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Russischer, geschützter Kreuzer Varyag

(Zvezda - Nr. 9014)

Zvezda - Russischer, geschützter Kreuzer Varyag

Produktinfo:

Hersteller:Zvezda
Sparte:Schiffe Militär Militär bis 1939
Katalog Nummer:9014 - Russischer, geschützter Kreuzer Varyag
Maßstab:1:350
Kategorie:Bausätze (Plastik)
Erschienen:2003
Inhalt:
  • 5 Spritzlinge
  • Decals
  • Anleitung

Besprechung:

Erst einmal meine private Meinung: Ich finde, wir Modellbauer leben in einer für uns sehr guten Zeit. Noch nie gab es so viele Bausätze, Zurüstsätze, Werkzeuge und anderes Zubehör von häufig sehr guter Qualität, und noch nie war dank des Internets die Recherche und der Austausch untereinander so leicht. Diese Möglichkeiten gab es früher einfach nicht. Natürlich kommt der Appetit beim Essen, und so erklärt es sich für mich, daß mit der Qualität der Kits auch die Intensität der Kritik wächst. Aber ich rede ja schon wie ein Opa, der die nichtsnutzige Jugend daran erinnert, wie schlecht früher alles war. Egal – heute ist vieles besser, und wer Spaß dran hat, kann heute sehr schöne Modelle bauen.

Zvezda - Russischer, geschützter Kreuzer Varyag

Jedenfalls sind gerade in den letzten Jahren Bausätze von bislang wenig behandelten Vorbildern herausgekommen, von denen man früher nur träumen konnte. Sowohl aus Osteuropa wie aus China kommt ein beeindruckender Bausatz nach dem anderen, seien es Flugzeuge oder Panzer oder eben auch Schiffe. Und nun ist das auch bei den Kriegsschiffen der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, der Vor-Dreadnought-Ära, soweit. Bislang mußte man sich an Resin – oder Kartonbausätze heranwagen, wollte man einen der klassischen Panzerkreuzer oder Linienschiffe bauen, erst seit wenigen Jahren bieten Hersteller auch einige solche Schiffe an. Falls mich jemand hört: Die Wittelsbachklasse wäre ein sehr schönes, aber wohl auch sehr esoterisches Bausatzthema. Ein Anlaß für manche Neuvorstellungen ist der 100. Jahrestag des russisch-japanischen Krieges, der im Fernen Osten ausgefochten wurde und mit einem Sieg der Japaner auf der ganzen Linie endete. Neben den ursprünglich im Pazifik stationierten russischen Schiffen ging auch praktisch das gesamte als Entsatz aus Europa entsandte Geschwader in der Seeschlacht von Tsushima verloren. Neben der Mikasa, dem japanischen Flaggschiff bei Tsushima, gibt es nun auch russische Schiffe.

Zvezda - Russischer, geschützter Kreuzer Varyag

Eins der Schiffe aus jener Zeit, an das noch heute in Rußland aufgrund der Heldenhaftigkeit der Besatzung erinnert wird, ist der geschützte Kreuzer Varyag. Die Varyag lag zu Beginn der Feindseligkeiten zusammen mit dem Kanonenboot Koreetz in Chemulpo, dem heutigen Inchon in Südkorea. Beide Schiffe unternahmen einen Ausbruchsversuch gegen weit überlegene japanische Streitkräfte, wurden schwer beschädigt, kehrten mit Mühe und Not in den Hafen zurück und versenkten sich selbst. Varyag erlitt beim Gefecht bei einer Besatzung von 535 Mann Verluste von 41 Toten und 62 Verwundeten. In Rußland wird dieses Gefecht wegen des damit bewiesenen Heldenmuts und der Tatsache, daß keins der beiden Schiffe an den Feind übergeben wurde, in Erinnerung behalten, und so steht es auch auf der Verpackung des neuen Modellbausatzes von Zvezda zu lesen.

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Tatsächlich war die Geschichte der Varyag länger und ereignisreicher als dieser Moment des Ruhms, der heute wohl auch politisch benutzt wird. Gebaut in Philadelphia nach russischen Plänen für die Marine des Zaren, wurde die Varyag 1901 in Dienst gestellt. Ihr Name bedeutet übrigens Waräger, wie man diejenigen Wikingergruppen nannte, die um das Jahr 1000 im späteren Rußland sesshaft wurden und bei der Gründung der ersten Russischen Staaten maßgeblich waren. Als geschützter Kreuzer 1. Klasse nach russischer Einteilung besaß das Schiff ein Panzerdeck, aber keinen Panzergürtel. Von Anfang an gab es Probleme mit ihren Dampfkesseln, die stetig schwerwiegender wurden. So erreichte die Varyag denn auch beim Gefecht von Chemulpo nur zwei Drittel ihrer geplanten Höchstgeschwindigkeit.

Zvezda - Russischer, geschützter Kreuzer Varyag

Einige Daten:

  • Länge: 129,6 m
  • Breite: 15,8 m
  • Tiefgang: 6,3 m
  • Verdrängung: 6500 t
  • Antrieb: 30 Niclausse-Kessel, zwei Dreifachexpansionsdampfmaschinen
  • Leistung: 21.000 PS
  • Höchstgeschwindigkeit: 23,2 kn nach Fertigstellung, 16 kn in Chemulpo
  • Bewaffnung: 12 x 6 Zoll (15,2 cm) / 12 x 3 Zoll (75 mm) / 6 x 47 mm / 6 Torpedorohre
  • Besatzung: je nach Quelle 550 – 580 Mann

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Sie diente im Fernen Osten und trug bis Ende 1903 einen attraktiven Tropenanstrich mit weißem Rumpf und gelben Schornsteinunterteilen. Vor Kriegsbeginn wurde sie grau umgemalt. Nach der Selbstversenkung wurde sie von den Japanern gehoben und unter dem Namen Soya als Schulschiff eingesetzt. 1916 kauften die Russen sie zurück und brachten sie nach Murmansk. Der Reparaturbedarf war groß, von den 30 Dampfkesseln funktionierten nur noch 22. Die Überholung sollte in Liverpool ausgeführt werden. Während die Varyag dort noch unter einer Restbesatzung auf den Beginn der Arbeiten wartete, brach die Oktoberrevolution aus. Nach dem Hissen der roten Fahne vor Liverpool durch die Restbesatzung wurde das Schiff durch die Royal Navy gestürmt und von Großbritannien beschlagnahmt. Zum Kampfeinsatz kam es jedoch nicht mehr, nach mehreren Strandungen wurde die Varyag zwischen 1923 und 1925 abgewrackt. Soviel ganz kurz zur Geschichte des Schiffs.

Zvezda - Russischer, geschützter Kreuzer Varyag

Nun zum Bausatz:

Zvezda hat sich mit diesem Bausatz große Mühe gegeben. Die Bauteile erscheinen fein detailliert und sauber gespritzt, es gibt keinen „Flash“ und wenig Sinkstellen und störende Auswerfermarken. Alles in allem ein Bausatz auf der Höhe des Formenbaus. Ich habe nicht nachgemessen, aber von anderer Seite gehört, daß die Maßhaltigkeit gut sein soll. In der etwas großen Schachtel (aber das war ganz gut, weil meine von der Post etwas verkürzt wurde) finden sich folgende Spritzlinge:

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Zuerst einer mit den Rumpfhälften und inneren Versteifungen. Diese sollen den Rumpf wohl stabiler gestalten; Nachteil hierbei ist, daß keine Wasserlinienoption vorgesehen ist und die Versteifungen ausgerechnet unter der Wasserlinie sind, wo man sie nicht braucht. Oberhalb hätten sie den Bau eines Wasserlinienmodells erleichtert. An den Ansatzstellen sind leichte Sinkmarken an der Bordwand zu erkennen, die geglättet werden sollten. Ansonsten sind die Rumpfhälften fein detailliert mit schönen Bullaugen und anderen Luken. Die Ansätze für die Torpedonetzbäume sollten diesen Teil der Arbeit erleichtern. Die Wasserlinie ist fein erhaben graviert. Nieten oder Blechstöße finden sich nicht.

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Spritzling B ist doppelt vorhanden. Er umfasst Davits, Lüfter, Waffen, Schornsteine, Schiffsboote, Ständerteile und andere Kleinteile. Besonders die Boote sind sehr fein ausgeführt, die Dampfbarkasse ist ein echtes Modell in sich. Sinkstellen finden sich an den Booten, sollten aber kein Problem sein. Spritzling C umfasst die übrigen Schornsteine nebst Kappen sowie Teile für die Aufbauten. Die Splitterschutzwände sind fein gespritzt, die Aufbaudecks haben teilweise auch Details an den Unterseiten. Die Gravur der Plankenstruktur erscheint mir stimmig und sollte nach Lackierung ansprechend aussehen. An diesem Spritzling finden sich auch die Schraubenwellen (Sinkstellen) sowie die fein modellierten Schrauben.

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Last but not least umfasst Spritzling D die Hauptdecks und weitere Teile für Aufbauten und Ständer. Schön gelöst sind die Oberlichter und die Niedergänge unter Deckniveau, am Kommandoturm finden sich die unter Modellbauern beliebten massiv gespritzten Treppen wie auf Aztekenpyramiden. Schließlich enthält der Baukasten noch ein Blatt mit aufgedruckten Flaggen, die nicht mehr heutiger Stand sind – aber hier wird es bestimmt Ersatz geben.

Zvezda - Russischer, geschützter Kreuzer Varyag

Die Bauanleitung ist in russisch und englisch gehalten, grafisch sauber und deutlich aufgemacht und zeigt den Bau in sechzehn Abschnitten. Einen Takelplan gibt es nicht, die Takelung geht jedoch aus den beiden Seitenansichten zur Bemalung hervor. Mehr friggelige Fäden als auf dieser Zeichnung werde ich wohl auch kaum einzubauen imstande sein.

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Die Farben sind in Model Master – Farbtönen angegeben, aber hier würde ich zur Vorsicht und zum Abklären mit Referenzen raten. Es gibt einen Bemalungsplan bis Ende 1903 im weiß-gelben Tropenanstrich und einen während des Krieges – Feldgrau über alles. Hierbei wird dann aber auch z.B. das Unterwasserschiff mit Grün (das mag stimmen) und die Schraubenwellen und die Schrauben mit Weiß angegeben, welch letzteres mir etwas komisch vorkommen mag.

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Ich werde sowieso die farbenfrohere Version bauen. Ich habe mir einen Ätzteilsatz von White Ensign Models für die SMS König von ICM besorgt; in Ermangelung eines speziellen Satzes für die Varyag sollte dieser passende Relings, Niedergänge und Leitern enthalten, und das werden neben Kleinteilen für die Boote auch die Hauptteile sein, die ich ersetzen werde.

Fazit:

Alles in allem ein sehr ansprechender Bausatz für die Liebhaber der Technik des frühen 20. Jahrhunderts. Ich bin mir sicher, daß man aus ihm bereits ohne Verfeinerungen ein schönes Modell bauen können wird. Sehr empfehlenswert.

Weitere Infos:

Referenzen: Im Web finden sich Seiten zur Varyag unter:
  • http://www.battleships.ru/chemulpo/main.htm
  • http://www.russojapanesewar.com/chemulpo.html
  • http://www.geocities.com/Athens/Agora/8088/warindex.html
  • http://web.ukonline.co.uk/aj.cashmore/russia/cruisers/varyag/varyag.html
Anmerkungen: Literatur:
  • 1. In Warship Volume III von Adam Smigielski gibt es einen Abschnitt über die Varyag, der sich besonders mit der Baugeschichte und den Besonderheiten des Schiffs beschäftigt.
  • 2. Das russische Buch Varyag von V.I. Katajev befaßt sich auf 185 Seiten nur mit der Varyag.
  • 3. Es gibt aus der russischen Serie Morskaya Kollektsia eine Ausgabe über die Varyag.
  • Diese Literatur wird wohl eher im Spezialhandel zu finden sein.

Diese Besprechung stammt von Frank Spahr - 16. Dezember 2005

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