BHC SRN4 Hovercraft(Airfix - Nr. 09171)Produktinfo:
Besprechung:Zum Vorbild
Mit der Indienststellung der SR.N4 (Mountbatten-Class) Hovercrafts im Jahr 1969 begann eine neue Art des Reiseverkehrs über den Kanal zwischen England und Frankreich. Die Überquerung wurde bei einer Reisegeschwindigkeit von 110 km/h auf ca. 35 Minuten reduziert. Die fast 40 m langen und ca. 24 m breiten Hovercrafts waren im RoRo-Design konstruiert, so dass ein Be- und Entladen innerhalb von 15 Minuten möglich war. Angetrieben wurden die Fahrzeuge von vier 3400 PS starken Rolls-Royce Marine Proteus Wellenturbinen. Die ursprüngliche Konfiguration (Mk I) konnte 30 PKW und 254 Passagiere befördern. Ab dem Jahr 1973 begann eine Modifikation der mittlerweile sechs gebauten Fähren auf den Mk II Standard, wobei die Kapazität auf 36 PKW und 282 Passagiere erhöht werden konnte. 1976 entschloss sich Seaspeed zu dem radikalen Mk III-Umbau ihrer beiden Hovercrafts: durch das Einfügen eines zusätzlichen Mittelstückes wurden die Fahrzeuge um 16 Meter verlängert und konnten nun 52 PKW und 418 Passagiere transportieren. Dazu wurde die Leistung der Turbinen auf je 3800 PS erhöht, die dann neue Propeller mit 6,4 m Durchmesser antrieben. Damit waren die SR.N4 Mk III die größten für die zivile Nutzung gebauten Hovercrafts. Die Route Ramsgate – Calais bediente Hoverllooyd, während für die Verbindung Dover – Boulogne British Rail Seaspeed zuständig war. In Spitzenverkehrszeiten absolvierte man bis zu 14 Hin- und Rückfahrten täglich. Mit der Fähigkeit der Hovercrafts, bis zu drei Meter hohe Wellen zu bewältigen, war ein ganzjähriger, nahezu wetterunabhängiger Betrieb möglich. 1981 fusionierten Hoverlloyd und Seaspeed zu Hoverspeed, infolge dessen wurde die Verbindung Ramsgate – Calais eingestellt. Mit der sukzessiven Außerdinststellung der Mk II-Fahrzeuge erfolgte die endgültige Einstellung der Hovercraft-Linien im Jahr 2000. Der Einsatz von Katamaranen auf diesen Strecken wurde von der Kundschaft nicht akzeptiert, sodass Hoverspeed 2005 Konkurs anmelden musste. Drei der Mk II-Hovercrafts wurden verschrottet, eines durch einen Brand zerstört. Von den beiden SR.N4 Mk III ist eines in Privatbesitz, das andere kann im Hovercraft-Museum von Lee-on-Solent besichtigt werden.
Mein Kit stammt aus einer Edition von 2003, der Bausatz als solcher ist mir aber bereits aus den 1970er Jahren bekannt und ermöglicht den Bau eines SR.N4 Mk I. Entsprechend dem Alter ist die Anordnung der Bauteile an Spritzästen, weswegen sich im Lauf der Jahre eine Anzahl von Teilen von ihren Angussstellen gelöst hat. Positiv überrascht darf man von der Qualität der Bauteile sein: trotz des Alters der Formen sind kaum Sinkstellen und relativ wenig Fischhäute zu finden. Luftschürze und Kabinenseitenwände bestehen aus mehreren Teilen, die nahtlos zusammengefügt werden müssen. Wie gut hier die Passgenauigkeit – auch später in Verbindung mit dem Dachteil – ist, muss sich beim Bau zeigen.
Die aus weißem Kunststoff gefertigten Bauteile sind insgesamt schön modelliert. Fein nachgebildete Strukturen auf den Teilen der Außenhaut dürften in Verbindung mit den zahlreichen Anbauteilen für ein ansprechendes äußeres Erscheinungsbild sorgen. Die Leitflossen am Heck sind mit beweglichen Ruderflächen ausgestattet. Auch Propeller und Gondeln können beweglich gebaut werden. Bei den Propellerblättern sind leichte Fischhäute zu finden und bedürfen daher einiges an vorsichtiger Nacharbeit, um die Form der Blätter zu wahren. Geländer und Leitern sehen wir den Möglichkeiten der damaligen Zeit entsprechend filigran ausgeführt. Bug- und Hecktor können in geöffneter Stellung gebaut werden.
Das Besondere an diesem Bausatz ist die nachgebildete Inneneinrichtung, die durch ein transparentes Dachteil sowie transparente Seitenwände gut einsehbar ist. Auch das Führerhaus auf dem Dach ist in dieser Manier gestaltet. Dies bezieht sich aber nur auf die Backbordseite, während die Steuerbordhälfte für den Auftrag der normalen Außenlackierung vorgesehen ist. Dachteil, Führerhausteile und die Backbord-Seitenwände sehen wir in hoher Qualität gleichmäßig dünn, klar und schlierenfrei gefertigt, jedoch trüben Lufteinschlüsse in den Panzerglasscheiben der Steuerbordfenster das Gesamtbild. Hier wird sich der ambitionierte Modellbauer eine Alternative einfallen lassen.
Der Detaillierungsgrad des Interieurs entspricht dem damaligen Standard. Hier kann man sich dann bei der farblichen Gestaltung und der Nachdetaillierung beliebig austoben. Anlass hierfür bieten beispielsweise die Sitzreihen, die in der Modellnachbildung wie Bänke aussehen, während auf Vorbildfotos Sitzmöbel zu sehen sind, die eher an die Einrichtung einer Flugzeugkabine erinnern. Zur “Vervollständigung” des Interieurs bzw. zur Belebung des Fahrzeugdecks liegen vier einteilige Fahrzeugmodelle aus transparentem Kunststoff bei. Obwohl die Ladetore auch geöffnet gebaut werden können, ist die Schürze für das Luftkissen nur in aufgeblasenem bzw. aufgeblähtem Zustand vorhanden, also in der Form, wenn das Fahrzeug unterwegs ist. Sollte das Modell während des Be- und Entladevorganges gezeigt werden, muss der Modellbauer für die korrekte Darstellung der Schürze eine Alternative finden. Die DecalsAuf einem kleinen Bogen sind die Abziehbilder sauber, scharf und versatzfrei auf dünnem, mattem Trägermaterial gedruckt, wobei ein Schriftzug Unsauberkeiten aufweist. Es ist die Darstellung von drei Fahrzeugen möglich. Der Bogen zeigt keinerlei Alterserscheinungen, wie gut sich die Decals verarbeiten lassen, muss sich beim Bau zeigen.
Die BauanleitungEin 16-seitiges, einfarbig gedrucktes Heft führt in 15 Baustufen zum fertigen Modell. Die Anleitung ist nach bekannter Airfix-Manier aus den 1970er Jahren gestaltet. Texte sind meist in fünf Sprachen vorhanden. Grundsätzlich aussagekräftig, könnten manche Zeichnungen durch Detailansichten ergänzt sein, um die Position einiger Teile genauer zu zeigen. Abgeschlossen wird die Anleitung durch Bemalungs- und Dekorationsanleitungen für zwei Versionen. Extra Texte verdeutlichen die Bemalung des Außen- und Innenbereiches für Fahrzeuge der beiden Reedereien. Die Farbangaben beziehen sich auf die Humbrol-Palette. Darstellbare Maschinen:
Stärken:
Schwächen:
Anwendung: eher für den fortgeschrittenen Modellbauer Fazit:Ein sehr seltener Bausatz, und wenn erhältlich, dann zu Phantasiepreisen. Deswegen eher ein Sammlerstück, weniger ein Kit zum Bauen. Diese Besprechung stammt von Roland Kunze - 09. September 2017 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |