Portsmouth Historic ShipsDieser Ort ist wahrscheinlich das Herz der britischen Marine. Portsmouth ist seit römischen Zeiten Flottenstützpunkt und Ort des ältesten britischen Trockendocks (1496), immer noch trotz aller Kürzungen eine wichtige Marinebasis und der Ort, an dem die wichtigsten Museumsschiffe aufbewahrt werden: Mary Rose (1509), Victory (1759) und Warrior (1860). Ein Besuch lohnt sich; er ist zwar nicht billig, aber den Preis wert. Hat man erst mal sein Auto geparkt und ist durch das alte Tor auf das Marinegelände getreten, weiß man kaum, was man sich zuerst anschauen soll. Beim Kauf der Eintrittskarte kann man sich entscheiden, welche Teile man buchen will, eventuell ungenutzte Abschnitte der Eintrittskarte kann man innerhalb einer bestimmten Zeit nachholen. Ich habe zuerst die HMS Warrior besucht, das erste britische Panzerschiff, eine sehr elegante Eisenkonstruktion und ein Meilenstein auf dem Weg zum modernen Kriegsschiff. Sie hat durch glückliche Zufälle als Ölponton in Milford Haven die Zeiten überdauert und wurde auf das Schönste restauriert. Seit 1987 ist sie hier ausgestellt. Natürlich ist an einem Schiff immer etwas zu tun, deshalb die Absperrungen und Planen. Man kann sie auf eigene Faust begehen und sich von einem der Guides Fragen beantworten lassen. Ich war von ihrer Größe sehr beeindruckt und von ihrer Linienführung. Dieses Schiff sieht einfach schnell und elegant aus, wie ein Klipper. Unter Deck gibt sie einen guten Eindruck von den Lebensumständen der Besatzung. Während die Mannschaften wie früher zwischen ihren Geschützen hausten (und es bevorzugten, wenn die Stückpforten geschlossen blieben – warm und stickig war ihnen lieber als kalt und frisch) hatten die Offiziere deutlich hübschere Unterkünfte, und die Kapitänskajüte wirkt wie in einem Stadthaus in London. Auch die Maschine ist sehr schön restauriert, ebenso wie die Bordwäscherei mit einigen der ersten Waschmaschinen (!).
Herz der Anlage ist für mich die Victory, in ihrem Trockendock. Ich hatte Glück, daß nicht viel Betrieb war, von daher konnte ich in Ruhe den vorgegebenen Rundweg abgehen – Fotografieren ist unter Deck leider verboten. Die Restaurierung hat große Fortschritte gemacht, und man bekommt eine gewisse Ahnung von der Komplexität eines solchen Schiffes. Die Enge, den Lärm und den Geruch mit 800 Mann an Bord wird man sich nicht vorstellen können. Ich war besonders beeindruckt von der Höhe der Masten und dem schieren Ausmaß an Besegelung, natürlich auch von den Nelson-Memorabilien wie seinem Bett und dem Ort seines Todes im Orlopdeck.
Immer ganz in der Nähe ist die moderne Royal Navy. Das damalige Flaggschiff, der Träger HMS Invincible, lag direkt neben der Victory festgemacht. Der Bereich für Besucher ist eben direkt ein Teil der Marinebasis, und die Trennlinie wird bewacht. Nach der Victory besichtigte ich die Mary Rose, das Flaggschiff Heinrich des achten, die 1545 vor Spithead in einer Böe unter großen Verlusten kenterte und 1982 gehoben wurde.
Sie ist noch in der Konservierungsphase, wie viele von uns sie von der Bremer Kogge kennen, d.h. sie befindet sich in einem Zeltgebäude unter 100% Luftfeuchtigkeit und wird allmählich mit Polyethylenglykol durchsetzt. Bis sie schließlich als konserviert gilt und in einem noch zu bauenden Museum ausgestellt werden kann, wird es noch dauern. Da nur die Steuerbordhälfte erhalten ist, schaut man wie auf einen Längsschnitt des Schiffes, hin und wieder sieht man vermummte Gestalten in Schutzanzügen um sie herumstapfen.
Das nebenan befindliche Mary Rose – Museum zeigt sehr anschaulich den ungeheuren Wert an Material aus dem 16. Jahrhundert, der bei dieser Bergung gehoben und gerettet wurde. Das bedeutet, von vielen Dingen, die man bislang nur aus Illustrationen oder vom Hörensagen kannte, liegen nun Originale vor, die beweisen, wie es wirklich war. Das geht von Schiffsbauteilen über Waffen bis zu medizinischen und navigatorischen Instrumenten über Bekleidung bis zu Musikinstrumenten und Spielen. Natürlich stellen die geborgenen Gebeine der unglücklichen Besatzung auch eine Fundgrube an Daten zur damaligen seefahrenden Bevölkerung und ihrer Gesundheit dar. In den langgestreckten Lager- und Werkstattgebäuden aus dem 18. Jahrhundert befindet sich das Royal Navy Museum, das Victory Museum, die Sonderausstellung zum Trafalgar-Segel und ein Museumsshop. Alles ist sehenswert und bietet eine Unmenge an Informationen zur britischen Marinegeschichte. Die Schlacht von Trafalgar wird durch eine Multimediaschau nähergebracht, in der es nicht an Lärm, Rauch und abgetrennten Gliedmaßen mangelt. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß unter den Exponaten Unmengen an Schiffsmodellen und Dioramen auf höchstem Niveau zu betrachten sind. Der Person von Lord Nelson ist ein Teil der Ausstellung gewidmet, man sieht viele Erinnerungsstücke an ihn und erstaunt darüber, wie schmächtig und klein er in der Rekonstruktion wirkt. Das erwähnte Trafalgarsegel ist das letzte erhaltene Segel der Victory, das in jener Schlacht gesetzt war und noch die Einschüsse trägt. Es wird sehr effektvoll in einem verdunkelten Raum ausgestellt, begleitet von einer Multimediaschau mit Ausschnitten aus „Master and Commander“.
Auf der anderen Seite des Geländes neben dem Mary Rose Museum liegt in einem viktorianischen Industriegebäude hinter einem Restaurant und Shop (es gibt einige gute Gelegenheiten, viel Geld auszugeben!) die Ausstellung „The Dockyard Apprentice“ über die Leute, die den Stützpunkt und die Werft bemannten – sehr sehenswert! Die Werft war jahrhundertelang ein Wirtschaftsfaktor, ein Ort, an dem technischer Fortschritt geschah, und eine Heimat und Identifikation für Generationen von Familien. Die Ausstellung „Battlestations“ daneben dient der Rekrutierung für die Flotte und spricht mit Rundumkino und Simulatoren die Nintendo-Generation an.
Zu guter Letzt traf ich mich mit meiner Liebsten, die im sehenswerten nahelegenen Einkaufszentrum Gunwharf Quay und entlang der weiteren Wasserfront gewesen war, und gemeinsam machten wir die Hafenrundfahrt durch die Marinebasis. Es war ein wolkenloser, warmer Tag Ende Mai, und es war Ferien pur.
Der kleine Dampfer dreht eine etwa halbstündige Tour durch die äußeren Bereiche der Hafenbecken, und der Schiffsführer gibt lebendige Erklärungen und Anekdötchen dazu. Wir sahen natürlich die Warrior von der Wasserseite, dazu die (übrigens mittlerweile außer Dienst gestellte) Invincible und ihr Schwesterschiff Ark Royal, das nach seinem Einsatz im Irakkrieg zu einer längeren Überholung in der Werft liegt.
Dazu einiges an Fregatten und Zerstörern, aber auch die außer Dienst gestellten Landungsschiffe Fearless und Intrepid, ein Schulschiff und die aus dem Falklandkrieg bekannte HMS Endurance, die gerade für ihre Rolle bei der Marineparade zum International Festival of the Sea herausgeputzt wurde – die Queen hatte sie gewählt, um von ihr aus die Flottenparade abzunehmen. Dazu gibt es dort immer Fähren im Verkehr zur Isel of Wight zu sehen; der Fährterminal mit Bahnanschluß ist direkt neben Gunwharf Quay und dem sog. Spinnaker Tower. Letzterer sollte eigentlich Millennium Tower heißen und den Steuerzahler nichts kosten. Nun ist er erst 2005 eröffnet worden und hat ein Loch von satten 11,1 Mio. Pfund ins Stadtsäckel von Portsmouth gerissen. Zudem blieb der im Zentrum der Probleme steckende gläserne Außenfahrstuhl ausgerechnet am Tag der Eröffnung und ausgerechnet mit dem Projektmanager des Stadtrats an Bord stecken. Abseilspezialisten mußten ihn befreien ...
Fazit:Also, ich kann nur sagen: Wenn man mal in Südengland ist und sich für Schiffe interessiert, dann sollte ein Besuch in Portsmouth nicht fehlen! Frank Spahr Publiziert am 17. Dezember 2005 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |