Handley Page Harrowvon Roland Sachsenhofer (1:72 Valom)
Aus heutiger Sicht kann man die H.P. 54 Harrow ja als eher exotisches Flugzeug bezeichnen; dabei stellte dieser Entwurf im Jahr ihrer Einführung einen gewaltigen Neuerungsschub für die veraltete Bomberflotte der Royal Air Force dar. Seit 1935 in der Entwicklung und ab 1937 an die RAF geliefert, war sie als dringend notwendiger Ersatz für die Vickers Virginia Doppeldecker gedacht.
Die offensichtliche Mixtur aus konservativer Technik und damalig modernen konstruktiven Merkmalen ließ ein in recht eigenwilliger Art elegantes Flugzeug entstehen. Die textilbespannte Zelle zeigte ein geschlossenes Cockpit und drei Geschützstände, an den langen Flächen arbeiteten zwei Bristol Pegasus Sternmotoren, deren 690 PS die Harrow allerdings auf nur wenig aufregende 200 Km/h beschleunigten. Die zum Zeitpunkt der Einführung schon enttäuschenden Leistungen hielten die Karriere der Harrow als schweren Bomber kurz; schon bei Beginn des Krieges wurde sie in dieser Rolle von anderen Mustern abgelöst. Eine zweite und deutlich erfolgreichere Aufgabe konnte sie allerdings als Transporter erfüllen. Bis Kriegsende bewährte sich die Harrow in diesem Einsatzbereich; Ansehen erlangte das Muster noch 1944, als sie – natürlich mit Invasionsstreifen - in der Normandie zur Verwundeten-Evakuierung eingesetzt wurde.
Die ungewöhnliche schwarze Farbgebung meines Modells verweist auf eine weitere, allerdings im Ansatz stecken geblieben Verwendung der Harrow als „Nachtjäger“.
Dazu sollte die Flugzeuge in Formation über eine anfliegende Bomberformation kreuzen und „LAMs“ (Long Aerial Mine) abwerfen. Diese Waffe bestand aus einem 120 Meter langen Kabel, einem Sprengkopf von einem halben Kilo Gewicht und einem kleinen Fallschirm an einem Ende sowie einem etwas größeren Schirm am anderen Ende des Kabels. Verfing sich nun eine Bomber-Tragfläche am Kabel, sorgte der größere Fallschirm dafür, dass der Sprengkörper zum Flugzeug gezogen wurde, wo er bei Kontakt detonierte. Im Winter 1940/41 scheinen sechs deutsche Bomber auf diese Weise zum Absturz gebracht worden zu sein. „Operation Mutton“, wie der Name dieser Versuche lautete, wurde allerdings nicht lange durchgeführt, die Verwendung der Harrow als Jagdflugzeug zur Bomberabwehr blieb Episode.
Mein Modell zeigt K6994, eine jener Harrows, die im Rahmen von „Mutton“ bei der 93. Squadron von Middle Wallop aus geflogen worden sind. Auffallend sind neben der schwarzen Lackierung das „Haifischmaul“ und die stilisierten Raubvogelbeine an den Fahrwerksverkleidungen. Meine Entscheidung für diese Maschine war schnell gefallen - und meine Begeisterung über den Mut des Herstellers, eine so außergewöhnliche Maschine als Short-Run Modell aufzulegen, war groß.
Allerdings sind hier Valom bei der Gestaltung der Decals doch einige Schnitzer unterlaufen. Zum einen ist das Schiebebild des zähnefletschenden Mauls viel zu lange; etwa ein Viertel der Länge habe ich weggeschnitten - und trotzdem ist die Gesamtlänge immer noch etwas zu üppig bemessen. Zum anderen hat Valom die dreifarbigen Heckfinnen für eine Harrow im Maßstab 1:24 zugemessen - also viel zu groß! Die Lösung war allerdings einfach: ich habe sie mit welchen aus der Restekiste ersetzt.
Die Gestaltung des Decalbogens ist auch insofern nicht gut gelaufen, als die Anleitung einzelnen Schiebebildern falsche Nummern zuweist. Hier hat Valom vorbildlich reagiert und einen Korrekturbogen mit den richtigen Zuweisungen beigelegt.
Mehr über den Bausatz und das Bauerlebnis dieses Projekts gibt es bei der nächsten Harrow; ich konnte nämlich nicht widerstehen, einen zweiten dieser eleganten Hochdecker parallel zu bauen. Soviel sei allerdings verraten: ich kann dieses Valom-Produkt ob seiner exotischen Natur und der Qualität der Bauteile nur empfehlen.
Einen Baubericht sowie eine Übersicht über die Bausatzteile gibt es hier bei Scalemates. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 11. Juli 2017 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |