Eisbrecher Arktikavon Frank Spahr (1:400 Alanger)Das OriginalDie frühere Sowjetunion und Russland umfasst und hat wesentliche wirtschaftliche und strategische Interessen in der Arktis. Aus diesem Grund ist das Land auch sehr aktiv im Bau von Eisbrechern. Bereits 1959 wurde der erste Eisbrecher mit Atomantrieb, die „Lenin", gebaut. Dieser folgten bis heute neun weitere Schiffe, von denen sechs der ab 1975 gebauten Arktika-Klasse angehören. Die übrigen drei sind der Containerfrachter „Sevmorput" und die Fluss-Eisbrecher „Taimyr" und „Vaigach". Die Arktikas werden einerseits dazu benutzt, die Nordpassage um Russland herum von der Barents-See zur Beringstraße offenzuhalten, darüber hinaus können sie für wissenschaftliche Expeditionen eingesetzt werden. Seit 1989 ist es auch möglich, auf einigen der Schiffe als Tourist - wenn möglich bis zum Nordpol - mitzureisen. Betreiber war lange Zeit die Murmansk Shipping Company. 2008 gingen die Schiffe in die Verantwortung des Staatsbetriebs Rosatom über. Sinkendes Frachtaufkommen und wohl auch ihr Alter hat mittlerweile zur Verkleinerung der Flotte geführt. Diese sehr massiven Schiffe haben einen doppelwandigen Rumpf von bis zu 48 mm Stärke. Der Wasserballast zwischen den Rumpfschalen kann getrimmt werden, um das Eisbrechen zu erleichtern. Ein Wasserdüsensystem verstärkt das Eisbrechen. Die Arktikas können sowohl vorwärts als auch rückwärts Eis brechen. Sie können nur in kaltem Wasser betrieben werden, da sie kein eigenes Kühlsystem für die Reaktoren haben und das kalte Meerwasser dazu nutzen. Eine Verlegung aus der Arktis durch die Tropen ist deshalb nicht möglich. Nur einer der beiden Reaktoren wird normalerweise benutzt, während der andere als Reserve dient. Die Seeausdauer beträgt siebeneinhalb Monate, eine neue Brennstoffladung wird etwa alle vier Jahre fällig. Die Schiffe tragen einen bis zwei Hubschrauber sowie mehrere Beiboote, darunter bis zu vier Schlauchboote. Sie sind verhältnismäßig luxuriös ausgestattet mit Schwimmbad, Sauna, Kino und Sportstudio. Die Bordrestaurants haben auch eine Bar, einige der Schiffe haben eine Bibliothek und mindestens eines ein Volleyballfeld. Das zuletzt gebaute Schiff, „50 Let Pobedy", unterscheidet sich deutlich von den früheren Einheiten; es ist länger und weist eine optimierte Rumpfform auf. Die Arktika wurde als Typschiff der Klasse im April 1975 in Dienst gestellt. Am 17. August 1977 erreichte sie als erstes Überwasserschiff den Nordpol. Ende der 1990er wurde sie modernisiert, nach 30 Jahren im Dienst hatte sie 2005 eine Million Seemeilen zurückgelegt. Seit einem Feuer an Bord im Jahr 2007 liegt sie außer Dienst in ihrem Heimathafen Murmansk. Sie soll abgewrackt werden. Mir waren verschiedene Dinge klar – meine Arktika würde in ein Diorama kommen, sie würde durch eine Eisfläche pflügen, und ich würde schauen, wie weit ich den doch eher groben, aber ansprechenden Bausatz etwas aufmoppeln könnte. Also schaute ich nach passenden Ätzteilen und benutzte schließlich folgende Quellen:
Zuerst wurde der Rumpf im Rohbau erstellt, verschliffen und verspachtelt, die Ankerklüsen geöffnet und die Bullaugen entlang einer Lehre aus Tamiya-Tape nachgebohrt. Ebenso wurden die Aufbauten soweit möglich in Unterbaugruppen erstellt, vormontiert, versäubert, gespachtelt und verschliffen, die Brückenfenster vorsichtig versäubert und nachgefeilt. Die massiven angegossenen Schanzkleider wurden weggefräst, das zog einiges an Nacharbeiten nach sich. Auch wurden die angegossenen Ankerketten entfernt und später durch Gliederketten ersetzt. Das Diorama:Zum Einbau ins Diorama war der Rumpf zu hoch; also musste er gekürzt werden, wozu ich eine Diamantscheibe in der Minifräsmaschine benutzte – Achtung, erhebliche Verletzungsgefahr! Als Dioramaträger wurde ein Bilderrahmen benutzt, zur Gewichtsersparnis wurde er soweit möglich mit Styropor ausgefüllt. Die freien Bereiche um das Schiff wurden mit Styropor-Platzhaltern vor dem Gips geschützt, mit dem der Rahmen ausgegossen wurde. Die Gipsoberfläche wurde mit verschiedenen Werkzeugen bearbeitet, um annähernd korrekt auszusehen. Bemalt wurde sie mit Wandfarbe in – na klar – Polarweiß. Ich hatte mir zusätzlichen Gips auf eine Platte gegossen und mit Backpulver bestäubt; aus diesem fertigte ich ein paar Eisbruchstücke, die ich achteraus platzierte. Hier wurde sehr viel mit Bemalung und Acrylgel gearbeitet, um den Effekt des aufgewühlten Wassers mit Eisbrocken so hinzubekommen, wie ich ihn mir vorstelle. Das klare Acrylgel verleiht dem Ergebnis eine gewisse Tiefe. Das Schiff wurde schließlich mit Silikon eingeklebt und die verbleibenden Spalten möglichst geschlossen. Spätestens nach Knut, Flocke und dem Film „Unsere Erde“ mussten Eisbären in mein Diorama. Da ich keine fertigen Eisbären in 1:400 fand, baute ich sie mir selbst aus Polystyrolprofilen, zahntechnischem Gusswachs und Farbe. Sie wurden schließlich mit Weißleim neben das Schiff geklebt, als würden sie aufgestört von ihm wegrennen. Hier sieht man, wie groß so ein Eisbrecher eigentlich ist.Der Weiterbau:Das war natürlich der letzte Schritt - vorher musste der Dampfer noch fertig gebaut werden. Die Passung ist nicht wirklich immer optimal, aber besser als erwartet. Nur ausgerechnet der Brückenaufbau passt nicht ganz zum Rumpf, der erforderliche Korrekturaufwand wäre mir jedoch zu hoch gewesen. Nach all dem Schleifen und Sägen begann ich nun mit der Detaillierung, wobei ich mich nach einem im Netz gefundenen Plan der Arktika und den mir zugänglichen Fotos richtete. Die Schotten wurden durch welche aus meinem Ätzteil-Fundus ersetzt, die zum Großteil aus dem WEM-Satz für die HMS Hood in 1:350 stammen. Davon brauchte ich eine ganze Menge. Die Bauanleitung des Grauens wurde sehr oft mit tief gerunzelter Stirn konsultiert, wenn es um die Platzierung und den Zusammenbau der Bausatzteile ging; besonders haarig wurde es bei den beiden Masten mit ihren Plattformen, Auslegern, Antennen usw. Diese Masten sind kleine Bausätze für sich und haben einiges an Zeit gekostet, insbesondere wenn es darum ging, mit welchen Teilen ich sie verbessern konnte. Ich richtete mich nach den mir zugänglichen Fotos und einer Zeichnung von einer russischen Internetseite. Die Gitterausleger sind japanische Katapulte, der Fachwerkmast entstammt japanischen Scheinwerferplattformen (beides 1:700), der Rest sind Polystyrolprofile, Drähte und Ätzteilreste. Die extrem fummeligen Radarantennen sind aus dem erwähnten Lion-Roar-Satz zusammengestellt. Die Kräne wurden mit Ätzteilresten detailliert, so ergaben z.B. Stücke von 1:350er Reling schöne Glaskanzeln. Nützlich ist auch immer der Standardätzsatz Kleinteile von Scheuer&Strüver in 1:250 - hier gibt es jede Menge Handräder und andere Bauteile, z.B. Umlenkrollen und Kranhaken. Die Kranausleger wurden aus Polystyrolprofilen neu gebaut, das war unterm Strich einfacher als die Bausatzteile zu versäubern. Zahlreiche Niedergänge von Saemann fanden ihren Weg auf das Schiff, ebenso wie erhebliche Mengen an Reling, die erfreulicherweise sehr schön passte. Die Beiboote wurden durch Ersatz von groben Bauteilen und Verwendung von Ätzteilen etwas aufgewertet, ebenso die Davits. Das Dach des Brückenaufbaus erhielt ein maßstabsgetreueres Schanzkleid aus mit Sekundenkleber getränktem Papier, das an der Vorderfront mit Ätzteilresten etwas profiliert wurde. Die Bemalung:Ich hatte mir alles an Vorbildfotos aus dem Netz heruntergeladen und ausgedruckt, dessen ich habhaft werden konnte; zudem hatte ich eine Fernsehdokumentation über den atomgetriebenen Containerfrachter Sevmorput aufgenommen und mir davon Standfotos gesichert. So bekam ich einen gewissen Eindruck über Farbgebung und Abnutzung dieser hart beanspruchten Schiffe. Bei anderen Projekten riskiert man leicht, es mit Abnutzungsspuren zu übertreiben, hier bestand diese Gefahr nicht. Also wurde der Rumpf zuerst mit einer rotbraunen Grundierung gespritzt. Es folgte die Schiffsbodenfarbe und nach dem Abkleben das Überwasserschiff. Dieses wurde dunkelgrau in mehreren Schattierungen lackiert. Es folgte ein ausgiebiges Altern mithilfe von Ölfarben und Pastellkreiden, bis der Rumpf den erwünschten Eindruck von Ablaufspuren und Rost erweckte. Am Bug wurde ein weißer „Schnurrbart" aufgetragen, den ich auf den Vorbildfotos gesehen hatte und der meinem Empfinden nach von gefrorenen Wasserspritzern herrührt. Die Decks wurden mit Revell Acrylfarbe Nr. 48 lackiert, was sehr gut funktionierte. Die Aufbauten wurden dunkel vorgespritzt, um das nachher benutzte Amaranth Red von Vallejo gleich etwas abzutönen und stumpfer zu gestalten. Mit diesen drei kräftigen Tönen Orange, Grün und Dunkelgrau-Schwarz sticht das Schiff sehr stark von der reinweißen Eisfläche ab und wirkt umso wuchtiger. Auch die Aufbauten wurden ausgiebig und mehrfach gealtert, wobei wieder Ölfarben (als Washes und in Trockenmaltechnik) sowie Pastellkreiden verwendet wurden. Der Schiffsname am Rumpf wurde mittels Abreibebuchstaben (Fa. Seno) erstellt, die Namenstafel am Aufbau entstand am PC und wurde auf eine Polystyrolplatte geklebt. Die Takelung erfolgte mit schwarzen gezogenen Gussästen. Nach einem letzten unregelmäßigem Überzug mit seidenmattem Klarlack wurden die zahlreichen Brückenfenster dünn mit Ponal Weißleim ausgefüllt. Ein paar Bestzungsmitglieder von Preiser drücken sich im Windschutz der Brücke herum und beobachten die Eisbären.
Fazit:Das hat mehr Spaß gemacht als erwartet – hier kann man so richtig vor sich hin bauen, von sehr rustikal bis sehr fein. Jedem bleibt benommen, wie weit das Modell vom Ursprungszustand ausgehend verändert wird. Die Form des Bausatzes wirkt stimmig und das Endergebnis ist, wie man in meiner nordhessischen Heimat zu sagen pflegt, „ma was anneres.“ Frank Spahr Publiziert am 11. November 2009 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |