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Boeing B-17H "Dumbo"

von Roland Sachsenhofer (1:72 Academy)

Wenn sich die Besatzung einer B-17 Flying Fortress auf den Zielanflug vorbereitete und der Bombenschütze nach vorne zur verglasten Bugkanzel kletterte, um sich konzentriert über das Bombenvisier zu beugen, mussten die Menschen am Boden unter ihnen Tod und Verderben fürchten - nicht jedoch bei dieser besonderen B-17! Hier bedeutete der Anblick der anfliegenden „Flying Fortress“ für jene am Boden die Aussicht auf Rettung: was dieses Flugzeug abwerfen würde, war ein beachtlich ausgestattetes, hochseegängiges Rettungsboot, dass den in Seenot geratenen Schiffsbesatzungen und notgewasserten Piloten neben unmittelbarem Schutz, medizinischer Versorgung, Wasser und Nahrung die rettende Fahrt zur Küste oder Schiffen ermöglichte.

Der folgende Artikel soll daher auch mit ein paar Informationen zum eigentlichen Hauptdarsteller der B-17H-Einsätze, dem unter dem Rumpf montierten 10 Meter langen Higgins-Rettungsboot, beginnen!

Boeing B-17H "Dumbo"

Das A1 Higgins-Rettungsboot

Die Idee zur spektakulären Rettung per abgeworfenem Boot wurde 1943 geboren. Schon vorher waren in Seenot geratene Besatzungen aus dem Meer geborgen worden, indem sie mit Wasserflugzeugen aufgefischt wurden. Die Briten ließen in diesem Jahr jedoch als erste ein eigens für den Abwurf aus der Luft konzipiertes, 10 Meter-Rettungsboot per Fallschirm aufs Wasser niedergehen. US-Bootsbaulegende Andrew Higgins, schon in Vorkriegszeiten Hersteller hochwertiger und technisch verfeinerter Boote und später im Krieg wichtiger Hersteller einer Vielzahl von amphibischen Landungs- und PT-Booten, beschloss wenig später, ein verbessertes und vor allem widerstandsfähigeres abwurffähiges Boot für diese „Dumbo“-Missionen zu entwerfen. Er überarbeitete den britischen, übrigens ebenfalls von einem bekannten Segler, Uffa Fox, stammenden Entwurf mit dem Ziel, ein wesentlich stabileres und leistungsfähigeres Rettungsboot zu schaffen.

Boeing B-17H "Dumbo"

Zu Leistung, Ausstattung und Abwurf des Rettungsbootes

Das Ergebnis war das „A1 Higgins Lifeboat“, ein 1.500 Kilogramm schweres und 8 Meter langes Rettungsboot, das von zwei luftgekühltes Motoren angetrieben wurde. Gefertigt wurde es aus laminiertem Mahagoni, der Rumpf war in 20 geschlossene, luftgefüllte Abteilungen gegliedert, die das Boot theoretisch unsinkbar machen sollten. Eine weitere zentrale Verbesserung war die Eigenschaft zu Selbstaufrichtung, so dass es selbst gekentert oder vollständig unter Wasser gedrückt weiter schwimm- und fahrtüchtig blieb.

Boeing B-17H "Dumbo"

Boeing B-17H "Dumbo"

Die anfliegende B-17H musste das Boot exakt bei 190 km/h Geschwindigkeit und in 500 Metern Höhe unmittelbar beim Überfliegen der zu Rettenden auslösen. Nach kurzem freien Fall zogen mit dem Flugzeug verbundenen Reißleinen drei USAAF-Standard-15 Meter-Fallschirme aus ihren Hüllen. An diesen Fallschirmen hängend neigte sich der Bug des Bootes um 50 Grad nach unten, um dann so ausgerichtet mit ca. 30 km/h Sinkgeschwindigkeit auf dem Wasser aufzutreffen. Unmittelbar danach wurden automatisch mittels Raketentreibsätzen mehrere Rettungsleinen 360 Grad um das Boot herum etwa 200 Meter weit ins Wasser geschossen; diese sollte den Havarierten das anbordkommen erleichtern.

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Die Ausstattung des A1 Higgins-Rettungsbootes war beeindruckend durchdacht und basierte auf der bisherigen Erfahrung: an Bord war Platz für bis zu zwölf Personen, die notmedizinisches Material, trockene Kleidung, Karten mit einer Angabe der ungefähren Position, sowie Wasser und Proviant für rund 20 Tage vorfanden. Um das Boot anzutreiben, war neben den beiden Motoren auch eine einfach gehaltene Besegelung vorbereitet, die so konzipiert war, dass sie auch von seemännisch ungeschultem Personen gehandhabt werden konnte. Die meterlange Antenne eines ebenfalls vorhandenen „survival radio“ der Marke Gibson Girl wurde interessanterweise mit einem Lenkdrachen in der Luft gehalten. Die effektive Reichweite des A1 Bootes lag bei rund 2.500 Kilometern. Die beiden eingebauten Motoren trieben über die unter dem Rumpf liegenden Propeller das Higgins-Boot auf rund 8 km/h an, was eine täglich zurückgelegte Strecke von etwa 160 bis 240 Kilometern zum rettenden Ufer bedeuten konnte.

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Ein dramatischer erster Einsatz

Gleich der erste Einsatz des Higgins-Rettungsbootes am 31. März 1945 illustriert gut, wie aufwändig eine derartige Rettung werden konnte: am Tag davor war der Pilot einer P-51 Mustang vor der niederländischen Küste auf der Höhe von Schiermonnikoog notgewassert. Nachdem die bei einem ersten Bergungsversuch eingesetzte PBY Catalina bei der Wasserung selbst havarierte, musste der Mustang-Pilot aufgegeben werden - er trieb auf seinem Dinghi allerdings an die Küste und wurde dort von den Deutschen gefangenen genommen. Die beschädigte Catalina konnte nicht mehr aus eigener Kraft starten, deren sechs Besatzungsmitglieder waren nun selbst in Not. Ein von einer Vickers Warwick abgeworfenes Fox-Rettungsboot zerbrach in der rauer werdenden See und beschädigte dabei noch dazu das Flugboot, das nun zu sinken begann. Die Besatzung ging in ihre Schlauchboote, die ihnen im heranziehenden Sturm allerdings nicht lange geholfen hätten. Ein weiterer Fox-Rettungsbootabwurf scheiterte ebenfalls, so dass die brenzlige Situation nun dramatisch zu werden drohte. So erwies es sich als großes Glück, dass sich eine B-17H mit dem neuen Rettungsboot in der Nähe befand und dieses auch tatsächlich punktgenau abwerfen konnte. Diesmal gelang der Abwurf und auch das anbordkommen der Catalina-Besatzung. Wie groß deren Glück war, sich in einem der neuen Rettungsboote zu befinden, zeigen die folgenden Ereignisse: die nächsten drei Tage wetterten die sechs Mann im A1-Rettunsgboot einen der stärksten Stürme ab, der in den letzten Jahren in diesem Gebiet gemessen worden war. Erst am 4. April konnten sie in der noch immer rauen See von zwei Rescue Motor Launches übernommen werden. Das lebensrettende Higgins-Boot wurde, da es sich nicht mehr abschleppen ließ, durch Beschuss versenkt.

Boeing B-17H "Dumbo"

Das verbreitetste Einsatzgebiet der B-17H und ihrer A1-Boote sollte jedoch nicht Europa werden, sondern der Pazifik in den letzten acht Monaten des Krieges. Hier wurden die rettenden Flying Fortress´ entlang der Flugrouten der B-29 Bomber positioniert, die von ihren Basen auf Guam, Saipan oder den Marianen aus weit entfernte Ziele in Japan bombardierten. Unzähligen notgewasserten Besatzungen, die sonst in den erschreckenden Weiten des Pazifik verloren gewesen wären, retteten die „Dumbo-Missionen“ der B-17H mit ihren A1-Seenotrettungsbooten bis Kriegsende das Leben.

Die Seenotrettungsvariante der B-17 blieb auch nach dem Krieg im Einsatz. Bewaffnung und Panzerung wurden demontiert - und sollten erst 1950 wieder an Bord genommen werden, als die B-17H wieder zur Rettung abgeschossener B-29 Super Fortress eingesetzt werden sollten, die diesmal nordkoreanische Ziele angriffen.

Boeing B-17H "Dumbo"

Die für den Einsatz des A1-Rettungsbootes modifizierte B-17H war die letzte Versionen der „Flying Fortress“. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zur B-17G fand sich nicht nur im mitgeführten Rettungsboot, sondern auch im ASR-Radar, das an Stelle des Kinnturms unter den Bug montiert wurde. Mein Modell zeigt eine unbewaffnete und so wahrscheinlich nach Kriegsende eingesetzte B-17H, deren Hoheitszeichen aber noch im alten Stil der USAAF gehalten sind. Dies deutet auf einen Einsatzzeitraum zwischen 1945-47 hin. Etwa 130 B-17G wurden für die Seenotrettungsvariante modifiziert und als B-17H oder TB-17H bezeichnet. Ab 1947 erfolgte eine Umbenennung als SB-17G.

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Zu Bausatz und Bauprozess

Den Academy-Bausatz, dessen Erstausgabe ins Jahr 1988 fällt, kenne ich inzwischen von mehreren Projekten - und ich habe ihn dabei immer mehr schätzen gelernt. Seine Qualitäten liegen für mich zum einen in einer sehr passablen Passgenauigkeit, zum anderen im Umstand, dass er weder überfrachtet noch überkompliziert ausgelegt ist. Dass sich dies in einem moderaten Preis niederschlägt, ist sicherlich ein weiterer Vorteil.

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Aus dem Gesagten ergibt sich die Notwendigkeit, dort bei Details nachzulegen, wo es einem persönlich wichtig erscheint. In meinem Fall waren dies das Cockpit/ Bugbereich, die Motoren und der Fahrwerksbereich. Hier gibt es ein breites Angebot an Hilfe, hier wurden Ätzteilen von Eduard eingesetzt. Die Darstellung der Räder gewinnt mit einen Austausch gegen Exemplare aus Resin ebenfalls entscheidend.

Boeing B-17H "Dumbo"

Eine störende Eigenheit ist mir bei allen Projekten mit diesem Bausatz allerdings aufgefallen: die V-Stellung der Tragflächen erscheint mir als zu steil. Ich habe darauf so reagiert, dass ich die Flächen einfach etwas flacher montiert habe; die beiden dabei entstehenden Spalten nehme ich gerne für einen für mich stimmiger wirkenden Anblick in Kauf!

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Die gelben Bereiche an Rumpf und Flächen wurden abgeklebt und lackiert, ebenso deren schwarze Begrenzungsbänder. Alle anderen Markierungen habe ich mit den Bausatz-Decals verwirklicht, die sich trotz ihres Alters recht angenehm und ohne Probleme verarbeiten ließen. Die Bereiche in NMF wurden mit Alu-Farbtönen von Alclad II/ Ammo MiG, die in mehreren Durchgängen aufgetragen worden sind, umgesetzt.

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Fazit

Ich habe die Auseinandersetzung mit dem Thema der „Dumbo“-Missionen, die Geschichte(n) rund um die Higgins-Boote und einer B-17-Variante, die Leben rettet, als sehr bereichernd und interessant empfunden. Ich vermute daher, dass dies nicht mein letztes Modell dieses ikonischen Flugzeugmusters sein wird, das unerwartet viele unterschiedliche Geschichten erzählen kann!

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Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates.

Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at

Weitere Bilder

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Roland Sachsenhofer

Publiziert am 27. Dezember 2024

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