Boeing B-17B Flying Fortressvon Roland Sachsenhofer (1:72 Academy)
Muss eine B-17 Flying Fortress in Modellbaukreisen wirklich vorgestellt werden? Wohl nicht, wenn es sich um einen Vertreter der zu tausenden gebauten E-, F- oder G-Versionen handelt, sehr wohl aber, wenn man sich wie in diesem Fall der frühen Variante B-17B gegenübersieht! Um diese Behauptung zu belegen, genügt schon eine kurze oberflächliche Betrachtung: ist es nicht so, dass der suchende Blick hier zwar viel Vertrautes findet, an manchen Orten aber irritiert hängen bleibt? Die B-17B und die frühen Versionen der „Fliegenden Festung“
Meiner Meinung nach drängt sich das ungewohnt kleine Seitenruder als erstes in die Aufmerksamkeit. Darunter fehlt der vertraute Heckstand mit der kantigen Verglasung, Glas findet man hier zwar, dies aber in Form eines gläsernen Heckkonus. Arbeitet sich der Blick am Rumpf weiter nach vorn, stolpert er über seltsame, aber durchwegs formschöne Beulen, die an die Beobachtungs- und Abwehrstände einer PBY Catalina erinnern und tatsächlich einen ganz ähnlichen Zweck erfüllen sollten. Auffallend ist, dass die B-17B drei davon besitzt: eine dritte Gondel findet sich etwas verdeckter am Bauch des Bombers.
Weitere Abweichungen zu den bekannten Erscheinungsformen einer B-17 finden sich auch in den vorderen Bereichen: der langgezogene Aufbau am Rumpfrücken beherbergt zwar auch bei dieser frühen Flying Fortress schon die beiden Piloten sowie Navigator und Funker, zeigt aber noch keinen Abwehrstand in Form eines Drehturms, dafür aber zwei aerodynamisch günstig gestaltete gläserne Aufbauten. Überhaupt unterscheidet sich an der B-17B die Anzahl, Größe und Position der Fenster am Rumpf und rund um das Cockpit deutlich von den darauffolgenden Versionen. Die verglaste Nase zeigt dafür schon die charakteristischen Proportionen und die mittig gesetzte plane Glasfläche, die dem Bombenschützen einen optisch unverzerrten Blick durch das Zielgerät ermöglichen sollte.
Die Tragflächen, das Fahrwerk sowie das Höhenleitwerk weisen hingegen die vertrauten Abmessungen und Proportionen auf. Nur an der Motorverkleidung fällt dem aufmerksamen Auge auf, dass die vielteiligen Kühlerklappenringe fehlen. Diese werden erst ab der D-Version zu sehen sein, die vier Wright R-1820 Triebwerke sind hier noch von einer einteiligen Verkleidung umschlossen.
Die 39 insgesamt gefertigten B-17B waren die ersten in Serie gebauten „Flying Fortress“, die Auslieferung der ersten Maschinen an das USAAC begann im Oktober 1939. Der Kriegsausbruch in Europa hatte die Entwicklung des seit 1935 in Erprobung stehenden Langstreckenbombers beschleunigt und auch den Anlass zum Beginn der Serienfertigung gegeben. Allerdings dienten diese Maschinen noch der Erprobung und der Sammlung von Einsatzerfahrungen, erst die im Juli 1940 präsentierte nachfolgende B-17C den potenten Entwurf zu einem wirklich einsatztauglichen und in einem scharfen Konflikt überlebensfähigen Bomber.
Mit dem Einbau selbstdichtender Tanks, effektiver Panzerung und einer verstärkten Bewaffnung hatte man den Erfahrungen aus dem ersten Kriegsjahr Rechnung getragen. 42 Maschinen der B-17C wurden von der USAAC verwendet, weitere 20 dieser Maschinen gingen als Fortress Mk.I an die RAF. Wieder ein Jahr darauf, im Juli 1941, wurden die B-17C von der B-17E abgelöst, die nun die drei Waffenstände oben hinter dem Cockpit, den Kugelstand unter dem Rumpf sowie den Heckstand aufwiesen.
Eine weitere charakteristische Neuerung hat sich bei der E-Version eingestellt: ab nun sollte anstelle des als „Haifischflosse“ bekannten schmalen Seitenleitwerks bisheriger Versionen eine weit nach vorne gezogene, vergrößerte Heckflosse das Erscheinungsbild des Bombers kennzeichnen. Diese die Richtungsstabilität verbessernde Maßnahme hatte man von der zivilen Schwester, Boeing Model 307 Stratoliner, übernommen. Die B-17 Flying Fortress war damit in ihr vertrautes Erscheinungsbild hineingewachsen - ein halbes Jahr vor dem Kriegseintritt der USA. Bausatz und Bauprozess
Für die Umsetzung dieses Modells wurde der altbekannte Academy-Bausatz No. 2106 „B-17B Flying Fortress“ genutzt. 1991 ist diese Bausatzvariante aus 1988 zum ersten Mal produzierten Formen abgeleitet worden. Dieses Alter merkt man dem Layout und der Qualität der Teile natürlich an. Der Aufbau kann in wenigen Schritten und mit einem aus heutiger Sicht minimalen Teileaufwand bewerkstelligt werden.
Man kann diesen Umstand als Einladung, wenn nicht sogar als Vorteil sehen (ich bin geneigt dazu), denn der Grad der gewünschten Detailtiefe kann auf diese Weise selbst bestimmt und dosiert werden! Nicht immer will man ja viel Zeit und Energie aufwenden, um das Rumpfinnere mit Einzelheiten zu versehen, die bald darauf im fortschreitenden Bauprozess auf Nimmerwiedersehen im Dunkeln verschwinden.
In diesem Sinne habe ich mir Eduard-Ätzteilsets für Fahrwerkschächte, Motoren sowie für das Cockpit/ die Bugsektion geleistet, die weitgehend auch verbaut worden sind. Das Rumpfinnere blieb dagegen im leeren Grundzustand. Das recht gut einsehbare Cockpit bekam noch eine Sitzpolsterung von Kits-World, die sich mit ihrem charakteristischen Gelb recht gut macht. Zum Glück standen für die B-Version passende Resin-Räder zur Verfügung; hier hätten die recht dürftig gestalteten Originalteile doch schon ein Manko bedeutet.
Ein tatsächliches Manko stellte die Qualität der Bausatzdecals dar: diese haben sich als widerspenstig und spröde gezeigt und waren schwierig und nur mit vielen Ausbesserungen zu verwenden. Besonders hat sich das bei der blau-weiß-roten Fassung der Heckflosse gezeigt: die dafür vorgesehenen Schiebebilder waren derartige „Selbstzerleger“, dass ich schlussendlich diese Partie selbst lackiert habe- was ja übrigens nicht immer ein Nachteil sein muss! Für die widerspenstige Natur der Decals ist meiner Einschätzung nach vor allem deren Alter verantwortlich - das möchte ich der Fairness wegen sagen!
Der Bau einer frühen Flying Fortress hat für mich einige interessante neue Erkenntnisse zum Vorbild gebracht und mich noch dazu erinnert, dass mit der Detailversessenheit eines Bausatzes nicht immer automatisch das Modellbauvergnügen steigt: ich werde gerne wieder einmal zu einem der bewährten Academy-Bausätze einer B-17 Flying Fortress greifen!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofder@gmx.at
Roland Sachsenhofer Publiziert am 08. August 2024 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |