Boulton Paul Defiant Mk.Ivon Roland Sachsenhofer (1:48 Airfix)
Nachdem ich vor kurzem eine Blackburn Roc gebaut hatte, war es für mich besonders interessant, Britanniens zweiten und bekannteren „Turm-Jäger“ als Projekt auf dem Werktisch zu haben. Beide Muster, ab 1935 entwickelt, sind derselben Vorstellung entsprungen, wie im Pulk fliegende feindliche Bomber bekämpft werden sollten: in die feindliche Formation eindringend und parallel zum Kurs der Bomber fliegend sollte die Defiant mit ihrer in einem Drehturm konzentrierten Bewaffnung massive „Breitseiten“ liefern. Produktion und Auslieferung der 1937 erstmals geflogenen Defiant liefen übrigens noch vor Kriegsausbruch ab Juli 1939 an.
Das Konzept eines „Bomberkillers“ mit seitwärts gedrehtem Waffenturm erwies sich allerdings schnell als illusorisch. Anfängliche Luftsiege über Dünkirchen und in der Anfangsphase der „Luftschlacht um England“ konnten über dieses Scheitern nicht hinwegtäuschen. Erfolg hatte die Defiant beinahe immer nur, wenn sie von gegnerischen Jagdmaschinen unter der Annahme, ein konventionell ausgelegtes Flugzeug vor sich zu haben, von „hinten oben“ angegriffen wurde. Nachdem ihr „Stachel im Schwanz“ allerdings einmal identifiziert und bekannt war, hatte sie nur mehr wenig Überlebenschance. Dementsprechend rasch wurde sie als Tagjäger abgezogen. Die Notwendigkeit, in der zweiten Jahreshälfte 1940 eine Abwehr der nun auch bei Nacht einfliegenden deutschen Bomberverbände aufzubauen, bescherte der Defiant eine zweite, wesentlich erfolgreichere und ihrem ursprünglichen Konzept entsprechendere Karriere als Nachtjäger.
Im Laufe des folgenden Jahres wurde die Defiant auch in dieser Rolle mehr und mehr von moderneren und vor allem zweimotorigen Nachtjägern abgelöst. Ihr drittes Einsatzgebiet fand die Defiant in der Funktion als Seenotrettungs- und als Schleppflugzeug, in der sie dann auch bis Kriegsende eingesetzt wurde.
Mein Modell zeigt NI1572, eine Boulton Paul Defiant Mk.I, die im September 1940 bei der No.II (Army Cooperation) Squadron von RAF Hatfield Woodhouse in South Yorkshire aus eingesetzt wurde.
Der von Airfix im Jahre 2016 herausgebrachte Bausatz kann mit vielen Qualitäten punkten. Als erstes ist mir die hohe Passgenauigkeit der Teile angenehm aufgefallen. Airfix hat es auch wieder geschafft, den Baufortschritt in angenehmen und logischen Schritten zu organisieren. Zu ergänzen bleibt noch der Hinweis auf die befriedigende Detailfülle in den allermeisten Partien des Modells. Das Cockpit und die üppige Ausstattung des Drehturms sind da besonders hervorzuheben. Besonders schön ist, dass der Drehturm geöffnet dargestellt werden kann - das macht schon wirklich Freude!
Zu wenige Details gibt es andererseits im Fahrwerksbereich, hier sind die Teile auch teils entschieden zu grob ausgeführt. Besonders störend finde ich dabei die unangemessene Dicke der Fahrwerksklappen. Diesem Manko entsprechend habe ich hier auch alle Teile des „exterior“ Sets von Eduard verbaut. Hinzu kommen noch aus Kupferdraht gefertigte Bremsleitungen. Ätzteile zur Nachdetaillierung finden sich auch im Cockpit, weiters wurden die Läufe der Turm-MGs mit solchen aus Resin ersetzt.
Airfix liefert einen recht vollständigen Decalbogen, der auch eine angemessene Zahl an Wartungshinweisen und stencils bereitstellt. Diese sind, wie auch die größeren Schiebebilder, in hervorragender Qualität und versatzfrei gedruckt. Im Vergleich zu Produkten von Cartograph wird der Trägerfilm etwas dick erscheinen; allerdings tut dies ihrer Verwendbarkeit keinen Abbruch.
Airfix hat hier einen wirklich empfehlenswerten Bausatz dieses kraftvoll und schnittig wirkenden Meilensteins britischer Luftfahrtgeschichte gestaltet. Sowohl für den Einsteiger wie für den Fortgeschrittenen, der wohl die eine oder andere Nachdetaillierung spendiert, hält dieser Bausatz eine Menge Modellbauspaß und ein sehenswertes Endergebnis parat.
Wenn ihr euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt ihr hier zu einem Baubericht auf Scalemates. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at
Roland Sachsenhofer Publiziert am 27. Oktober 2017 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |