Airspeed AS.51 Mk.I Horsavon Roland Sachsenhofer (1:72 Italeri)
Obwohl die Airspeed Horsa ein durchaus bekanntes Fluggerät darstellt und darüber hinaus beanspruchen darf, eine der Ikonen der alliierten Landung in der Normandie am 6. Juni 1944 zu sein, habe ich mir selbst bis zu diesem Projekt nicht klar gemacht, welch packende Geschichte(n) und erstaunliche Technik hinter den eigentümlichen Formen dieses britischen Lastenseglers stehen. Zum Vorbild
Eines vorneweg: die Geschichte der Nutzung von Segelflugzeugen im Kampfeinsatz ist eine sehr kurze. Sie beginnt buchstäblich mit einem Paukenschlag - der überraschenden Überwindung und Neutralisierung der französischen und belgischen Sperrforts durch den Einsatz einiger weniger DFS 230 Lastensegler zu Beginn des „Westfeldzuges“ im Mai 1940 - und endet mit allein schon von der eingesetzten Anzahl an Seglern her beeindruckenden großformatigen alliierten Landeunternehmen in den letzten Monaten des zweiten Weltkriegs. Schon Ende der 1940er Jahre hatte die neue Technologie des Hubschrauberflugs den Lastensegler obsolet gemacht, spätestens zu Beginn der 50er Jahre war diese Gattung militärischen Fluggeräts aus den Arsenalen verschwunden.
Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne von zehn Jahren haben sich zwei unterschiedliche Verwendungsweisen militärischer Segler herausgebildet, die sich interessanterweise auch in den unterschiedlichen Begriffen „aussault glider“, also „Angriffs-Segler“ und „Lastensegler“ widerspiegeln. Neben spektakulären Einsätzen wie dem Angriff auf Fort Eben Emael oder der Aktion am Gran Sasso tendierte die deutsche Seite dazu, die Segler als Transportmittel außerhalb der unmittelbaren Kampfzone einzusetzen. Die US- beziehungsweise britische Seite verwendete ihre jeweiligen segler-mobilen Luftlandeeinheiten dagegen bevorzugt als Speerspitze von großen Landeunternehmen.
Die riskanten Umstände und Gefahren eines Einsatzes von Seglern blieben dabei allerdings für alle Seiten gleich. Schon den Start eines vollbeladenen Lastensegler kann man sich wahrscheinlich nicht eindringlich genug vorstellen: Die meist mehrmotorige Schleppmaschine musste den Segler über ein nachgiebiges Zugseil von Null auf Fluggeschwindigkeit beschleunigen, während der Pilot des Seglers unter allen Umständen versuchen musste, das Heck der Schleppmaschine nicht vorzeitig vom Boden zu heben.
Im Flug verursachten die Propellerböen der Schleppmaschinen gewaltige Turbulenzen, die nicht nur in einem Nicken, Rollen und Gieren des Seglers resultierten, sondern auch in einem beständigen Beschleunigen und Verlangsamen des Seglers. Diese desorientierenden Einflüsse blieben auf keinen der Insassen ohne heftige Auswirkung. Bald, so wird berichtet, konnte der Boden des Seglers mit den herumschwappenden Auswirkungen unbezwingbarer Übelkeit bedeckt sein, dessen säuerlicher Anblick meist schnell auch die Dämme der Widerstandsfähigsten brechen ließ.
Eine große Gefahr ging während des Fluges vom Schleppseil aus. Sowohl der Pilot der Schleppmaschine wie der des Gleiters konnten die Kupplungen lösen, wobei der Pilot der Motormaschine dies nur im dringendsten Notfall tun durfte. Das unter Spannung stehende Zugseil würde auf den Gleiter zuschnellen und drohte, dessen leichtgebautes Cockpit zu zerschmettern oder, ebenfalls letal, einen Tragflügel abzurasieren. Die Kommunikation zwischen beiden Piloten wurde durch ein lose um die Schleppeine gewickeltes Telefonkabel gewährleistet. Die große Beanspruchung und heftigen Turbulenzen brachte dieses aber schnell dazu, zu reißen und so die Kommunikation unmöglich zu machen.
Piloten von Schleppmaschinen tendierten chronisch dazu, im Anflug zu früh auszukoppeln oder, etwa bei Flakbeschuss, Ausweichbewegungen zu fliegen, denen der Gleiterpilot mit seiner vollbeladenen Maschine nicht folgen konnte. Um sich und die Insassen zu retten, musste in diesem Fall umgehend ausgekuppelt werden. Insbesondere bei Luftlandeunternehmen auf Küstengebiete gingen zahlreiche Lastensegler verloren und ihre Besatzungen mussten elend ertrinken, da sie zu früh abgekuppelt worden waren. Die Gleitzahl einer vollgepackten Horsa war übrigens so beschaffen, dass das Ausklinken im Idealfall in Sichtweite der Landezone stattfand.
Eine weitere nicht zu unterschätzende Gefahr bestand in verrutschendem Ladegut. Sobald etwa eine 6-Pfünder Panzerabwehrkanone, wie sie die Horsa transportieren konnte, oder auch nur festgezurrte Munitionskisten oder anderes schweres Ladegut sich durch die heftigen Flugbewegungen aus den Verzurrungen löste, war das Flugzeug durch die Verschiebung des Schwerpunktes unrettbar verloren.
Die Landung schließlich stellte nicht nur den hochriskanten Abschluss des Einsatzfluges, sondern auch den eigentlichen Zweck des „aussault gliders“ dar: Der unschätzbare Vorteil bestand darin, dass der Gleiter konzentriert und für den Gegner vollkommen überraschend Luftlandesoldaten unmittelbar ins Einsatzgebiet bringen konnte und diese sofort kampfbereit waren. Voraussetzung dafür war natürlich, dass die Landung in wenig bekanntem und vom Feind womöglich tödlich präpariertem Gebiet überstanden wurde.
Ein Beispiel für einen erfolgreichen und entscheidenden Einsatz von Lastensegler war das in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944 startende Unternehmen „Tonga“. Dessen Zielsetzung sah die Inbesitznahme der zwei von den deutschen für die Sprengung vorbereiteten Bénouville-Brücken über den Fluss Orne und über den Caen-Kanal vor. Der Eroberung der unzerstörten Brücken kam im Rahmen der britischen Planungen des „D-Day“ höchste Priorität zu und galt als eine der Voraussetzungen für das Gelingen der Invasion.
Dem in sechs Horsa Lastenseglern angelandeten Kommando der 6. Britischen Luftlandedivision unter Führung Major John Howards gelang die Übernahme der Brücken innerhalb einer halben Stunde nach der Landung der ersten Horsa, noch am selben Tag wurden sie von ebenfalls luftgelandeten Soldaten ihrer Luftlandedivision verstärkt, welche die beiden Brücken dann bis zum Eintreffen der vorrückenden alliierter Truppen halten konnten.
Wie unglaublich präzise eine Landung in Feindesland, noch dazu in der Dunkelheit der Nacht, durchgeführt werden konnte, bewies die Leistung der Piloten der ersten landenden Horsa: wie von Major Howard gefordert, wurde mit dem Bug des bruchlandenden Seglers der Stacheldrahtverhau des Verteidigungsperimeters rund um die Brücke durchstoßen.
Die beiden Bénouville-Brücken wurden noch 1944 zu Ehren der 6. Luftlandedivision offiziell in „Pegasus“ – nach dem Wappentier der Einheit - und „Horsa“ Brücke umbenannt. Seit kurzem kann dort der vorbildgetreue Nachbau eines Horsa Lastenseglers bestaunt werden. Mein Modell zeigt eine der an dieser Aktion beteiligten Horsa Lastensegler. Zum Bausatz
Der Bausatz dafür stammt von Italeri. Obwohl die Formen aus jenen Urzeiten kommen, in denen Italeri noch Italerei genannt wurde, bieten sie noch heute alles Nötige, um an ein brauchbares Modell dieses Lastenseglers zu gelangen. Genau genommen muss man sogar sagen, der Bausatz bietet ein bisschen zu viel! An den Gussästen finden sich nämlich Teile für die Merkmale sowohl der Mk.I wie der Mk.II, ohne dass die Bauanleitung darauf eingeht.
Als kleinen Leitfaden möchte ich anmerken, dass eine Horsa Mk.I ein einteiliges Bugradfahrwerk aufweist und keine aufklappbare Bugspitze besitzt. Deshalb soll die Montage der Verkleidungen für die beiden Scharniere unterbleiben. Andererseits wurde bei einer Mk.II das Schleppkabel nicht mehr mit Y-förmigen Ende an zwei Stationen unterhalb der Flächen angeschlagen, sondern nur mehr einteilig am verstärkten und doppelbereiften Bugradfahrwerk. Kurz gesagt, man muss sich entscheiden und ein wenig recherchieren, welcher Version die Vorbildmaschine entspricht, der Bausatz bietet jedenfalls Teile zur Realisierung beider Varianten.
Trotz des hohen Alters der Formen ergab sich nach meinen Ansprüchen relativ wenig Bedarf an Nachbesserungen. So habe ich im Wesentlichen nur die beiden Pitot-Rohre und den sie tragenden Mast neu aufgebaut und die Inneneinrichtung des Cockpits mit Ätzteilen und Gurtzeug nachgerüstet. Die Passgenauigkeit ist einfach nur zu loben und beflügelt das ohnehin schon recht zügige Bauvergnügen noch weiter.
Der exzellente Ruf der von Italeri gebotenen Decals bestätigte sich mir mit den beiliegenden Schiebebildern aufs Neue, wobei ich sagen muss, dass ich die großflächigen „Invasionsstreifen“ lackiert und nicht mit dem beiliegenden Material umgesetzt habe.
Die Airspeed Horsa wird nicht der einzige Lastensegler in meiner Sammlung bleiben, dafür sind die Fakten wie die Geschichten rund um diese exotische Flugzeugklasse einfach zu faszinierend! Gerade Italeri hat sich ja mit Vorbildern wie der Waco Hadrian oder der Me-321 um diese Thema ja verdient gemacht- mit weiteren Lastenseglern ist also zu rechnen!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates“ Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 13. März 2021 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |