Canon de 155 Long de Bange Mle.1877von Stefan Szymanski (1:72 Retrotracks)Nach dem Preußisch/ Französischen Krieg (1870-71) startete die französische Armee eine neue Ausschreibung für ein schweres und modernes Artilleriegeschütz, da nun endgültig die Zeit der Vorderlader und runden Kanonenkugeln abgelaufen war. Diese Ausschreibung konnte Charles de Bange mit seiner Konstruktion 1877 für sich entscheiden. Die Armee war von der Konstruktion sogar so angetan, dass man an de Bange herantrat, um alle benötigten Kaliber und Geschütze nach diesem System auszustatten. Dieses bekannt gewordene „Systeme de Bange“ umfasste dabei die 80mm-Feldkanone und endete bei dem schweren 270mm-Mörser. Über 1.400 Geschütze des Typs 155 wurden hergestellt und dienten zunächst zum Schutz diverser Befestigungen. Ab 1883 erhielten die Geschütze zusätzlich noch eine Hydraulikbremse, um den Rückstoß beim Feuern abzubremsen. Mit dem technischen Fortschritt wurde auch das Problem des enormen Rückstoßes bei schweren Geschützen immer weiter verbessert, so dass ab 1910 die 155L de Bange technisch veraltet war. Zu Beginn des ersten Weltkriegs befand sich keins dieser Geschütze im Frontbereich im Einsatz. Doch mit dem Mangel an schweren Geschützen wurde die 155L schnell wieder aus dem Ruhestand geholt. Dabei ging man dazu über, dass Geschütz mobiler und beweglicher zu gestalten. Die Hydraulikbremse mit der dazu gehörigen Holzplattform entfiel und die Räder wurden mit Laufplatten zur besseren Geländegängigkeit ausgestattet. Ab 1916 wurden die abgenutzten Geschützrohre durch einfacher gefertigte Rohre ersetzt, die man leicht an der auf der Oberseite quer vorhandenen Öse erkennen konnte (bei den alten Geschützrohren war diese Öse längsseits der Oberseite montiert). Selbst nach dem ersten Weltkrieg war die Geschichte der 155L de Bange noch nicht zu Ende. So wurden am 2. September 1939 die Bestände der französischen Armee mit 743 Geschützen aufgefüllt, die zum Teil sogar im Mai/ Juni 1940 gegen die deutschen Invasoren zum Einsatz kamen.
Retrotracks hat mit der 155er Long de Bange die doch kleine Sammlung an WK1-Modellen mal wieder um einen ausgezeichneten Bausatz bereichert. Die Resinbauteile sind sehr sauber, detailliert und verzugsfrei wiedergegeben. Auch die für Resinbauteile typischen Angussblöcke sind so angeordnet, dass bei den anfallenden Verputz-, bzw. Säuberungsarbeiten die Gefahr von Zerstörung kleinerer Bauteile minimiert ist. Als einziges Manko kann man die kleine, skizzenhafte Bauanleitung sehen. Diese lässt bei genauer Positionierung diverser Kleinteile mehr Fragen offen, so dass man unbedingt noch Eigenrecherche betreiben sollte, um beim Zusammenbau unnötige Fehler zu vermeiden. Retrotracks bietet dem Modellbauer die Möglichkeit, die 155er in alter Ausführung mit Holzbeplankung und Hydraulikbremse, sowie in der mobileren Variante des ersten Weltkriegs zu bauen. Dies beinhaltet die nötigen Laufkettensegmente und -platten der Räder, sowie die Möglichkeit der Darstellung der alten oder neueren Geschützrohre. Geprägt durch den diesjährigen Besuch in Verdun kam für mich natürlich nur die mobilere Variante des ersten Weltkriegs in Frage.
Den Anfang machten dabei die Räder, die sich durch Laufketten und -platten jeweils aus 25 Bauteilen pro Rad zusammen setzten. Diese „Laufketten“ bestanden eher aus U-Profilsegmenten, die miteinander verbunden waren. Bei der Montage sollte unbedingt beachtet werden, dass diese Segmentkette sehr locker um das eigentliche Holzrad saß. Auf Originalbildern kann man erkennen, dass die Segmente gerade im unteren, seitlichen Bereich sehr viel Spiel/ Luft zum Holzrad besaßen. Daraus ergibt sich wiederum, dass man schon bei der Montage die Unter- und Oberseite des Rades festlegen muss, die auch bei der späteren Montage an der Lafette berücksichtigt wird. Zwar hatte ich bei der eher losen Gestaltung dieser Segmentkette meine größten Bedenken, was den richtigen Umfang und damit Passung anging, doch schienen diese unbegründet und das letzte Segment ließ sich ohne Probleme einfügen. Nun folgten die Laufplatten. Auch hier fing ich wieder an der späteren Auflagefläche (also unten) an und arbeitete mich schrittweise nach oben, wobei ich den jeweiligen Neigungswinkel der Platten berücksichtigte. Eigentlich war ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Durch Zufall stellte sich dann heraus, dass ich pro Rad eine Holzlaufplatte zu wenig montiert hatte, also 11 statt 12. Ein Fehler, der zustande kam, weil sich trotz des losen Spiels das letzte U-Segment problem- und „nahtlos“ einfügen ließ. Das führte natürlich zu dem Resultat, dass man diese Segmentkette noch lockerer hätte gestalten müssen. Doch war nun alles stabil verklebt, so das mir nichts anderes übrig blieb, als diesen Fehler hinzunehmen. Dies war zwar ärgerlich, aber auch wieder nicht so tragisch, dass es später direkt ins Auge fallen würde.
Bei den restlichen Arbeiten an der Lafette bereitete mir gerade die vertikale Höhenverstellung des Geschützrohres das meiste Kopfzerbrechen. Die skizzenhafte Bauanleitung verstärkte eher das Gefühl vieler offener Fragen. Erst einige Originalbilder verschafften mir die nötigen Informationen, wobei sich herausstellte, dass diese Höhenverstellung viel einfacher konstruiert war, als im Vorfeld gedacht. Ich ergänzte noch einige Kleinteile und Haken aus Kupfer, bevor ich mich der nächsten Herausforderung stellte. Um den Rückstoß abzufangen, wurde bei dem Original zu den Rampen das hintere Ende der Lafette in eine Art Schlitten gelegt. Diese Schlitten wurde nach dem Feuern mit dem Geschütz nach hinten geschoben, wobei zwei seitlich an der Lafette angebrachte Kettensysteme den Schlitten wieder mit der Kanone in die alte Position zogen. Während dieser Schlitten im Bausatz beinhaltet ist, wurden die dazu ebenso benötigten Ketten und Kettenspanner von Retrotracks nicht weiter berücksichtigt. Also gestaltete ich die seitlichen Kettenspanner aus Restmaterial, wobei ich mir die Montage der Ketten und damit auch Verbindung zum Schlitten für später aufhob.
Bei der Farbgebung griff ich auf Humbrol 155 zurück, wobei ich dieses Grün an diversen Blechmitten weiter aufhellte, um den späteren Tiefeneffekt (der gerade bei kleinen Maßstäben sehr wichtig ist) zu vertiefen. Kleinere Farbarbeiten führte ich mit dem Pinsel durch. Mit einem selbstgemischten „Schokobraun“ gestaltete ich die typischen Roststellen, wie man diese oft an den Kanten und stark beanspruchten Flächen von Nutzfahrzeugen finden kann. Nachdem alle hauptsächlichen Lackierungsarbeiten beendet waren, erhielt das ganze Modell einen Überzug aus glänzendem Klarlack. Die nun glatten Oberflächen erleichterten die Washing- und Alterungsarbeiten, die mit stark verdünnter Ölfarbe und Pigmenten durchgeführt wurden. Zur Versiegelung und Farbharmonisierung folgte nun noch ein Überzug aus mattem Klarlack. Den Abschluss bildete ein warmes Grau (Revell 75), mit dem ich ein dezentes Drybrushing durchführte. Dabei wurden alle Kanten und Erhebungen (z.B. Nieten) kontrastmäßig hervorgehoben, was im Zusammenhang mit den vorher durchgeführten Techniken den gewünschten Tiefeneffekt erzielte. Mit der Montage der Räder waren die Arbeiten an der 155er fürs erste abgeschlossen.
Bei der Gestaltung des Dioramas orientierte ich mich an einem Originalbild. Dabei stand das Geschütz auf einem freien Gelände, wobei man den Bereich der unteren Lafette und den Übergang zum Holzschlitten tiefer gestaltet hatte. Ein schönes Motiv, wobei sich mir aber der Sinn dieser Stellung nicht wirklich erschließen wollte. Eine Vermutung meinerseits kann sein, dass man durch die maximal höhere, vertikale Ausrichtung eine größere Reichweite erzielen konnte. Aber auch eine bessere Fixierung des Geschützes, was ein ständiges neues Ausrichten einsparte, könnte eine Möglichkeit gewesen sein. Da der Sinn dieser Stellung für das Diorama aber eher sekundär war und die Originalität durch das Bild belegt ist, stand dem Bau des Dioramas nichts weiter im Wege. Den Anfang machte eine passend zurecht gesägte Pressspanplatte mit den dazugehörigen Holzleisten. Nach den nötigen Klebe- und Passarbeiten lackierte ich diese Grundplatte schwarz und klebte anschließend die Ränder mit Tapeband ab, um diese vor späteren Verschmutzungen bei den eigentlichen Arbeiten am Diorama zu schützen. Mit Holzstäbchen aus einer sehr bekannten Fastfood-Kette gestaltete ich den eigentlichen Holzbarrenunterbau der Kanone. Dabei sägte ich mir mit Hilfe eines Tapeziermessers die benötigten Holzbarren maßstabsgerecht und verklebte diese mit Holzleim. Dieser Holzunterbau erhielt nun seinen vorgesehenen Platz auf der Dioramenplatte. Nun war es Zeit für die Bodengestaltung. Für die Grundstrukturierung verwendete ich dabei herkömmlichen Füllspachtel aus dem Baumarkt, den ich mir mit Hilfe von einem Pinsel und ein wenig Wasser in die gewünschte Position brachte und dabei auch jeden Winkel und jede Ecke ausfüllte. Den Füllspachtel ließ ich dann 24 Stunden austrocknen, bevor ich die strukturierte Fläche großzügig mit einem Holzleim- / Wassergemisch bestrich. Auf diese nasse Fläche ließ ich mit Hilfe eines Teelöffels dosiert Vogelsand fallen. Anschließend ließ ich das Holzleim- / Wassergemisch vorsichtig vom Pinsel in den Vogelsand ablaufen, wobei mit dem Pinsel noch kleinere Korrekturen vorgenommen werden konnten. Da selbst Vogelsand für den kleinen Maßstab sehr grob wirken kann, verfeinerte ich das Gelände weiter mit Heilerde. Dabei arbeitete ich ebenso mit dem besagten Teelöffel, wobei die Heilerde aber noch dosierter aufgebracht wurde. Durch den nassen Vogelsand saugte sich die Heilerde schnell voll, ohne dabei die feine Strukturierung zu verlieren. Nun war es wieder Zeit zu warten, bis die Geländestrukturierung vollständig abgetrocknet war. In dieser Zeit fertigte ich aus den schon oben erwähnten Holzstäbchen die Unterböcke für die Rampen, versah diese mit Griffen aus Messingdraht und drückte diese anschließend in die gewünschte Position der noch feuchten Erde. Dabei fanden auch schon einige Holzkisten und Restholz ihren endgültigen Platz.
Zeit für die Farbgebung. Zu Anfang ließ ich Revell 87 vorsichtig vom Pinsel ablaufen, um dem Gelände den passenden Grundton zu verleihen. Die Mischung aus Vogelsand und Heilerde saugte die Farbe dabei sehr gut auf und verlieh dem Boden dazu noch mehr Festigkeit. Auch erhielten die Holzkisten, das Restholz, die Unterböcke, sowie der Unterbau den passenden braunen Grundton. Mit einem helleren Sandton (in meinem Fall Revell 89) wurde nun auf dem ganzen Diorama ein Drybrushing durchgeführt. Durch die unterschiedlichen Grundtöne erhielt man genug Kontraste. Anschließend erhielten die Griffe der Unterböcke und die Beschläge der Kisten einen metallenen Anstrich. Es folgte ein Washing mit stark verdünnter Ölfarbe, wobei ich wirklich jeden Gegenstand auf dem Diorama wieder die gleiche Aufmerksamkeit schenkte. Den vorläufigen Abschluss bildete ein noch dezenteres Drybrushing mit einem warmen Grau (Revell 75). Nun erhielt die 155er auch endlich ihren vorgesehenen Platz. Dabei vervollständigte ich noch die Ketten, die eine Verbindung zwischen Lafette und Holzschlitten darstellten.
Jetzt waren nur noch die Feinarbeiten zu erledigen. So rundete ich das Gesamtbild mit einigen Planen ab, die ich aus zurecht geschnittenen Papiertaschentüchern herstellte. Dabei verwendete ich nur immer eine Lage dieses Tuches, fixierte dieses zuerst nur mit Wasser an der vorgesehenen Stelle und gab dem ganzen mit Klarlack die nötige Festigkeit. Ähnlich ging ich bei dem Tarnnetz vor, dass aus Mullbinden ehemaliger Bundeswehrbestände besteht. Um dem Ganzen den nötigen Kontrast zwischen Licht und Schatten zu verleihen, arbeitete ich hier bei der Bemalung mit drei unterschiedlichen Grüntönen (dunkel, mittel, hell). Nun konnten auch die beiliegenden Geschosse platziert werden. Da ich bei Geschützstellungen des ersten Weltkriegs immer gerne viel Munition auf einem Diorama unterbringen möchte, griff ich hier auf das W^D-Sortiment zurück, um den Munitionsstand dementsprechend zu erweitern. So bietet W^D mittlerweile Geschosse in unterschiedlichen Größen an, die sich gut mit den meisten Geschützen aus dieser Ära kombinieren lassen. Mit einigen Grasbüscheln aus dem Noch-Sortiment setzte ich zum Abschluss noch einige Farbtupfer. Zwar hatte ich bei der Figurenauswahl auch die passende Bedienung aus dem Hause Retrokit, doch verfügten diese über die ältere französische Uniform aus der Vorkriegs-, bzw. Anfangszeit des ersten Weltkriegs. Auch sagten mir die jeweiligen Posen nicht wirklich zu. So griff ich auf die altbewährten Franzosen von W^D zurück. Hatte ich mit diesen doch schon in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gesammelt und waren sie, wie erwartet, auch für die aktuelle Szenerie mehr als passend. Nach der detaillierten und aufwendigen Bemalung mit Ölfarben wurden die kleinen Franzosen passend ins Diorama integriert. Um alles ein wenig staubiger zu gestalten erhielt nun das ganze Diorama einen leichten Überzug mit Tamiya „Buff“. Mit einigen Pigmenten arbeitete ich diese Verstaubung gerade im Bereich der Räder und Figuren noch ein wenig aus, womit die Arbeit dann endlich auch beendet und die heimische Vitrine um ein kleines Schmückstück reicher war…
Stefan Szymanski Publiziert am 09. März 2013 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |