Lippisch P.01-114Reißbrett-Experimentalvon Thomas Brückelt (1:72 Bird Models)Aus Alexander Lippischs Feder stammen viele Flugzeuge, die ihrer Zeit weit voraus waren. Zur Familie der Me-163 Komet gehört auch - etwas entfernt - der Entwurf der Lippisch P.01-114 von 1940. Das Flugzeug war als reines Versuchsflugzeug geplant, daher unbewaffnet und ein Raketenmotor vom Typ BMW 109-510 war vorgesehen. Rudolf Vogel (ebay-Shop: Bird Models) hat sich einiger exotischer Projekte im Maßstab 1:72 angenommen, darunter auch dieser interessante Typ. Der Resin-Bausatz besteht aus wenigen, gut geformten Teilen, zwei tiefgezogenen Hauben und einer Bauanleitung (Deutsch/Englisch inkl. Handskizze). Der Bausatz erlaubt eine recht schnittige Interpretation des Flugzeugs, was recht flott aussieht. Auch wenn man das Modell aus der Schachtel (in dem Fall „aus der Tüte") heraus bauen will, ist Nacharbeit zu leisten, daher kann ich diesen Bausatz nur erfahreneren Modellbauern empfehlen. Im Buch „Die deutsche Luftrüstung 1933-1945" von Heinz J. Nowarra fand ich eine kurze Beschreibung und eine recht detaillierte 3-Seiten-Ansicht von dem Raketenflugzeug. Diese wollte ich mir zum Vorbild nehmen, was allerdings einige Modifikationen am Bausatz erforderlich machte. Dieselbe Zeichnung findet man auch mit recht guter Auflösung im Internet. Ich druckte sie mir entsprechend skaliert aus. Dem Cockpit liegt ein Pilotensitz bei. Weiterhin ergänzte ich ein Instrumentenbrett samt Abdeckung und den Steuerknüppel. An der Rückwand deutete ich noch eine Kopfstütze an. Um die Tragflächen in die gewünschte Form zu bringen klebte ich zur Rumpfseite hin ABS-Platten an, um gemäß der Zeichnungsvorlage die Spannweite zu vergrößern und die Pfeilung zurückzunehmen. Danach sägte ich entlang des Hauptholms die so modifizierten Tragflächen durch, um angepasste ABS-Streifen einzukleben, damit die korrekte Flügeltiefe erreicht wird. Danach folgte eine Prozedur aus Spachteln und Schleifen. Nicht ganz so aufwändig gestaltete sich die Überarbeitung des Seitenleitwerks: Die Endleiste bekam etwas mehr Vorpfeilung, die Nasenleiste trennte ich komplett ab und ersetzte sie ebenfalls nach der Zeichnung aus 3 mm starkem ABS. Die Finne, die sich über den kompletten Rumpfrücken erstreckt - „Jet" genannt - berücksichtigte ich dabei ebenfalls. Etwa im vorderen Drittel der Flächenwurzeln setzte ich Bohrungen, um die Tragflächen durch den Rumpf hindurch mit einem Draht zu verbinden. Mit der Trennscheibe schuf ich dafür einen Durchbruch im Rumpf. Der Spalt wurde später mit Spachtelmasse geschlossen. Die vorhandenen Ruderspalte habe ich verspachtelt und verschliffen, die Neuen gravierte ich nach den Ansichten ein. Weiterhin gab es eine Modifikation an der Landekufe: Laut der Zeichnung aus dem Buch liegt diese nicht direkt am Rumpf an, sondern sitzt auf einer Anformung, die homogen in den Rumpf übergeht. Um diese Anformung zu schaffen, verklebte ich die beiliegende Kufe mit dem Rumpf und modellierte mit Spachtelmasse die weichen Übergänge. Die Kufe selbst stellte ich her, indem ich mir ein Stück ABS über ein zurecht geschliffenes Stück Balsaholz tiefzog. Ein Abwurf-Fahrwerk baute ich mir aus übrigen Teilen anderer Bausätze. Weitere Details, die im Eigenbau entstanden, sind die Antenne hinter der Haube, der Sporn und das Staurohr. Die beiliegenden Kabinenhauben sind recht dünnwandig und schienen mir etwas zu flach, hier „bastelte" ich mir wieder aus Balsaholz eine Form und zog mir eine neue Haube aus leicht getöntem Klarsichtmaterial tief. Da die Lippisch P.01-114 als reines Versuchsflugzeug geplant war, wollte ich keine Tarnlackierung auftragen, sondern entschied mich für einen recht schlichten Anstrich mit zwei Grautönen (Revellfarbe). Die Randbögen und die Nase pinselte ich rot an, um etwas Farbe ins Spiel zu bringen. Die Ruderspalte zog ich mit einem weichen Bleistift nach. Die Decals druckte ich mir selbst auf transparente Folie von ACT. Seidenmatter Klarlack versiegelt das Modell. Gerade durch die Umbauten und Nacharbeiten machte mir der Bau dieses Exoten viel Spaß. Aus dem Original-Bausatz lässt sich sicher mit deutlich weniger Aufwand ein hübsches Modell bauen, das aber mehr als „What-if"-Modell zu betrachten ist. Zu einem - für ein Kleinserienmodell - relativ günstigen Preis bekommt man hier also eine gute Basis, an der man sich ordentlich austoben kann.
Thomas Brückelt, Publiziert am 09. Dezember 2014 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |