Lockheed P2V-7 Neptunevon Roland Sachsenhofer (1:72 Hasegawa)
Vor dem Start dieses Projektes war mir die P2V Neptune zwar vage bekannt, allerdings war mir gänzlich unklar, welche bedeutende Rolle dieser Typ in der militärischen Fliegerei der Zeit des kalten Krieges spielte. Was ist damit gemeint?
Zum einen verbindet sich mit dem Namen der zweifelhafte Ruhm, der erste Atombomber der US Navy gewesen zu sein. Die „Neptune“ in der Ausführung P2V-3C war Ende der Vierzigerjahre die einzige Maschine, die mittels JATO von einem Flugzeugträger die 4,5 Tonnen einer Atombombe in die Luft und zu einem Ziel bringen konnte. Der Ernstfall wäre auch für die Besatzung mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich gewesen; der Modus eines Rückflugs blieb unklar, eine Trägerlandung natürlich nicht möglich.
Konzipiert war die Neptune allerdings für einen anderen Einsatzzweck geworden: seit Beginn der Vierzigerjahre lief bei Lockheed die Entwicklung eines großen und reichweitenstarken Seekampfflugzeuges. Mit der Hudson und der aus ihr abgeleitete Ventura hatte der Hersteller in diesem Bereich ja bereits Erfahrung, Reputation und, last but not least, volle Auftragsbücher gewinnen können.
Waren die genannten Vorgänger noch aus Verkehrsmaschinen entwickelt worden, so gilt die Neptune zu recht als erstes von Anfang an für die Seeraumüberwachung entworfenes Flugzeug. In dieser Optimierung lag wohl auch der Grund für ihre lange Einsatzgeschichte und für ihre weite Verbreitung.
Ihre enorme Reichweite sowie die hohe Geschwindigkeit, mit der sie operierte, prädestinierte den neuen Entwurf zu Rekordflügen: gleich die dritte Produktionsmaschine erflog im September 1946 einen neuen Langstreckenrekord. Die Distanz Perth/Australien nach Washington DC wurde in 55 Stunden und 17 Minuten zurückgelegt. Der Name dieser speziellen Neptune, „Truculent Turtle“ wurde Legende.
P2V Neptunes waren in den intensiven Jahren des kalten Kriegs global und intensiv im Einsatz. Nicht nur in ihre Rolle als Schiffsbekämpfer und U-Bootjäger, sondern auch in geheimen Spionage-Einsätzen, die eigens modifizierte Maschinen unter der Ägide des CIA flogen. Neptunes waren aber auch als Seeaufklärer, zur elektronischen Kriegsführung wie für Störangriffe über Korea ebenso unterwegs wie im Vietnamkrieg.
Das Potenzial des Entwurfs schlug sich auch in der weltweiten Verbreitung nieder. Mit Argentinien, Brasilien, Australien, Kanada, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande oder Japan ist die Liste der Länder noch nicht komplett, die die P2V Neptune neben den US-Streitkräften in zum Teil hohen Stückzahlen zur Seeraumüberwachung und Aufklärung eingesetzt haben. Insgesamt wurde die imposante Zahl von 1184 dieser eindrucksvollen Maschinen zwischen 1946 und 1962 gefertigt. Die US-Navy hat ihre letzten Neptunes 1970 in die Reserve verabschiedet.
Im Zuge der laufenden Fortentwicklung und Modifikation des gelungenen Grundentwurfs wurde die Neptune in zahlreichen Varianten gebaut. Von der P2V-1 bis zur letzten Version P2V-7 legte die Neptune immer mehr an Leistung und Equipment zu. Besonders charakteristische Merkmale finden sich ab der P2V-5; sie verliehen der Neptune ein Erscheinungsbild, das sie einmalig machte: unter den Flächen wurde je ein Westinghouse-Strahltriebwerk J-34-WE-34 montiert, außerdem wurde ein MAD an einem Heckausleger eingebaut.
Mein Modell zeigt P2V-7 BuNo 135552 der VP-3 der US Navy, wie sie von NAS Whidbey Island aus im Jahr 1963 geflogen worden ist. Die Oberflächen sind noch mit „Gloss Sea Blue“ über alles lackiert, wenig später wurden die Neptunes mit weißen Rumpfrücken versehen, um der Aufheizung der Innenräume entgegen zu arbeiten.
Die Markierungen dafür stammen aus dem ausgezeichneten Decalbogen „P2V Neptune Part 1“ von Caracal Models. Die acht angebotenen Maschinen, allesamt attraktive Maschinen, ließen mich lange schwanken, welche ich aus den von Revell aufgelegten Hasegawa-Formen entstehen lassen sollte.
Schlussendlich fiel die Entscheidung auf die einzige Maschine in der frühen Farbgebung. Für die Umsetzung des „Gloss Sea Blue“ wurde Gunze H 326 verwendet.
Der Bau selbst verlief unproblematisch, kompakt und wurde nur dadurch verlängert, dass die Hasegawa Formen an detailsensiblen Stellen ein angemessenes Maß an Nachdetailierung verlangten. Zu meiner Freude konnte ich beim Kauf des Bausatzes auch ein Cockpit Detailsatz von Aires erwerben und war damit die Sorge los, wie ich mit dem allzu rudimentären und noch dazu gut einsehbaren Cockpit umgehen hätte sollen.
Detailierung erfuhren auch die beiden Motoren in Form einer Verkabelung; allzu viel ist davon allerdings am fertigen Modell nicht mehr zu sehen. Lohnender war da schon der Ausbau der Fahrwerksbeine, die Hydraulikleitungen aus diversen Drähten bekommen haben, sowie - in kleinerem Umfang - die der Fahrwerksbuchten beziehungsweise der Innenseiten der Fahrwerksverkleidungen. Hier wurden Ätzteile aus der Restekiste verwendet, um die gähnende Leere etwas mit Leben zu füllen.
Ein Novum für mich war die Darstellung des Blendschutzes am Kabinendach. Tamiyas „Clear Blue“ bot hier das perfekte Material, um die verdunkelten Cockpitscheiben darzustellen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich die Auseinandersetzung mit diesen altehrwürdigen Formen als großen Gewinn verbuchen werde. Nebst dem Faktum, dass sie die einzige Möglichkeit sind, eine stimmige P2V-7 darzustellen, bietet das Modell eine solide Basis, sich ganz nach eigenem Bedürfnis im Detaillieren zu üben. Die modellbautechnischen Erfahrungen, die man dabei macht, werden ergänzt durch den Kenntnisgewinn über ein wirklich interessantes Flugzeug des kalten Kriegs; die Belohnung findet sich dann in Form eines wirklich imposanten und elegant-voluminösen Modells in der Vitrine.
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zum Baubericht auf Scalemates. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 20. April 2020 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |