North American F-82G Twin Mustangvon Roland Sachsenhofer (1:48 Modelsvit)
Gibt es neben Doppeldecker auch „Doppelrümpfer“? Nein, in der Flugzeuggeschichte hat sich dieser sprachlich unschöne Begriff nicht etabliert, man spricht da schon eher vom „Zwilling“. Diese Konstruktionen sind in der bunten Geschichte der Fliegerei rar gesät: in namhafter Stückzahl gebaut wurden meines Wissens nach nur die He-111Z „Zwilling“ sowie die hier gezeigte F-82 Twin Mustang. Zu den bekannteren Projekten, die zwar nicht gebaut, aber bis zur Realisierbarkeit durchgespielt worden sind, zählt sicherlich eine weitere deutsche Konstruktion der 40er Jahre, die Bf 109Z. Zur F-82 Twin Mustang
Die Entwicklungsarbeiten zur F-82 liefen tatsächlich erstaunlich parallel zu dieser Bf 109Z: im Oktober 1943 starteten bei North American die ersten Designstudien für einen neuartigen Langstrecken-Begleitjäger, der vor allem den Jagdschutz für die reichweitenstarken B-29 Bomber bieten können sollte. Zu diesem Zeitpunkt war zwar bereits deutlich, dass der neue Entwurf nur eine Zwischenlösung bis zur Einführung der neuen Turbinenjäger sein würde, ebenfalls klar war aber auch, dass sich der Jet-Antrieb neben dem Versprechen überlegener Antriebsleistungen noch einige Zeit durch einen wesentlichen Nachteil auszeichnen würde: den großen Treibstoffdurst der Turbine. Auf einen einsatzbereiten Jet für mehrere Stunden lange Einsatzflüge würde so man noch einige Zeit warten müssen - dies wollte man mit einer Twin Mustang überbrücken.
Der Erstflug der XF-82 fand am 26. Juni 1945, also noch vor der Kapitulation Japans, statt. Das Kriegsende selbst ließ das Interesse an dem neuen Langstreckenjäger allerdings rasch schwinden, so dass die Geschichte der Doppelrumpf-Mustang mit dem Bau von insgesamt drei Prototypen und rund 20 Maschinen der ersten Serie auch schon wieder zu Ende gegangen schien.
Dem Vorhaben sollte jedoch schon bald darauf wieder neues Leben eingehaucht werden. Wieder war es der Ruf nach einer Zwischenlösung, der die Twin Mustang voranbrachte: denn nicht nur bei den Langstreckenjägern zeichnete sich eine verzögerte Einführung von Jets ab, auch bei den mit Radar ausgerüsteten Nacht- beziehungsweise Allwetter-Jägern bereitete der durstige Turbinenantrieb Kopfzerbrechen.
Die Entwicklung des geplanten Nachfolgers der P-61 Black Widow, den man in Form der Northrop F-89 Scorpion projektierte, verzögerte sich und schien Ende der 40er Jahre noch weit von Serienreife oder gar Truppentauglichkeit entfernt. Northrop selbst kündigte die F-89 erst für frühestens 1952 an. Verschärft wurde die Situation durch den Umstand, dass als mit Bordradar ausgerüstetem Allwetter-Jäger einzig die P-61 zur Verfügung stand. Deren Leistungspotential war jedoch ausgereizt, womit sie Ende der 40er zurecht als veraltet galt. So wurde die P-61 Black Widow einzig aus dem Grund weiter genutzt, weil kein Ersatz verfügbar war.
Vor dem geschilderten Hintergrund lag der Gedanke nahe, das brachliegende Potential der Twin Mustang mit ihrer überragenden Reichweite und beeindruckenden Feuerkraft zu nutzen und sie zu einem Nachtjäger umzurüsten. Auf dieser Grundlage entstanden zwei neue Baureihen: die F-82F wurde mit dem AN/APG-28 Radar ausgerüstet, während die F-82G das leistungsstärkere SCR-720C18 zum Einsatz brachte. Bisher waren die Twin Mustang der B- und E-Serie mit Doppelsteuerung für beide Cockpits ausgestattet, nun wurde die Maschine vom Piloten im linken Cockpit geflogen, während im rechten Rumpf der Radaroffizier seinen Platz fand. Die Radaranlage selbst wurde in einem sehenswerten, torpedoförmigen Anbau untergebracht. Falls die ohnehin schon spektakuläre doppelrümpfige F-82 ihren Schauwert noch hätte steigern wollen: mit diesem eindrucksvollen Kolben war dies gelungen!
Die im Jahr 1946 startende Einsatzgeschichte der F-82 war zwar kurz, trotzdem fanden die rund 270 gebauten Twin Mustangs in diesen sieben Jahren eine relativ weite Verbreitung. Die eindrucksvollen Doppelrumpf-Maschinen wurden sowohl vom Strategic Air Command in der ihnen ursprünglich zugedachten Rolle als Langstrecken-Begleitjäger eingesetzt, wie auch in den Einheiten des Air Defense Command geflogen. Hier kamen die mit Bordradar ausgestatten F-82F und -G Allwetterjäger zum Einsatz. Spätestens bis 1952 hatten allerdings sowohl ADC als auch SAC alle F-82 aus ihren Beständen gestrichen; die Zeit des Lückenfüllers war mit dem Anbruch des Jet-Zeitalters endgültig vorbei.
Ein Blick auf die Leistungen macht dabei jedoch schnell klar, dass die F-82 Twin Mustang alles andere als eine „lahme Ente“ war. Vor allem die Reichweite beeindruckte: über 3.600 Kilometer konnte die zweimotorige Maschine abdecken, wobei sie neben ihren sechs 12,7-mm-Maschinengewehren Browning M3 noch 1.800 kg an Außenlasten mitführen konnte. Mit einer maximalen Startmasse von 11.632 kg erreichte die F-82G, angetrieben von zwei gegenläufigen 1.660 PS Allison V-1710 Triebwerken, eine Höchstgeschwindigkeit von 742 km/h.
Zum aktuellen Kampfeinsatz kam die Twin Mustang auf der anderen Seite des Globus. Als 1950 der Koreakrieg mit dem Überfall des kommunistischen Nordens auf den Süden begann, waren die F-82G der „Far East Air Forces“ die ersten Flugzeuge, die scharfe Einsätze flogen. Zuerst von ihren im japanischen Süden gelegenen Basen Itazuke und Misawa aus, später auch von Basen in Korea selbst. Eine F-82G war es auch, die den ersten Abschuss der UN- Luftstreitkräfte erzielen konnte. Am 27. Juni 1950 schoss eine Maschine der 339th Fighter All Weather Squadron (F(AW)S) eine nordkoreanische Jak-11 ab. Möglicherweise wurden im Verlauf des Konflikts noch drei weitere Luftsiege erzielt; die Quellen sind hier allerdings nicht eindeutig, so dass nur von diesem einen dokumentierten Luftsieg ausgegangen werden kann. Bei den folgenden Einsätzen gegen diverse Bodenziele wurden unter anderem etwa 20 weitere gegnerische Flugzeuge am Boden zerstört. Auf der Verlustseite standen dem 22 Twin Mustangs entgegen, die Hälfte davon ging bei Kampfeinsätzen verloren.
Mein Modell zeigt mit dieser F-82G /FQ-400 eine jener in Korea eingesetzten Maschinen. Geflogen von Oberst John Sharpe, zählte sie als Kommandeursmaschine zum Bestand der 4th FS, einer Einheit, die zu Beginn des Koreakriegs ihre Einsätze von der Naha AB auf Okinawa aus geflogen ist.
Im Laufe des Jahres 1951 wurden die F-82 Allwetterjägerin Korea durch ihre Nachfolgemuster, meist der F-94 Starfire, abgelöst. Die verbleibenden Maschinen wanderten in die Bestände des „Air Defense Command“ zurück und dienten nach ihrer Umrüstung für den Einsatz in kalten Umgebungen ihre restliche Zeit noch ADC -Einheiten in Alaska. Spätestens bis 1957 war dann auch hier für die letzten verbliebenen Twin Mustangs die Zeit abgelaufen. Zu Bausatz und Bauprozess
Gleich nach der Ankündigung einer völlig neu entwickelten F-82 Twin Mustang durch den ukrainischen Hersteller Modelsvit war nicht nur meine Freude groß, sondern auch der Entschluss gefasst, die neuen Formen zeitnah am Werktisch zu erproben. Was einem dann nach Öffnen der stabilen Schachtel entgegenlachte, hat beides - meine Freude und den Entschluss zum Bauvorhaben - beflügelt!
Modelsvit schenkt sich hier nichts, denn das teilereiche Innenleben der beiden Cockpits, die Ausformung von Fahrwerkbeinen und der vier Radschächte sowie weiterer Regionen wie jener der Auspuffstutzen, der Außenlasten oder das Innenleben des SCR-720C18 Radarpods sind mit bemerkenswerter Freude am Detail ausgeformt. Willkommen ist das umso mehr, als diese Detaillierungen für Bereiche vorgesehen sind, die auch nach Fertigstellung sichtbar bleiben. Dies motiviert, denn der Modellbauer darf hier keinen schnellen Bau erwarten. Gerade beim Aufbau der Cockpits sollte ohne Zeitdruck gearbeitet werden, da hier neben dem komplexen Aufbau auch noch die richtige Version beachtet werden muss: Modelsvit hat dem Bausatz die Teile für die G- wie die F-Version beigelegt, die sich auch in der Ausrüstung der Cockpits unterschieden.
Die Passgenauigkeit hat sich nach dem Baustart als erfreulich gut erwiesen; ein Eindruck, der sich bis zur Fertigstellung der großen Baugruppen und deren Zusammenstellung zu einer recht stabilen, ungewohnt „viereckig“ erscheinenden Konstruktion fortsetzte. Dann allerdings begann die Sache etwas mühsam zu werden.
Schuld daran war vor allem der Einbau der Kanzel- Klarsichtteile: ließen sich die vorderen Teile der Kanzel noch mit bloßem Verschleifen an die Rumpfkonturen anpassen, so mussten Schleifpapier und dann sogar das Modellbaumesser beim hinteren, geöffnet dargestellten Kanzelbereich kapitulieren. Im Original sitzt die aufgeschobene Cockpithaube vollkommen flach am Rumpfrücken auf, würde man jedoch dem von Modelsvit vorgegebenen Sitz der Bausatzteile vertrauen, hätte man zum Schluss eine Twin Mustang mit steil in die Luft ragenden Schiebekanzelenden. Hier musste also etwas unternommen werden. Da bloßes Schleifen nicht ausgereicht hat, wurde schließlich mit dem Skalpell ein Teil des Rumpfrückens abgetragen. Ganz stimmig ist das Resultat nicht, allerdings kann ich mit dem korrigierten Erscheinungsbild ruhigeren Gewissens leben.
Ein Schwierigkeit ergab nachfolgend noch ein Bereich, den Modelsvit nicht zu verantworten hat: bei der Wahl der Vorbildmaschine griff ich auf den Decalbogen „Twin Mustangs“ von Printscale zurück. Leider sind dessen Markierungen hart an der Grenze zur Unbrauchbarkeit angesiedelt. Vor allem scheinen sie im Maßstab verrutscht! Die Mängelliste führt folgende Punkte an: „Stars and Bars“ definitv zu groß, der Schriftzug „Call Girl“ zu breit, weiters ist der dreifarbige Streifen unterhalb der Außenseiten der Cockpits grundsätzlich falsch dargestellt und von der Länge her nicht definiert. Um eine längere Geschichte abzukürzen: verwendet habe ich nur, was unbedingt sein musste, alles andere wurde aus dem wunderschönen Bausatz-Decalbogen übernommen oder, wie die seitliche Streifen-Markierung dieser Kommandeursmaschine, abgeklebt und lackiert.
Wer bis hierher gelesen hat, wird sich womöglich meinem Fazit anschließen: dieser lange erwartete Bausatz ist mit kleinen Einschränkungen zu empfehlen und wird allen jenen Modellbaufreuden am Werktisch wie dann auch in der Vitrine bereiten, die schon immer eine stimmige F-82 Twin Mustang im 48er Maßstab bewundern wollten!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates“ Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 19. Oktober 2022 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |