Mercedes-Benz 300 SLRLe Mans 1955, #20 Pierre Levegh/John Fitchvon Roland Kunze (1:24 Revell)Das 23. 24-Stunden-Rennen von Le Mans...
...fand am Wochenende vom 11. und 12. Juni 1955 statt und war das siebte Rennen nach der Wiedereröffnung des Circuit de la Sarthe. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Anlagen, die die deutschen Besatzer als Ruinen zurückgelassen hatten, bis zum Jahr 1949 wieder aufgebaut. Die Strecke behielt im Wesentlichen ihren bisherigen Charakter bei: zum großen Teil aus Landstraßen bestehend, im Start-/Zielbereich durch den Boxenstreifen etwas breiter gehalten; keine Auslaufzonen, keine von der Strecke abgetrennte Boxengasse; lediglich Erdwälle, Holzzäune und Strohballen sicherten mehr schlecht als recht den Zuschauerbereich von der Strecke. Vor dem Rennen wurden von verschiedenen Seiten Bedenken bezüglich der Streckensicherheit geäußert, die die Rennleitung aber allesamt abgetan hatte. Im Gegensatz dazu hatten die Rennwagen, die auf der Strecke fahren sollten, erhebliche Entwicklungsfortschritte gemacht: stärkere, leistungsfähigere Motoren, teilweise selbsttragende Karosseriestrukturen und Scheibenbremsen sowie leichte, hochstabile Materialien kamen zum Einsatz, was insgesamt höhere Geschwindigkeiten ermöglichte. Die lagen bei den Spitzenwagen mittlerweile nahe an der 300 km/h-Marke und somit fast 100 km/h höher als noch im Jahr 1949. Favoriten waren die Wagen von Jaguar, Mercedes-Benz und Ferrari, die sich zu dieser Zeit nicht nur in Le Mans harte Kämpfe um den Sieg lieferten. In diesen Autos saßen die Superstars der damaligen Zeit: Juan Manuel Fangio, Stirling Moss, Karl Kling, Mike Hawthorn, Phil Hill, Ken Miles und Maurice Trintignant, um nur einige zu nennen. Beim 23. 24-Stunden-Rennen stand auch Pierre Levegh, der sich mit seinem Teamkollegen John Fitch das Cockpit im Mercedes 300 SLR #20 teilte, am Start.
Levegh, geboren am 22. Dezember 1905, eigentlich Juwelier von Beruf, war ein vielseitig begabter Sportler. Neben Eishockey und Tennis galt als „Gentleman Driver“ auch dem Motorsport seine Leidenschaft. 1950 und 1951 in der Formel 1 am Start, meldete er sich mit seinem Teamkollegen René Marchand auf seinem privaten Talbot TS26GS für die 24 Stunden von 1952 an. Dieses Rennen war für Levegh legendär: er saß unglaubliche 23 Stunden ununterbrochen am Steuer seines Wagens, davon elf Stunden klar in Führung liegend – eine Leistung, die seitdem nie mehr ein Fahrer vollbringen konnte. Das Publikum sah ihn schon als Sieger, als am Ende der vorletzten Rennstunde ein Motorschaden Levegh zum Aufgeben zwang. So wurde der Doppelsieg der Werks-Mercedes 300 SL vom französischen Publikum auf den Haupttribünen mit eisigem Schweigen bekundet. Nicht zuletzt waren die Ereignisse von 1952 Anlass für Mercedes, Levegh für das Rennen von 1955 ein Cockpit im neuen 300 SLR anzubieten. Jaguar hingegen wollte mit dem erstmals in Le Mans an den Start gebrachten D-Type unbedingt an den Vorjahreserfolg anknüpfen, und so machte Mike Hawthorn, der als Kind in London die Luftschlacht um England hautnah miterlebt hatte, daraus eine Angelegenheit von „höchster nationaler Wichtigkeit“, was die auf den Jaguars angebrachten Kokarden der Royal Air Force unterstrichen. Sein Statement „Solange ich in einem Jaguar sitze, wird kein Mercedes siegen“ zeigt deutlich die Einstellung, mit der er in dieses Rennen ging, was der ganzen Angelegenheit neben der sportlichen auch eine höchst geschichtliche Brisanz verlieh: Engländer kämpften gegen Deutsche auf französischem Boden um den Sieg.
Am Samstag säumten ca. 300.000 Zuschauer die Strecke, die Tribünen im Bereich von Zielgerade und Boxengasse waren überfüllt. Das Rennen wurde erstmals live im Fernsehen übertragen, jeder war auf den Kampf der Spitzenteams gespannt. Am Start standen 60 Fahrzeuge aus acht Rennklassen. Von Beginn an wurde das Rennen von den Spitzenwagen dauerhaft in hohem Tempo bestritten, was ungewöhnlich war. Damit geriet die Rennplanung der Teams durcheinander, weil durch den höheren Benzinverbrauch mehr Tankstopps nötig wurden. Eugenio Castellotti im Ferrari 121LM #4 übernahm nach dem Start die Führung, hinter dem Italiener lieferten sich die Mercedes- und Jaguar-Piloten einen harten Kampf um die Plätze. Dann übernahmen jedoch die Briten und die Deutschen das Zepter, so duellierten sich Fangio (der nach einem total verpatzten Start an die Spitze aufgeschlossen hatte) im Mercedes 300 SLR #19 und Hawthorn im Jaguar D-Type #6 um die Führung. Am Ende der 35. Runde, um 18:26 Uhr, schloss Hawthorn, in Führung liegend, rasch auf die zur Überrundung anstehenden Wagen von Pierre Levegh (Mercedes 300 SLR #20) und Lance Macklin (Austin-Healey 100 #26) auf und wollte sie auf der Zielgeraden in einem Zug links überholen, da Fangio kurz hinter ihm lag. Hawthorn war schon an den beiden vorbei, als er knapp vor Macklins Austin nach rechts quer über die Piste zog und dabei scharf bremste, um seine Box noch zu erreichen. Damit hatte er aber hinter sich ein Drama ausgelöst: Macklin, dessen Austin Healey mit der Verzögerungswirkung des Jaguars - der als einziges Fahrzeug im Feld mit Scheibenbremsen ausgestattet war - nicht mithalten konnte, blieb nichts anderes übrig, als seinen Wagen mit einem Ausweichmanöver nach links aus der Schusslinie herauszulenken, um eine Kollision zu vermeiden. Aber so er geriet in Leveghs Fahrspur (der von hinten mit hoher Geschwindigkeit ankam) und nahm ihm damit an dieser Stelle, wo die Piste nur gut neun Meter breit war, buchstäblich den „Raum zum Überleben“.
Leveghs 300 SLR kollidierte bei 240 km/h mit dem aus aerodynamischen Gründen herabgezogenen Heck des Austins - das jetzt wie eine Rampe wirkte - und wurde auf den Begrenzungswall vor den Zuschauern katapultiert. Der Mercedes schlug hart auf dem Wall auf und brach auseinander. Motorhaube und Vorderachse lösten sich sofort vom Chassis und flogen in die Zuschauermenge. Als der Wagen auf dem Wall weiter rutschte, riss der Treibstofftank auf und der Motorblock brach wie ein Geschoss aus dem Wrack. Viele der Zuschauer wurden von dem Motorblock und der weggebrochenen Luftbremse, die ebenso wie die Motorhaube die Wirkung einer Guillotine entfaltete, auf der Stelle getötet. Der Wagenrest ging in Flammen auf, brennende Teile fielen in die Zuschauermenge. Levegh wurde aus dem Auto auf die Straße geschleudert und war bereits tot, als die ersten Rettungskräfte eintrafen. Durch die umherfliegenden Wrackteile und das Feuer starben 81 Menschen, mehr als 120 wurden teils schwer verletzt. Der über die Fahrbahn kreiselnde Austin schlug ebenfalls in die linke Begrenzung und erfasste dabei vier Menschen, zwei davon wurden getötet. Das gesamte Desaster dauerte gerade mal vier Sekunden, wobei zwei Männer dabei unglaubliches Glück hatten: Lance Macklin überlebte fast unverletzt; und Juan Manuel Fangio konnte seinen Mercedes dank eines Handzeichens, das ihm Levegh im Angesicht der Katastrophe noch gab, unversehrt durch das Unfallgeschehen lenken. Bis an sein Lebensende erzählte Fangio, dass Pierre Levegh ihm durch dieses Handzeichen das Leben gerettet hatte.
Zunächst kaum nachvollziehbar, ließ die Rennleitung derweil das Rennen weiterlaufen; dies wurde später unter anderem damit begründet, dass die Zufahrtsstraßen für die Rettungskräfte frei bleiben sollten. Im Nachhinein betrachtet war dies jedoch eine sinnvolle Entscheidung, tatsächlich konnten in sehr kurzer Zeit die Toten geborgen und die Verletzten abtransportiert werden, wobei auch die Rennteams ihre Transportfahrzeuge zur Verfügung stellten. Kurz nach Mitternacht zog Mercedes-Teamleiter Alfred Neubauer als Zeichen des Respekts vor den Toten nach Rücksprache mit der Firmenleitung in Stuttgart die beiden verbliebenen Wagen vom Rennen zurück, Stirling Moss auf #19 lag zu dieser Zeit mit einer Runde Vorsprung vor Jaguar in Führung. Aufgrund der nun fehlenden Konkurrenz überquerte Mike Hawthorn, der die Katastrophe verursacht hatte, nach 307 Runden bzw. 4.135 gefahrenen Kilometern als Erster die Ziellinie. Während der Ehrenrunde und der Siegerehrung lächelte er, was durch Fotos bezeugt ist. Ob er ein Stoppsignal aus der Box zu spät wahrnahm oder realisierte, dass sein Treibstoffvorrat für eine weitere Runde nicht mehr reichen würde, Mike Hawthorn hat zu seinem folgenschweren Manöver und den dazu führenden Beweggründen nie offiziell Stellung bezogen. Dass sein Handeln unsinnig war, zeigt die Tatsache, dass er trotz Vollbremsung erst 80 Meter hinter seiner Boxenmannschaft zum Stehen kam. Selbst in seiner Heimat vergaß man Hawthorns grob fahrlässige Kurzschlusshandlung und die daraus entstandene Katastrophe nie, aber Zeit seines Lebens kam dazu kein Wort des Bedauerns, geschweige denn der Entschuldigung über seine Lippen. Hawthorn starb vier Jahre später bei einem Verkehrsunfall in der Nähe von Guildford (GB), als er in seinem Jaguar einen Mercedes überholen wollte … Ironie des Schicksals?
Die im Anschluss des Rennens mit der Untersuchung der Katastrophe betraute Kommission kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Ereignissen um einen Rennunfall handelte, angeblich war ein solches Manöver gängige Praxis im damaligen Renngeschehen - die Frage ist halt, wie das bei einem Fahrzeug mit wesentlich wirksameren Bremsen gegenüber allen anderen zu werten ist. So wurde weder Hawthorn persönlich noch Jaguar als Rennstall zur Verantwortung gezogen. Dafür hat man – unglaublicherweise - Pierre Levegh, der letztendlich am allerwenigsten dafür konnte, zum Sündenbock erklärt: Tote können sich nun mal nicht mehr wehren. Dies wurde aber von den anwesenden Journalisten, der Fachpresse, dem Publikum und selbst von der britischen Öffentlichkeit ganz anders gesehen. Was Mike Hawthorn zu seinem Verhalten am 11.6.1955 veranlasst hat, wird sich nie mehr klären lassen. Aber egal, zu welchen Erkenntnissen man auch immer gekommen ist oder noch kommen mag, es macht weder die Todesopfer wieder lebendig, noch tröstet es die Verletzten und Überlebenden, von denen viele bis heute traumatisiert sind. Der Trauergottesdienst am Tag darauf in der Kathedrale von Le Mans und die Gedenktafel, die man zum 50. Jahrestag an der Unfallstelle am neuen Fangzaun angebracht hat, erinnern aber bis heute an die schrecklichen Ereignisse von diesem Tag. Bereits ein Jahr später zeigte Le Mans – wie viele Rennstrecken auf der ganzen Welt - ein anderes Gesicht: geschützte Zuschauerplätze, verbreiterte Streckenführung, abgesicherte Boxengassen und entschärfte Kurven: es geht also doch. Quellen:
Der Bausatz
Der Revell-Kit ist einer der sehr spärlich gestreuten Optionen, um ein Modell des Mercedes 300 SLR zu bauen. Fujimi hat noch einen im Fundus, wobei aber nicht klar ist, ob dies ein Angebot im Formentausch mit Revell war. Weitere Möglichkeiten sind nur DieCast-Modelle, die auch die Le Mans-Variante umfassen. Und die war es mein Ziel, aus dem Revell-Kit zu bauen, allerdings sind hierfür zahlreiche Modifikationen nötig. Wie in der Bausatzbesprechung angemerkt, fallen schon für die daraus zu erstellende Mille Miglia-Variante etliche Korrekturen an, für das Le Mans-Fahrzeug aber noch wesentlich mehr: so sind in der Kühleröffnung zwei zusätzliche Scheinwerfer anzubringen, der karosseriemittige Lufteinlauf ist zu glätten, die Windschutzscheibe muss geändert werden, eine Verkleidung für den Rückspiegel ist zu erstellen, über den Beifahrerplatz kommt eine Abdeckung, die Luftbremse ist zu ergänzen, darauf kommt ein entsprechend angepasster Höcker hinter dem Fahrerplatz, und schließlich muss noch das Tanksystem an-/eingebaut werden – viel zusätzliche Arbeit also. Mein Modell
Begonnen habe ich gemäß Bauanleitung mit dem Chassis, das ooB ohne Ergänzungen entstand. Erwähnenswert sind die zwar feinen, aber allgegenwärtigen Formtrennnähte, die besonders an den Rahmenteilen zu finden sind. Die Bausatzteile ergeben ein schön dargestelltes und umfangreich detailliertes Chassis. Hier kann man vieles mit der Bemalung herausholen. Hält man sich einigermaßen an die Vorbildfotos, ist dieser Bereich eine Orgie an Metalltönen: ich habe hierfür (teilweise gemischte) Revell AquaColor- und Alclad II-Farben verwendet.
Für die Umgestaltung der Karosserie kamen verschiedenste Materialien zum Einsatz: viele Teile aus der Grabbelkiste (Zusatzscheinwerfergläser, Leuchte auf der Beifahrerseite, Handgriff am rechten Kotflügel, Schnellverschlüsse für die Heckklappe), unterschiedliche Metallteile (Abdeckung Beifahrerplatz und Luftbremse aus 0,3 mm Alublech, Tankstutzen aus 4 mm-Messingrohr), verschiedene Kunststoffprofile (Spiegelverkleidung, Rückspiegel, Halterungen der Zusatzscheinwerfer), einige Teile aus dem Kit wurden umgewidmet oder abgeändert (Zusatzscheinwerfergehäuse, Windschutzscheibe), Fabric und Ätzteile für die Verzurrungen der Motorhaube. Weiteres Kopfzerbrechen verursachte der Höcker hinter dem Fahrerplatz, der auf der Luftbremse sitzt und so wesentlich kürzer ist als die beiden des Mille Miglia-Fahrzeuges. Die zunächst angedachte Möglichkeit, einen der beiliegenden Höcker dafür zu modifizieren, erwies sich als nicht wirklich sinnvoll umsetzbar. Schließlich habe ich einen dieser Höcker als Form für das zu erstellende Teil verwendet: die Innenseite wurde mit Vaseline als Haft- und Trennmittel bestrichen, darauf kam ein Stück Frischhaltefolie als Schutzschicht. Den Innenraum habe ich dann mit Molto-Holzspachtel ausgefüllt und eine gute Woche trocknen lassen. Daraus ließ sich dann mittels Fräser, Feilen und Schleifpapier die Form für den benötigten Höcker gut herausarbeiten.
Die Karosserie habe ich erstmals mit Revell AquaColor Basic grundiert, darauf kam als Decklack Revell AquaColor Silber – das Finish hat mich voll zufrieden gestellt. Zur Dekoration des Fahrzeuges habe ich auf einen Decalbogen von Le Mans Decals zurückgegriffen. Hier sind neben den erforderlichen Startnumern und dem korrekten Kennzeichen auch die beim Modell erhabenen Reliefs von Firmenlogo und Typenbezeichnung auf der Heckklappe als Bilder vorhanden und sind schon deswegen eine sinnvolle Ergänzung zum Decalbogen aus dem Bausatz. Aus dem habe ich nur die „funktionellen“ Decals verwendet: die Typenschilder im Motorraum, die Instrumentendecals und die Bilder für die Sitzbezüge. Letztere ließen sich recht gut verarbeiten, wobei die Form der Bilder aber verbesserungswürdig wäre: einerseits an manchen Stellen zu lang, fehlt andererseits gerade an den Seiten einiges an Material. Nach der Montage der getrockneten Karosserie konnten dann die Anbauteile verbaut und angepasst werden, die Detailbemalung erfolgte mit dem Pinsel. Mit dem Aufsetzen der Räder war der Bau dann vollendet. FazitEs war mir ein Bedürfnis, dieses Modell zu bauen und die Recherchen für den Beitrag sowie den Bau waren sehr umfangreich, teilweise nicht einfach und zogen sich über einen langen Zeitraum hin. Da ich den Beitrag unmittelbar nach den 24 Stunden von 2025 fertig haben wollte, ist es parallel zu Le Mans zum Ende hin zu meinem persönlichen Rennen bis zur Fertigstellung geworden. Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis, in der Vitrine steht nun ein nicht alltägliches Automodell mit einer tragischen Geschichte; und ich hoffe, euch gefällt es auch! Roland Kunze Publiziert am 16. Juni 2025 © 2001-2025 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |