Messerschmitt Bf 109 G-10von Roland Sachsenhofer (1:48 Eduard)Zur Bf 109 G „Gustav“
Die Bf 109 ist das meistproduzierte Flugzeug der Geschichte - und sie wird diesen Rang bei der sich abzeichnenden immer größeren Leistungsfähigkeit des einzelnen Kampfflugzeuges wohl auch nicht mehr abgeben müssen. Bei der Produktion von über 33.000 Bf 109, die sich über einen Zeitraum von rund zehn Jahren erstreckte, nimmt es nicht Wunder, dass sich die Geschichten der einzelnen Unterversionen zum Teil wie jene eigener erfolgreicher Jagdflugzeugentwürfe ausnehmen.
Die Exemplare der hier gezeigte G-Version repräsentieren dabei zweifellos eine der bedeutsamsten und in sich wiederum hoch ausdifferenzierten Verzweigungen, die sich aus dem soliden Stamm der frühen B, D, E und natürlich der nah verwandten F-Varianten entwickelt haben.
Um sich dies zu veranschaulichen: die „Gustav“ stellt mit unglaublichen 25.000 gebauten Flugzeugen rund 70 Prozent aller je produzierten Bf 109 dar. Ab Sommer 1942 begann sie die vorangegangene Bf 109 F abzulösen, die „Gustav“ blieb dann bis Kriegsende in Produktion.
In sich ist die G-Version, wie schon angesprochen, in zahlreiche Untervarianten gegliedert. Im Versuch, den Anschluss an die immer gewaltigeren Leistungsspektren gegnerischer Maschinen nicht zu verlieren, wurde in den letzten drei Kriegsjahren aus dem langsam in die Jahre kommenden Grundentwurf mit aller Energie und Findigkeit herausgeholt, was noch herauszuholen war. Erstaunlich, dass dies auch gelang: bis zum Kriegsende blieben die Weiterentwicklungen von Messerschmitts 109 in den Händen erfahrener Piloten ein tödlicher Gegner, die Einschätzung als eine der besten Jagdmaschinen ihrer Zeit hatte auch im Frühjahr 1945 ihre Berechtigung. Nur mit einer Reihe grundlegender Eingriffe in die Konstruktion konnte dies gelingen.
Zum einen betraf dies den Antrieb: gab der DB 601E der Bf 109F noch 1.350 PS an den Propeller ab, steigerte bei der Gustav der DB 605A oder B die Leistung auf 1.435 Pferdestärken. Dies bedeutete bei der G-10 eine Höchstgeschwindigkeit von berauschenden 685 km/h in großer Höhe, eine Geschwindigkeit, mit der die 109 wieder an die absolute Spitze der Jagdflugzeugentwicklung aufschließen hatte können. Dazu kam, dass man ab der G-10 und ihrem neuen DB 605D-Antrieb die Wasser/Methanol Einspritzung zur Verfügung hatte: kurzzeitig konnte man durch diese – nicht gerade motorschonende - Maßnahme die Leistung auf 1.800 PS steigern.
Die Bewaffnung wurde mit der G-Version ebenfalls um zumindest eine Größenordnung schlagkräftiger. In der „Gustav“ wurden die beiden rumpfmontierten 7,92 mm MG 17 der bisherigen Versionen gegen großkalibrige 13 mm MG 131 ausgetauscht. Die durch die Propellernarbe feuernde 20 mm MG 151-Kanone wurde beibehalten. Allerdings: ab 1943 stand für die Motorkanonen zudem die Mk 108-Maschinenkanone zur Verfügung, die bei den als /U4 bekannten Untervarianten eingebaut wurde. Mit dieser eindrucksvollen Waffe vom Kaliber 30 mm brauchte man im Schnitt nurmehr drei Treffer, um einen schweren Bomber zum Absturz zu bringen. Aber damit nicht genug: per Rüstsatz konnte die Bf 109 G noch zum „Kanonenboot“ umgebaut werden. In Gondeln unter den Flächen wurden zwei weitere MG 151 oder MK 108 mitgeführt.
Zum dritten wurde die Zelle überarbeitet. Aerodynamisch hatte die Gustav mit einer durch die oben geschilderten Maßnahmen verursachten Gewichtszunahme zu kämpfen: der stärkere Motor brachte nicht nur selbst wesentlich mehr Gewicht auf die Waage, sondern bedingte durch das gewaltige Drehmoment auch strukturelle Verstärkungen an der Zelle, die das Gewicht weiter nach oben trieben. Durch das Gewicht wurde etwa ein massiveres Fahrwerk mit einer Bereifung größeren Durchmessers notwendig. Die größeren Räder verursachten wiederum an der Flächenoberseite störende Ausbeulungen. „Beulen“ wurden für die G aber auch aus einem weiteren Grund typisch: zwei weitere Ausbuchtungen vor der Kanzelhaube wurden durch den größeren Platzbedarf der neuen MG 131 verursacht. War die F als aerodynamisch reinste Bf 109-Version bekannt, so bezahlte man bei der G den gewonnenen Leistungszuwachs mit einer Reihe die Leistungen gleich wieder mindernder aerodynamischer Unsauberkeiten.
Die hier ins Bild gesetzte Bf 109 G-10 war, wie oben angesprochen, die schnellste Bf 109. Die beiden „Beulen“ über den Verschlüssen der MG 131 waren in einem verbreiterten, aerodynamisch günstigeren Rumpfquerschnitt aufgegangen. Die Kabinenverglasung wurde nun standardmäßig in Form der „Erla“ Haube eingebaut. Diese Vollsichtkanzel erlaubte eine exzellente Beinahe-Rundumsicht und war bei den Piloten dementsprechend beliebt. Diese Beliebtheit wurde selbst durch die Tendenz, sich im Notfall nur schwer abwerfen zu lassen, kaum geschmälert.
Ein weiteres leicht erkennbares Merkmal der G-10 findet sich im vergrößerten hölzernen Heckleitwerk, sowie im Sprechfunkgerät FuG 16 ZY, dessen große Stabantenne unter der linken Fläche Platz fand. Wie für alle späten „Gustavs“ ist auch für die G-10 ein hinter der Kanzel montierter Peilrahmen charakteristisch.
Selbst innerhalb der G-10 Baureihe finden sich noch weitere Differenzierungen. Blickt man genau hin, bemerkt man über den Fahrwerksbereichen an den Flächenoberseiten langgezogene erhöhte Verkleidungen, die das vergrößerte Fahrwerk aufnehmen konnten. Dies ist für die Maschinen, die aus dem WNF Messerschmitt-Werk in Wiener Neustadt stammten, kennzeichnend. Die Abkürzung steht dabei für „Wiener Neustädter Flugzeugwerke“. Ab Herbst 1944 wurde die Produktion der Bf 109 G-10 auf drei bestehende Messerschmitt Produktionsstätten verteilt: in Regensburg, Erla und eben Wiener Neustadt. Alle drei Standorte lieferten die G-10 mit kleinen Abweichungen; die langgezogenen erhöhten Bereiche auf den inneren Flächen sind ein sicherer Hinweis auf eine bei WNF gebaute 109. Zur Bf 109 G-10/U4, W.Nr. 611048
Die hier gezeigte Maschine hat mich aus einem Grund besonders interessiert: diese Bf 109G-10 gehörte zur II./JG 52, die im April `45 vom niederösterreichischen Fels am Wagram ins oberösterreichische Hörsching bei Linz verlegte. Von hier und dem rund zehn Kilometer entfernten Ausweichplatz Raffelding bei Eferding flogen die Maschinen dieser Einheit Einsätze sowohl zur Unterstützung des Heeres gegen die von Ungarn vorrückende Sowjetarmee als auch gegen die aus Italien einfliegenden Bomberverbände der USAAF. Mein Wohnort befindet sich in unmittelbarer Nähe zu diesen Plätzen, mein Interesse war daher geweckt, als ich von der Möglichkeit erfuhr, eine der von hier aus fliegenden Maschinen darstellen zu können.
In den letzten Kriegstagen verlegten die Maschinen der II./JG 52 ihren Standort noch einmal nach Zeltweg bei Graz. Am 8. Mai schließlich wurden alle Maschinen, die noch in die Luft gebracht werden konnten, ins bayrische Neubiberg geflogen, da sich ihre Besatzungen den Amerikanern ergeben wollten. Die hier dargestellte Bf 109 G-10 ist eine davon.
Wer den Bausatz der Bf 109 G von Eduard kennt, wird nicht überrascht sein, dass ich den Bauprozess als das reinste Vergnügen empfunden habe. Dieses Modell ist die zweite Präsentation aus einer Reihe parallel gebauter „Gustavs“, die ich hier vorstelle. Dass dieser „Vierling“ innerhalb eines guten Monats auf die Beine zu stellen war, ist ein weiterer Hinweis, mit welcher hohen Qualität diese Bausatzformen ausgeformt und ausgestattet sind. Wenn Ihr Euch aber selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates“.
Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 25. März 2022 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |