Saab J 29F Tunnanvon Bernd Korte (1:72 Matchbox)Die fliegende Tonne:Nicht nur die Amerikaner und Russen profitierten nach Ende des Zweiten Weltkrieges von den fortgeschrittenen deutschen Forschungen im Luftfahrtbereich, sondern auch die schwedische Flugzeugindustrie ließ die neuesten Erkenntnisse in ihre Nachkriegsprojekte einfließen. So gelangten auch die Forschungsergebnisse über gepfeilte Tragflächen der auf den deutschen Reißbrettern entstandenen nächsten Jet-Generationen nicht nur in die USA, sondern auch - ein wenig "inoffizieller" - über die Schweiz nach Schweden. Besonders deutlich werden diese Anleihen in Saabs Tunnan, erinnert sie doch unwillkürlich an Reißbrettprojekte wie etwa die Ta 183 Huckebein. Der erste Saab J-29 Prototyp flog am 1.9.1948. Von der endgültigen Serienversion J-29F wurden ab 1961 insgesamt 30 Exemplare nach Österreich verkauft. Eine ausführliche englische Typenbeschreibung ist auf www.canit.se zu finden. Modell und Decals:Wer eine Tunnan als Modell bauen möchte hat zwei Bausätze, beide in 1:72, zur Auswahl. Zum einen gab es einen Bausatz von Matchbox, später von Revell wiederaufgelegt, zum anderen wäre da noch die Heller-Ausgabe. Meiner Erfahrung nach ist der von der Detaillierung her bessere Heller-Kit auch der seltenere...daher musste ich mich auch mit der Matchbox-Variante zufriedengeben (edit: Der Hellerbausatz ist 2005 von Airfix neu aufgelegt worden). Diese präsentiert sich in der erwarteten "stabilen" Matchbox-Qualität. Nicht zu viele Teile die teils graviert und teils erhaben geprägt sind mit einer eher imaginären Detaillierung. Doch immerhin ist die Form allgemein stimmig getroffen und der Vergleich mit 1:72 Rißzeichnungen offenbart eine gute Maßstäblichkeit. Zur Dekorierung meiner Tunnan entschied ich mich für einen Decalbogen von der IPMS-Austria der mit österreichischen Markierungen für Tunnan, Cessna L-19e, Pilatus PC-7, Agusta Bell AB-47G2, Bell H-13H, YAK-11, Fouga Magister und Alouette III versehen ist. Zum Bau:Und wieder einmal macht das Cockpit den Anfang. Aus der Schachtel muss man mit Bodenplatte inkl. angegossenem Sitz, Steuerknüppel, Instrumentenbrett und Piloten-Klon auskommen. Ich habe dem Sitz noch Gurte aus Kreppband spendiert und ein paar Details der Seitenkonsolen ergänzt (Schubkontrolle). Das Instrumentenbrett weist sogar ein paar erhabene Strukturen auf, die durch die Bemalung noch hervorgehoben wurden. Den Piloten habe ich nach meiner Pleite mit dem Airfix-Liliputaner in meiner Hawker Sea Hawk diesesmal weggelassen. Die Waffenanlage sowie einige kleine Lufteinlässe waren von Hause aus nur angedeutet und wurden aufgebohrt. Bevor die Rumpfhälften geschlossen wurden, baute ich nun das fertige Cockpit ein. Weiterhin platzierte ich etwas Gewicht hinter dem Cockpit ( dazu umbedingt den Abschnitt "Allerhand Kleinkram" beachten!) und lackierte die Innenseiten beider Rumpfhälften komplett schwarz, im Cockpitbereich etwas aufgehellt. So werden später unerwünschte Entdeckungen im tiefsten Innern der Tunnan durch den Lufteinlauf bzw. die Strahlaustrittsöffnung so gut es geht verhindert. Die Schubdüse wurde daher auch aufgebohrt um nicht direkt auf eine Wand schauen zu müssen. Der Lufteinlaufring benötigte einigen Spachteleinsatz um sich stufenlos dem Rest des Modelles anzupassen. Die Tragflächen sind die Modellteile, die mit erhabenen Strukturen versehen sind - der komplette Rumpf ist bereits graviert. Ich gravierte die Flügel daher neu bevor ich sie mit dem Rumpf verklebte. Nun musste nur noch die bereits abgeklebte Kanzel aufgeklebt werden, und die Tunnan war bereit zur Lackierung. Der IPMS Decal-Bogen bietet Markierungen für zwei verschiedene österreichische Einsatzstaffeln. Zum einen für die 2. Staffel Jagdbombergeschwader aus Graz Thalerhof von 1969 und zum anderen für die 1. Staffel aus Linz Hörsching von 1962. Die erstgenannte Version ist mit ihren leuchtorangen Kontrastflächen die optisch attraktivere, birgt aber ein kleines Problem. In der Decal-Anleitung wird darauf hingewiesen, dass diese Maschinen mit einem im vorderen linken Rumpf eingebauten Aufklärerumrüstsatz flogen. Leider konnte ich nicht herausbekommen, ob dieser Umrüstsatz fest installiert war oder auch wieder ausgebaut werden konnte. Da mir leider die letzte Sicherheit fehlte und mir auch keine ausreichenden Unterlagen zum Umbau des Modells vorlagen, musste ich wohl oder übel auf die Markierungen für die "normale" Version der 1. Staffel zurückgreifen. Es sollte also eine komplett metallfarbene J-29F werden. Das Studium von meinen verfügbaren Vorbildfotos zeigte jedoch, dass es keineswegs ausreichen würde, dem Flugzeug einen homogenen Metallüberzug zu geben, sondern dass das äußere Erscheinungsbild stark durch die verschiedenen Schattierungen der einzelnen "panels" geprägt wird, was eigentlich bei fast allen naturmetall belassenen Flugzeugen der Fall ist. Ich zeichnete mir also die verschiedenen Schattierungen in die Dreiseitenrisse der Bauanleitung ein und spritzte zuerst den Metallton, der am wenigsten in Erscheinung tritt. Nachdem die entsprechenden Bereiche abgeklebt waren kam der zweithäufigste Ton und nach erneutem Abkleben wurde dann das ganze Flugzeug mit Silber Humbrol #11 lackiert. Nun folgte eine Schicht "Erdal Glänzer" um den Decals eine optimale Oberfläche zu bieten. Ich tat gut daran, der Empfehlung der Anleitung zu folgen und mich mit den besonderen Eigenschaften dieser Decals anhand einiger nicht zu benutzender Abziehbilder vertraut zu machen. So brauchten diese Decals ein Vielfaches länger, um sich vom Trägerpapier zu lösen, als alle anderen, mit denen ich bis dato gearbeitet hatte. Ist man zu ungeduldig und versucht selbst, das Abziehbild vom Träger zu schieben, hat man bald nur noch die zerbröselten Einzelteile vor sich. Auch sollte man mit dem Einsatz von Weichmachern bzw. Essigwasser vorsichtig sein, da der Trägerfilm schon von Hause aus sehr dünn ist und dazu neigt, sich bei geringster Beanspruchung in seine Einzelteile zu zerlegen. Letztendlich gelang es mir jedoch, alle Abziehbilder aufzutragen. Diese wurden wiederum mit "Erdal Glänzer" versiegelt. Jetzt trug ich das Washing aus verdünnter schwarzer Ölfarbe auf - das erste Mal, dass ich über die Decals "washte". Angesichts meiner Angst, ich könnte die Abziehbilder wieder abrubbeln und so das ganze Modell verhunzen, war ich dann doch positiv überrascht, als nichts derartiges geschah und alles nach Plan verlief. Den Abschluss der Lackierarbeiten bildete eine Schicht klaren Humbrol-Glanzlackes. Allerhand KleinkramAls auch die letzte Klarlackschicht gut durchgetrocknet war, fing ich an, die verbliebenen Kleinteile anzukleben. Zuerst kam das Fahrwerk, dem ich entsprechend meiner Vorbildfotos ein paar Bremsschläuche spendierte. Sobald ich alle weniger empfindlichen Teile wie Fahrwerksklappen, Zusatztanks und die vor dem Bugfahrwerk gelegene Landescheinwerfersektion verbaut hatte, widmete ich mich den beiden Pitotrohren. Die im Bausatz vorgesehenen Teile sehen eher wie die zum Piloten-Klon passenden Spazierstöcke aus, so dass ich sie nach derselben Methode wie bereits bei der Hawker Sea Hawk durch Eigenbauteile ersetzte. Ganz zum Schluss setzte ich die Antenne auf dem Rumpfrücken auf und verfüllte die vorher ausgeschnittenen Positionslichter an den Flügelenden in mehreren Schritten mit glänzendem Klarlack. Als ich nun die Tunnan zum ersten Mal auf ihr eigenes Fahrwerk setzten wollte, musste ich mit Erschrecken mitansehen, wie sie sich trotz - oder gerade wegen? - meinem eingebauten Zusatzgewicht auf ihr Hinterteil setzte. Voller Gram bemalte ich also eine kleine Bleikugel schwarz und positionierte sie durch den Lufteinlauf direkt vor das Cockpit. Ob die Tunnan von alleine sicher auf ihren drei Beinen stehen würde, wenn ich überhaupt kein Zusatzgewicht beigefügt hätte werde ich wohl erst nach dem Bau meines zweiten Bausatzes in schwedischen Markierungen sagen können... Als ich mit meinem Projekt begann, war der Matchboxbausatz neben dem selteneren Heller-Kit meine einzige Möglichkeit, eine halbwegs stimmige 1:72 Kopie einer Saab J-29 herzustellen. Doch Matchbox wird immer Matchbox bleiben, und wenn heute jemand Interesse an diesem frühen Jet hat, sollte er sich einmal nach dem neuangekündigten limitierten IPMS-Austria Resinbausatz erkundigen. Der wird preislich natürlich nicht vergleichbar sein (ca. 30 EUR), soll aber dank Fotoätzteilen und korrekter Gravuren auch auf eine um ein Vielfaches bessere Detaillierung kommen. Dank an Deun Yu für die fototechnische Unterstützung! Bernd Korte Publiziert am 08. Februar 2003 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |