aufgezeigt, dass die Antwort erheblich komplexer ist, als der Durchschnittsdenker es sich vorstellt. Ich beschränke mich darauf, dass sie
Genau wie in Dänemark und Deutschland – um nur zwei benachbarte Länder zu nennen – kam auch in der britischen Geschichte einmal der Zeitpunkt, ab dem Schiffbrüche nicht nur als willkommenes Zubrot für verarmte Küstenbewohner, sondern auch als Unglücksfälle angesehen wurden, die menschliches Leid und bedeutende materielle Verluste verursachten. Also wurden wohltätige Organisationen gegründet, die Hilfe leisten sollten. Es wurden Rettungsboote gebaut, deren meist freiwillige Besatzung sich aus den Ortsansässigen rekrutierte; diese Boote liefen dann aus, wenn alle anderen Schutz im Hafen suchten, um Menschen in Seenot Hilfe zu bringen. Mit der Zeit wurden die Einsatzfahrzeuge und die angewendeten Techniken verbessert, doch bis zum heutigen Tage riskieren die Besatzungen der Rettungsboote ihr Leben für andere – und manchmal verlieren sie es. Ihr Dienst an der Gemeinschaft verdient den höchsten Respekt.
Zum SchiffDas RNLI (Royal National Lifeboat Institution) benannte seine größte, ab 1996 eingeführte Rettungsbootklasse nach dem längsten englischen Fluß, dem Severn. Von diesen Booten sind derzeit 46 in Dienst, davon neun als Reserveboote. Das seit 1854 unter diesem Namen bestehende RNLI ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die zum Großteil aus Spenden finanziert wird. Mit 4600 Männern und Frauen seemännischem Personal, fast durchweg Freiwilligen, werden 332 Rettungsfahrzeuge unterschiedlicher Größe bemannt, die an 233 Rettungsstationen bereitliegen. Die britischen Rettungsfahrzeuge sind generell kleiner als die deutschen, da bei einem Großteil der Rettungsstationen das Boot über eine Slipanlage oder einen Trailer zu Wasser gebracht werden muss. Neben kleinen Küstenrettungsbooten gibt es auch allwettertaugliche größere Rettungsfahrzeuge, unter denen die Severns die größten sind. Zudem betreibt das RNLI vier Hovercrafts für Operationen in Flachwassergebieten. Der Prototyp der Severn-Klasse wurde 1992 vorgestellt und baut auf den Erfahrungen der vorangegangenen Bauklassen und Anregungen der Besatzungen auf. So ist z.B. die Deckskante im Mittelteil heruntergezogen, um das Aufnehmen von Geretteten zu erleichtern. Bauwerft der Severns, Trents, Merseys sowie der neuen Tamars und FCB 2 ist die Firma Green Marine in Lymington, Hampshire. Green Marine baut diese Boote mit besonders stabilen und seetüchtigen GfK–Rümpfen, gut wasserdicht unterteilt, teils ausgeschäumt und kevlar-verstärkt, um den extremen Einsatzbedingungen an einigen der gefährlichsten Küstenabschnitten Europas gerecht zu werden. Die Severns weisen umfassende Navigations- und Kommunikationseinrichtungen auf und tragen als Tochterboot ein Schlauchboot der Y–Klasse. Ihre Rumpfform ist so gestaltet, dass ihre Schrauben auch bei Grundberührungen geschützt sind. Sie besitzen zur Verbesserung der Manövrierfähigkeit ein Bugstrahlruder. Das letzte Severn ist 2003 ausgeliefert worden. Derzeit wird die Tamar-Klasse gebaut, die zwar etwas kleiner als die Severns ist, aber ähnliche Leistungsdaten hat. Sie weist modernere Elektronikeinrichtungen auf, ein Fly-by-wire-System und besonders gegen Erschütterungen geschützte Sitze. Zudem ist sie Slipanlagen-tauglich und damit für das RNLI universeller einsetzbar. Zum Abschluss dieser Einführung noch ein wenig nutzloses Wissen: Der Fluß Severn entspringt bei Plynlimon in Wales und mündet nach 220 Meilen in den Bristol-Kanal. Bemerkenswert an seinem Mündungsgebiet ist der beachtliche Tidenhub, der bei günstigen Bedingungen so stark ist, dass man auf ihm surfen kann. Man spricht dann vom Severn Bore. Ebenfalls von Interesse ist Ironbridge Gorge, wo die älteste gusseiserne Brücke der Welt (heute ein Weltkulturerbe) den Fluss überspannt.
Technische Daten:
Der BausatzZur großen Freude der Schiffsmodellbauer hat die wiederauferstandene Firma Airfix ihren seit mehreren Jahren angekündigten Spritzgussbausatz eines Severn-Bootes herausgebracht, und er ist tatsächlich auch in Deutschland problemlos zu haben – eine erhebliche Verbesserung gegenüber früheren Neuheiten. Wenngleich weniger fein detailliert und kantenscharf als die Produkte derzeit führender Firmen, ist der Bausatz doch sehr umfassend, enthält eine komplette Inneneinrichtung und eine recht gute Bauanleitung. Leider sind die Bauteile völlig willkürlich über die vier Spritzlinge verteilt, jedes Teil muss zuerst einmal gesucht und gefunden werden. Leider ist das zweimal benötigte Teil Nr. 30 nur einmal vorhanden, während das Relingsteil 138 doppelt vorliegt. Die Klarsichtteile sind zudem etwas dick, und airfixtypisch sind die Farbangaben nur in Humbrolnummern ohne Klarnamen aufgeführt. Zur Erleichterung der Identifizierung der Farben hier eine Liste der Farben und der Klarnamen.
Der sauber gedruckte Decalbogen enthält schöne Wappen, Zierstreifen sowie Rumpfnummern und Fliegerkennungen für alle Boote, jedoch leider keine Bootsnamen. Dazu später mehr… Der Bau beginntVorbemerkung: Ich habe dieses Modell soweit möglich aus dem Kasten erstellt, um zu zeigen, was man tatsächlich vom Hersteller bekommt. Hoffnungslose Airfixfans (also Nostalgiker mit überdurchschnittlicher Leidensfähigkeit) wie ich treffen sich im Airfix Tribute Forum; dort habe ich einige wertvolle Tips für den Bau des Modells erhalten. So auch den, beim Zusammenbau des Rumpfes von der Bauanleitung abzuweichen und zuerst die Rumpfwände und das Deck zusammenzukleben; erst dann folgte der Rumpfboden, an dem sich auch ein Teil des Heckspiegels befindet. Trotz aller Mühe beim Trockenpassen und einem Streifen aus Sheet, den ich an die untere Hälfte des Heckspiegels klebte, kam ich nicht ohne Spachteln und Schleifen aus. Besonders die Naht quer über den Heckspiegel bedurfte mehrerer Arbeitsgänge. Ansonsten hielt sich der Verbrauch an Spachtelmasse sehr in Grenzen. Ich würde beim Bau eines Wasserlinienmodells nicht empfehlen, der Bauanleitung zu folgen. Die durchzuführenden Schnitte wären schwierig und würden sehr dünn auslaufen; zudem sieht man bei Booten im Einsatz praktisch immer irgendeinen Teil des Unterwasserschiffs. Nur bei einer Präsentation im Hafen und auf einer Glasplatte käme man nicht umhin, das Unterwasserschiff genau abzuschneiden. Ebenfalls abweichend von der Bauanleitung entschied ich mich dazu, die äußere Hülle des Aufbaus am Stück zu erstellen; so wollte ich es vermeiden, am bereits weitgehend bemalten und mit Klarsichtteilen versehenen Boot noch viel spachteln, schleifen und überlackieren zu müssen. Das stellte sich als gute Entscheidung heraus. Hätte ich die Anleitung befolgt, wäre der Bau erheblich schwieriger und frustrierender geworden. Der Aufbau erforderte an einigen Stellen Spachtelarbeiten, unter anderem liegen im vorderen Bereich kleinere Sinkstellen vor, die aber kein wirkliches Problem darstellen. Der Rohbau verlief abgesehen von den Spachtelarbeiten sehr zügig; ich erstellte so viele Unterbaugruppen wie möglich, versäuberte und bemalte soviel wie möglich vor dem Zusammenbau. Angesichts eines recht umfangreichen Farbfundus benutzte ich vorhandene Farben, die ich anhand der Vorbildfotos möglichst gut abglich. So ist mein Unterwasserschiff in RN Antifouling Red von WEM lackiert, der Rumpf in einem seidenmatten Lufthansa–Dunkelblau von Revell, und der Aufbau in einem „Alert orange“ von Gunze Sangyo. Das Deck ist RAF Dark Sea Grey von Xtracrylix, die hellgrauen Partien sind USAF Light Grey von JPS Modell. Abgeklebt wurde mit Tamiya tape und Scotch tape. Die sehr schöne Inneneinrichtung ist nach dem Zusammenbau kaum noch zu sehen; deshalb bemalte ich sie ohne besondere Detaillierung wie z.B. Sicherheitsgurte. Eine Alternative wäre es, den Aufbau abnehmbar zu gestalten, aber ich entschied mich dagegen. Der Rumpf wurde vor Anbau der Inneneinrichtung und Decksfittings möglichst weit fertiggestellt. Schwierig erwies sich hierbei das Markieren der Wasserlinie aufgrund der Kanten am Rumpf; ich musste hier auch nacharbeiten. Die Decals ließen sich besser verarbeiten als erwartet, jedoch sind sie nicht ganz deckend. Hier müsste man entweder alles selbst abkleben und spritzen oder den Bereich unter den Decals weiß lackieren – beides ist arbeitsaufwendig und birgt Risiken in sich, allerdings auch ein vermutlich ansprechenderes Ergebnis. Gutes feines Klebeband z.B. von AIZU ist ein Muss. Die Kante am Rumpf führte auch zu einer ungleich breiten Wasserlinie, die zudem noch etwas zu kurz war. Hier blieb nur Abkleben und Nachlackieren. Vor dem Aufbringen der Decals wurde der gesamte Rumpf mehrfach mit Future gespritzt; ein anderer hochglänzender Lack tut es auch, aber nur auf einer wirklich hochglänzenden Unterlage lassen sich die Decals so aufbringen, dass sie wie aufgemalt wirken. Während ich auf das Durchtrocknen des Futures wartete, suchte ich mir eine Bootskennung aus. Ich entschied mich für ein irisches Boot, dessen Namen „Myrtle Maud“ mich an „Moaning Myrtle“ aus den Harry Potter - Büchern erinnerte. Die Namenstafeln stellte ich aus dünnem Plastiksheet und Abreibebuchstaben her. Das sah alles sehr gut aus, aber leider hatte ich mich in der Liste der Stationskennungen verguckt, und bevor mir ein freundlicher irischer Forumskollege das sagte, war alles aufgebracht, mit Klarlack versiegelt und guter Rat wurde plötzlich sehr teuer. Ich entschied mich dafür, die Bootskennungen zu belassen und „nur“ den Bootsnamen zu verändern. Zu der von mir verwendeten Kennung gehört der Name „Mr. David Kirkaldy“; dieser ließ sich selbst mit den kleinsten Abreibebuchstaben nicht erstellen, also druckte ich mit dem Laserdrucker in 5-Punkt-Schrift Namenstafeln und klebte sie mit Weißleim auf die vorhandenen Tafeln. Der Stationsname am Heckspiegel wurde teils überlackiert und lautet jetzt „Arran“ anstatt „Arranmore“. Nachdem ich die Inneneinrichtung komplett erstellt und angebaut hatte, wandte ich mich dem Problem der Verglasung zu. Die Bausatzteile waren mir zu dick, also konnte ich entweder Weißleim benutzen oder dünne Plastikscheiben einkleben. Ein Forumskollege wies mich darauf hin, dass alles, was man benutzte, möglichst wenig auftragen müsse, um nicht der Inneneinrichtung ins Gehege zu kommen. Da ich mit dem Weißleim bei größeren Fenstern nicht zufrieden war, benutzte ich dünnes Material aus Blisterverpackungen, das zugeschnitten und mit Weißleim aufgeklebt wurde. Es folgten einige Tests, ob die Scheiben auch wirklich hielten, und dann einiges an Aufpassen und Zurechtschleifen vor der „Hochzeit“ zwischen Rumpf und Aufbau. Im Nachhinein muss ich ketzerisch sagen, dass ich beim nächsten Mal nicht die komplette Inneneinrichtung verbauen würde und mir damit das Leben vermutlich deutlich erleichtern würde. Trotz aller Mühe und Einsatz schweren Geräts (Schraubstock) blieben nämlich noch Spalten übrig, die mit Weißleim gefüllt und teils überlackiert werden mussten.
Und es geht weiter ...Während alledem versäuberte und lackierte ich schon den Bootskran und das Schlauchboot. Nachdem ich mir Vorbildfotos angeschaut hatte und diese mit dem doch sehr nackerten Boot verglichen hatte, entschied ich mich, das Bootsinnere durch eine Persenning zu verstecken. Im Original werden die Boote auch mit einer Persenning abgedeckt gefahren. Das Boot wurde orange über alles lackiert und der Außenborder mit angebaut. Die Schraube wurde durch Aussägen etwas detailliert, ist aber später sowieso kaum sichtbar. Die Persenning entstand aus mit verdünntem Weißleim getränktem Zigarettenpapier, das nach dem Trocknen betrimmt und mit einem etwas anderen Orangeton bemalt wurde. Die abschließenden Schritte des Baus gingen recht gut von der Hand; die Verglasung der offenen Brücke erforderte gründliches Abkleben mit Tamiya Tape und einer frischen Klinge. Die Scheinwerfer wurden mit einem kleinen Rundfräser in der Minibohrmaschine ausgehöhlt und mit Schwarz seidenmatt sowie Silber von JPS bemalt. Nach dem Trocknen wurde die Linse mit Weißleim simuliert. Die Antennenmasten und das Radargerät wurden großteils aus dem Kasten gebaut und gemäß Vorbildfotos bemalt. Nur bei der Antenne in der Mitte habe ich die vier sehr prominenten Dipole aus 0,4 mm Messingdraht von Lion Roar ersetzt. Die Rettungsinselbehälter wurden mit JPS RAF White bemalt, um einen leichten Kontrast zu den weißen Handläufen zu bekommen. Die Zurrgurte um die Behälter wurden aus bemaltem Tape hergestellt. Die Tagesleuchtfarbe von JPS eignete sich hervorragend dazu. Sie wurde auch für die Rettungsringe benutzt. Metalizerfarben von Model Master kamen beim Anker (Titan) und bei den Anbauten am Heckspiegel zum Einsatz. Letztere wurden mit Aluminium sowie mit Magnesium lackiert. Ich wich bei diesen wie bei vielen anderen Schritten von der Bauanleitung ab, indem ich mich von innen nach außen über das Modell vorarbeitete, um beim Hantieren ein möglichst geringes Bruchrisiko durch den Faktor „D“ = Dappichkeit einzugehen. So wurden zuerst die Decksfittings (bis auf die Schwanenhälse, aufgrund der Bruchgefahr und unklarer Positionierung) angeklebt. Dann baute ich alle Anbauten am Aufbau an. Die diversen Relings und Handläufe passen nicht alle optimal. Bemalt wurden sie mit Insignia White von JPS; generell beschleunigt die Acrylfarbe den Bau ungemein, da man binnen sehr kurzer Zeit nach dem Bemalen weiterarbeiten kann. Abweichend von der Bauanleitung wurde hier das Schlauchboot erst nach dem Anbringen der Relings eingebaut – dadurch erleichtert man sich die Arbeit ungemein. Während die Handläufe am Aufbau weiß sind, sind die Relings im hinteren Bereich hellgrau und im vorderen schwarz, das gilt entgegen der Bauanleitung auch für die inneren Relings auf dem Vordeck, wenn man nach den Vorbildfotos geht. Hier sind bestimmt kleine Unterschiede von Boot zu Boot möglich, aber im großen Ganzen herrscht ein einheitliches Bild. Die Relings aus den Gussästen heraus zu trennen war nicht wirklich leicht, der Bruch hielt sich aber in Grenzen. Ich benutze hier gern eine Feinsäge. Generell sind einige Teile sehr benutzerunfreundlich am Spritzling befestigt. Nach dem Versäubern und Trockenpassen konnten die Relingsegmente lackiert und wenig später verklebt werden. Verbleibende Spalten wurden mit schnelltrocknendem Weißleim ausgefüllt und übermalt. Die Schrauben waren mit dunkel abgetönter Goldfarbe bemalt worden; nun konnten sie und die diversen Anbauten am Heckspiegel angebaut werden. Zuletzt folgten die Scheinwerfer, Positionslichter und Schwanenhälse. Letztere wurden nach Vorbildfotos bemalt. Auf die Flagge habe ich verzichtet, weil ich sie auf Einsatzfotos nicht gesetzt gesehen habe.
ZusammenfassungDas Warten hat sich gelohnt. Der lange angekündigte Bausatz lässt sich, Sorgfalt und Überlegung vorausgesetzt, ohne wesentliche Zurüstteile zu einem sehr ansprechenden Modell eines modernen Rettungsfahrzeugs zusammenbauen. Die Detaillierung ist aus dem Kasten schon gut, Scratchbauer werden aber noch reichlich Spielraum zum Austoben finden. Kleine Ungenauigkeiten in der Anleitung sowie die begrenzte Detaillierung trüben den Gesamteindruck nicht. Empfehlenswert!
Quellen
Frank Spahr Publiziert am 10. Juli 2010 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |