RMS MauretaniaTeil 1, Bauberichtvon Jim Baumann (1:600 Airfix)Von Frank Spahr aus dem Englischen. Schiffe mit Splittertarnung haben mich schon immer fasziniert, besonders der Gedanke, ein Schiff nicht mit der Absicht zu tarnen, es zu verbergen, sondern seine Form zu verschleiern. U-Boote zielten ihre Torpedos nicht direkt auf ein Schiff. Weil das Ziel sich bewegte, musste man einen gewissen Vorhaltewinkel wählen, damit der Torpedo zur gleichen Zeit wie das Schiff an der selben Stelle ankam. War er zu früh oder zu spät, traf er nicht. Das Hauptziel der Splittertarnung war es, den U-Boot-Kommandanten bei der Beobachtung von Geschwindigkeit und Kurs des Ziels zu verwirren. Dieses Projekt entstand aus dem Impulskauf(!) des 1:400 JSC Kartonbausatzes der RMS Mauretania – der unter anderem Teile für das Schiff als Truppentransporter in Splittertarnung enthielt. Vergleiche mit Vorbildfotos zeigten, dass der Zeichner die Proportionen genau getroffen hatte…und in mir entstand ein Plan! Mangels des Platzes für ein 1:400er Modell – und der Neigung, ein komplexes Kartonmodell zu bauen – ein ungewohntes Material für mich – meinte ich, es müsste doch möglich sein, die exzellent gezeichnete Tarnung für ein „solides“ Modell nutzen zu können. Inspiriert durch das berühmte Gemälde von Burnell im Marinemuseum Liverpool machte ich mich an die Arbeit! Interessanterweise zeigt das berühmte Cunard-Poster Farben, die – obwohl attraktiv – sicherlich unrealistisch sind. Die Admiralitätszeichnung zeigt die wahren Farben.
Ich scannte die Splittertarnung aus dem Kartonbausatz, und nach einigen gründlichen Berechnungen und Überlegungen änderte ich die Größe mittels des Programms Serif 5.0 auf 1:600 – um sie an den leicht erhältlichen Airfixbausatz anzupassen… Nach einigen Versuchen mit der Farbanpassung und Probedrucken konnte ich scharfe und brauchbare Decals des Tarnmusters auf weiße Decalbögen ausdrucken.
Vor dem Aufbringen dieser sehr großen Decals entfernte ich alle erhabenen Details vom Airfix-Rumpf und schliff ihn glatt. Nach ausführlichem Fotostudium gewann ich den Eindruck, dass die Rundung des Hecks über dem Ruder zu voll und der Bug nicht messerscharf genug war. Um die notwendigen Formänderungen schadlos anbringen zu können, ohne Löcher im dünnen Plastik zu hinterlassen, beschichtete ich die Rumpfinnenseite mit Autospachtel, bevor ich mit ausgiebigem Schnitzen und Schleifen begann. Nachdem ich mit dieser rauhen Behandlung fertig war, fügte ich einige innere Verstrebungen aus Plastik sowie das untere Promenadendeck hinzu. Nachdem ich meine Ausdrucke an einem Reserverumpf auf Passung überprüft hatte, trennte ich das Unterwasserschiff mit einer rotierenden Schleifscheibe ab. Nachdem die Decals am Rumpf angebracht waren, wirkte der Baufortschritt zuerst sehr schnell. Das stellte sich als Irrtum heraus, als mehr und mehr Probleme und Kompromisse des Bausatzes ihre hässlichen Häupter hochreckten… frühe Probepassungen wirkten trotzdem sehr ermutigend im Gesamteindruck – durch halbgeschlossene Augen konnte ich mir das Endergebnis vorstellen – aber es sollte eine lange Reise werden… Durch das Alter des Bausatzes (1964) mußten diverse Probleme mit den Abmessungen gelöst werden – das Hauptproblem war die übermäßige Dicke der Decks und der daraus resultierende Mangel an Höhe der Schotten. Das macht bei einem Modell aus Friedenszeiten nichts aus, führte jedoch zu ernsten Anschlussproblemen bei der Splittertarnung. Deshalb beschloß ich, das Bootsdeck durch ein neues Deck aus Evergreen-Sheet zu ersetzen. Dadurch wiederum musste ich die Höhe der Schotten vergrößern… Mit Unterstützung einer digitalen Schieblehre konnte ich die erforderliche Menge an Material bestimmen. Ich klebte Polystyrolstreifen passender Stärke horizontal an die Bausatzteile und trimmte diese passend zur Form des darunterliegenden Decks aus dem Bausatz. Am Bausatzteil des unteren Promenadendecks wurden alle sichtbaren Kanten von unten ausgedünnt, alle senkrechten Plastikschotten wurden dünner geschliffen, um die Klobigkeit der ursprünglichen Teile zu verbergen. Diese wurden danach zur Aufnahme der Decksstützen markiert und konzentrisch ausgebohrt; die Decksstützen wurden aus Polystyrolstreifen hergestellt. Zum Ankörnen der Bohrlöcher benutzte ich eine Reißzwecke und Klebeband als Lehre, dann bohrte ich mit einem kleinen Handbohrer durch, wonach ich mit einem 2,5 mm Bohrer, den ich in der bloßen Hand hielt, die Löcher zusätzlich versenkte. Dadurch wurden die Löcher im Kunststoffteil entgratet, und zusätzlich erhielt ich ein „Reservoir“ für Kleber – wodurch ich Überschüsse von Kleber an den Klebestellen vermindern konnte. Offene Türen wurden mit Polystyrolstreifen verschlossen, um eine glatte Oberfläche für das Anbringen der Decals zu erhalten. Die Decksstützen waren nicht durchgängig lotrecht, das obere Promenadendeck überragte im Gegensatz zur Lusitania das untere Promenadendeck. Der Einbau und die genaue Ausrichtung der Decksstützen war sehr zeitaufwendig. Ich nutzte die Gelegenheit, schon jetzt einige Figuren hinter den Öffnungen anzubringen – viele weitere wurden später an den Öffnungen verbaut. Die auffälligen „Scheuerleisten“ entlang des Rumpfes wurden aus Messingdraht gefertigt. Am Achterschiff ging ich genauso vor. Das Vor- und Achterdeck aus dem Bausatz war übersät von angegossenen Kabeln und Ketten. Achtern entfernte ich sie mit gewissem Erfolg und ersetzte sie durch selbstgebaute Teile, die ich mit vielen kleinen Lüftern ergänzte. Am Achterdeck waren Poller und Klüsen angeformt – jedoch leider weit vom Rand des Decks entfernt – also wurden sie entfernt, die Decksbeplankung neu graviert und Ersatzteile aus Polystyrolstäben und Papier für die Sockelplatten angefertigt. Das Vordeck wurde komplett neu gebaut und erhielt selbstgebaute Winschen, Spills und andere Decksausrüstung. Danach begann ich das beschwerliche Ausbessern all der Lücken und Macken im Tarnmuster zwischen den Decals… das Anmischen der zu den Decals passenden Farbtöne war ein Projekt für sich! Die Decks des Airfix-Bausatzes waren etwas schwach detailliert, besonders um die Schornsteinsockel und Deckshäuser herum. Die kleinen Lüfter um die Schornsteinsockel wurden aus winzigen Messing-Rechtecken von geätzten Niedergängen angefertigt. Pilzförmige Lüfter wurden aus Polystyrolstäben und kleinen Nieten hergestellt; Modellbahn-Puffer der Spur Z gaben schöne Oberteile für Kuppellüfter… Ich wurde bei diesen Arbeiten durch Detailzeichnungen unterstützt, die John Haynes mir freundlicherweise zur Verfügung stellte – sowie durch diverse Detailphotos aus verschiedenen Quellen. Die Mauretania hatte sehr auffällige Lüfter entlang ihres Oberdecks. Die Bausatzteile stimmten von der Form, hatten aber entweder viel zu dicke Ränder oder waren gleich massiv ausgeführt. Das ging natürlich nicht! Deshalb wurden alle Teile ausgebohrt und die Ränder mit einem konischen Fräser ausgedünnt. Die Naht zwischen den feststehenden und rotierenden Teilen wurde durch gezogenes Gussastmaterial wiedergegeben, das um die Schäfte gewickelt wurde. Die Deckshäuser am obersten Deck wurden hauptsächlich aus den hinabskalierten Kartonbausatzteilen zusammen mit einigen Kunststoffteilen hergestellt – das brachte die von mir gewünschte Scharfkantigkeit. Einige der Schanzkleider wurden durch Aufkleben der herabskalierten Decals auf Papier angefertigt. Das ergab vorbildgerecht feine Schanzkleider. Wie viele Schiffe ihrer Ära, hatte die Mauretania viele außenliegende Niedergänge zwischen den Decks – diese entstanden aus den Ätzteilen von White Ensign Models. Die ziemlich schlichten Oberlichter erhielten ihre Fenstergitter aus zurechtgeschnittenen geätzten Niedergängen. Die Deckskante hatte einen sehr auffälligen umlaufenden Randwulst, dieser und derjenige entlang des Dachs der Funkbude entstanden aus feinem Sicherungsdraht (gibt es nicht für deutsche Sicherungen, A.d.Ü.), genauso wie der Falz entlang der Brückenfront. Das berühmte zum Heck offene „Veranda Grill“ Café am achteren Ende des Aufbaus erhielt während des Dienstes als Truppentransporter Vorhänge aus Segeltuch sowie ein nach achtern ausgespanntes Sonnensegel. Letzteres stellte ich aus einem kleinen Rahmen aus Draht her, mit Stützen aus gezogenen Gußästen und einer Bespannung aus Weißleim. Wird fortgesetzt! Jim Baumann Publiziert am 26. April 2007 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |