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X-20 Dyna-Soar

von Roland Sachsenhofer (1:72 AMP - Accurate Model Parts)

Die Bezeichnung „Dyna-Soar“ weist auf jenen seltsamen Sinn für Wortwitze hin, den das Militär mitunter bei ihren Namensfindungen zu lieben scheint: auf Englisch ausgesprochen (und erkennbar auch auf Deutsch) klingt es wie „Dinosaurier“. Gleichzeitig beinhaltet es aber auch das Wort „soar“, was aus Englisch „gleiten“ bedeutet. „Dyna“ bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der dieses Gefährt unterwegs gewesen wäre. Dies ist schlau ausgedacht, sollte die Dyna-Soar doch als wiederverwendbarer Raumgleiter auf einer Titan-Rakete reitend den Erdorbit erreichen, um nach Erfüllung ihrer Mission beim Wiedereintritt die Orbitalgeschwindigkeit abzubauen und auf der dichter werdenden Erdatmosphäre zu Zielhafen zurückzugleiten.

X-20 Dyna-Soar

Erstaunlich ist das Entstehungsjahr des Dyna-Soar-Projekts: ab 1957 wurde an der zukunftsweisenden Idee eines „Dynamic Soarers“ gearbeitet. Wenn man bedenkt, dass dies die Ära des Mercury-Programms und der ersten Wostok-Kapseln war oder dass Yuri Gagarin erst 1961 als erster Mensch ins All fliegen sollte, kann man ermessen, wie futuristisch und ambitioniert das Konzept eines Raumgleiters erscheinen musste. Noch aus heutiger Perspektive wirken die Formen des Raumgleiters erstaunlich modern und keineswegs so, als wären sie vor siebzig Jahren erdacht worden. So verwundert es, dass trotz technischer Realisierbarkeit kurz vor der Fertigstellung des ersten Dyna-Soar das ganze Projekt im Jahr 1962 gestoppt worden ist. Wie kann man das erklären?

X-20 Dyna-Soar

Ein wesentlicher Grund liegt in der ursprünglich rein militärischen Natur der Dyna-Soar. Die USAF versprach sich mit der Entwicklung des Gleiters ein Raumschiff, dass in aufeinander folgenden Entwicklungsschritten das volle militärische Spektrum von orbitalem Rettungsfahrzeug, Aufklärers und, schlussendlich, Bombers abdecken würde. Anstoß und technisches Wissen dazu kamen von der ursprünglichen Riege der bei der USAF eingesetzten deutscher Wissenschaftler um Walter Dornberger und Krafft Ehricke. Schon in Deutschland waren sie von den militärischen Möglichkeiten eines „Orbitalbombers“ nach den Entwürfen Eugen Sängers überzeugt gewesen und hatten mit teils erheblichen Mittlen daran gearbeitet.

Über die Entwicklungsstufen der Dyna-Soar I mit einer Titan I Rakete als Trägersystem, der Dyna-Soar II (Titan II) als Aufklärer und der bis zu Beginn der Siebzigerjahre zu realisierenden Dyna-Soar III (Titan III) als Orbitalbomber sollte der USAF ein militärisch voll nutzbarer Raumgleiter zur Verfügung stehen.

X-20 Dyna-Soar

Im März 1960 war das technische Layout der Dyna-Soar endgültig festgelegt, im April folgte eine Liste jener bewährter Luftwaffen-Testpiloten, welche das Orbitalfahrzeug zur Einsatzreife bringen sollten. Unter den sieben genannten Piloten fanden sich später über das reine Fachpublikum hinaus bekannte Namen: Neil Armstrong zählte etwa zum Team, ebenso Milt Thompson, der bei der Erprobung des „Lifting Bodies“ F2-M2 / M3 schon Bekanntschaft mit der Entwicklung von Orbitalgleitern gemacht hatte.

X-20 Dyna-Soar

Mit den Leistungsdaten der Dyna-Soar würden die Piloten bei den Testflügen zu Astronauten werden: das über fünf Tonnen schwere Gefährt sollte mit einer Maximalgeschwindigkeit von 28.000 km/h unterwegs sein und in einer Orbit-Höhe von 160 Kilometern operieren. Für den Antrieb waren zwei Aerojet Rocketdyne AJ10-138 Raketentriebwerke von je 36 kn Schub vorgesehen. 1962 war der Bau eines Mockup abgeschlossen und der Bau des ersten Prototypen gestartet.

X-20 Dyna-Soar

Der militärische Hintergrund sollte sich jedoch als die Achillesferse des Projekts erweisen. Die US-Regierung hatte zu Beginn der Sechzigerjahre neue Prioritäten für die Entwicklung der Raumfahrt vorgegeben. In der auf die Kubakrise folgende Entspannungsphase des Kalten Kriegs wollte man mit wissenschaftlichen Raumfahrtprogrammen zudem ein Signal zur nun friedlichen Nutzung des Weltraums senden.

X-20 Dyna-Soar

So stand nun zum einen der Bau einer Raumstation im Vordergrund. Der Nutzen der Dyna-Soar als Versorgungsschiff für eine zukünftige Station wurde dabei als zu gering beurteilt. Zum anderen hatte Kennedy die bemannte Mondlandung als neues Ziel ausgegeben. Die damit verbundene Aufwertung der NASA machte ein eigenes bemanntes Raumfahrtprogramm der USAF als teure Doppelgleisigkeit fragwürdig. Staatssekretär McNamara machte noch im Jahr 1962 klar, dass das Gemini- und das darauf aufbauende Apollo-Mondprogramm Priorität haben würden. Das inzwischen mit dem NASA-Kürzel X-20 bezeichnete Projekt Dyna-Soar wurde wenig später gestoppt und noch im Dezember 1962 eingestellt.

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Um das eingangs erwähnte Wortspiel noch einmal aufzunehmen: dieser „Dyna-Soar“ hatte gleichsam nicht einmal die Gelegenheit, auszusterben - er wurde tot geboren. Allerdings flossen die Daten und Erkenntnisse, die man in seiner Entwicklung gewonnen hatte, in zukünftige Raumfahrtprogramme ein. Nicht umsonst erinnern das Space Shuttle der Achtzigerjahre und die heute fliegenden Orbitalgleiter wie die Boeing X-37 oder der Dream Chaser an dieses Orbitalfahrzeug, das nie abheben durfte.

X-20 Dyna-Soar

Zu Bausatz und Bauprozess

Der ukrainischer Hersteller AMP scheint stets für eine Überraschung gut zu sein, das Erscheinen mehrerer Raumfahrzeuge in seinem Programm war für mich aber trotzdem unerwartet.

Unerwartet - und höchst erfreulich: vor kurzen konnte ich schon AMP´s Flying Body M2-F2 bauen, gefolgt von AMP´s Version von Eugen Sängers „Silbervogel“. So war ich gespannt, welche Qualitäten der Bau der X-20 Dyna-Soar zeigen würde!

X-20 Dyna-Soar

Eines gleich vorneweg: der Bau hat mich mit gemischten Gefühlen zurückgelassen. Zum einen wirken die Bauteile nicht nur am Gussast fein gegossen und detailreich geformt, sondern behalten diese Anmutung auch im montierten Zustand. Die Tiefe der Panellinien empfinde ich als stimmig, mit Details an den Oberflächen wird nicht gespart und die Passgenauigkeit ist generell recht gut.

X-20 Dyna-Soar

Es gibt nur einen Umstand, den ich als problematisch empfunden habe: den Bau des Cockpits! Dieser wird zwar in detailreichen und durchaus ambitionierten Schritten vorgegeben, anschließend wollte es mir aber partout nicht gelingen, diese Baugruppe in die beiden Rumpfhälften zu integrieren. Vielleicht liegt der Fehler ja bei mir, aber das Innenleben des Cockpits ist viel zu lang und breit, um in den schmalen Bug passen zu können! Nachdem es eine fiktionale Darstellung ist und man durch die kleinen Fenster ohnehin kaum etwas vom Innenleben sehen kann, habe ich die Teile des Cockpiteinbaus nach meinem Dafürhalten in der Länge gekürzt. Danach war der Einbau auch kein Problem mehr.

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Ansonsten lief der Bau problemlos und unterhaltsam; wieder einmal bin ich von AMP´s Modellpolitik entzückt und freue mich auf weitere Exoten, um die sich dieser Hersteller annehmen wird. Bei allem, was ich gesagt habe, möchte ich diesen Bausatz uneingeschränkt empfehlen. Auf weitere Bauberichte der Dyna-Soar wäre ich gespannt, vielleicht erkenne ich doch noch, wo mein Baufehler gelegen ist!

X-20 Dyna-Soar

Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofder@gmx.at

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X-20 Dyna-Soar

 

Roland Sachsenhofer

Publiziert am 09. Dezember 2025

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