HMS Marlborough1922von Frank Spahr (1:600 Airfix)Das Vorbild
Die Iron-Duke-Klasse der Royal Navy umfasste vier Schiffe, die kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs in Dienst gestellt wurden und während des Konflikts an vorderer Front der britischen Schlachtflotte eingesetzt wurden. Verglichen mit der vorangegangenen King-George-V-Klasse waren die Schiffe etwas größer und verdrängten ca. 2000 Tonnen mehr. Ihre Hauptbewaffnung von zehn Geschützen des Kalibers 34,3 cm bzw. 13,5 Zoll entsprach den Vorgängern, während die Mittelartillerie zur Abwehr von Torpedobooten verstärkt wurde. Sie umfasste nun zwölf Geschütze des Kalibers 15,2 cm (sechs Zoll) verglichen mit sechzehn Geschützen des Kalibers vier Zoll. Augenfälligster Unterschied war die niedrigere Aufstellung dieser Mittelartillerie in Kasematten im Rumpf. Hier sollten sie sich als bei Seegang wenig oder gar nicht einsetzbar erweisen, was dem Erfolg und der Beliebtheit der Klasse jedoch keinen Abbruch tat. Das Typschiff HMS Iron Duke war vom Kriegsausbruch im August 1914 bis zum Januar 1917 Flaggschiff der Grand Fleet unter Admiral Jellicoe. Iron Duke erwies sich als das langlebigste der vier Schiffe. Benbow, Emperor of India und Marlborough wurden 1931/32, teils nach Verwendung als Zielschiff, zum Abbruch verkauft. Iron Duke hingegen wurde demilitarisiert und diente bis zum Ausbruch des zweiten Weltkriegs als Artillerieschulschiff. Im September 1939 wurde sie in Scapa Flow als Luftabwehr- und Depotschiff verankert, jedoch bereits im Oktober 1939 durch einen deutschen Luftangriff beschädigt und auf Grund gesetzt. Sie wurde kurzfristig gehoben, repariert und an einer anderen Stelle von Scapa Flow erneut auf Grund gesetzt. Dort blieb sie während des Rest des Krieges als Flakplattform. 1946 wurde sie auf Abbruch verkauft und in Faslane und Clydebank abgewrackt. Der Bausatz
1970 brachte Airfix in seiner Reihe von Schiffsbausätzen im Maßstab 1:600 die HMS Iron Duke heraus. Dieser ist der einzige Bausatz der Firma eines Schlachtschiffs aus dem ersten Weltkrieg geblieben. Der Bausatz der Warspite stellt diese nach ihrer großen Modernisierung in den 1930er Jahren dar. Der Bausatz ist zeitgemäß ausgeführt, mit eher groben und klobigen Details. So sehen z.B. weder die Geschützrohre der Hauptbewaffnung noch die Beiboote wirklich vorbildgerecht aus. Der Brückenaufbau ist im ganzen merkbar zu hoch geraten. Es wurde kein durchgehender Bauzustand nachgebildet, sondern eine Mischung aus diversen Bau- und Rüstzuständen. Alles in allem eine Basis für eine Verfeinerung. Die Firma White Ensign Models hat Ende der 1990er einen kleinen Ätzteilsatz zur Verfeinerung des Kunststoffbausatzes herausgebracht. Dieser enthält eine Sammlung sehr feiner Teile und auf einer zweiten Platine Relings, Leitern und Niedergänge. Die Anleitung dazu verweist auf den unklaren Bauzustand und empfiehlt eigene Recherche. Leider ist sie eher knapp und geht nicht auf alle Teile ein. Hier ist Eigeninitiative gefragt. Der Bau des Modells
Diesen Bausatz hatte ich als Kind nie gebaut; so war es eine neue Entdeckung für mich, als ich ihn mir vor ein paar Jahren kaufte, und ich muss sagen, ich war nicht besonders beeindruckt. Airfix hat Besseres geleistet, und die Schlachtschiffe des ersten Weltkriegs hatten es mir sowieso nicht besonders angetan. Trotzdem kaufte ich den Ätzteilsatz (um auch von diesem nicht besonders begeistert zu sein), und alles landete zuerst im allgemeinen Bausatzstapel. Nachdem ich mir die Neuauflagen der Bücher von R.A. Burt über die britischen Schlachtschiffe gekauft und gelesen hatte, sah ich den Bausatz jedoch mit anderen Augen und beschloss, ihn zu bauen. Zuerst wählte ich das Schiff und den Bauzustand aus, den ich nachbilden wollte, und verfiel auf HMS Marlborough im Januar 1922. Davon enthält der zweite Band von Burts Werk ein großes und detailreiches Foto vom Einlaufen in Malta, und dieses Foto sollte dann auch meine Hauptreferenz werden. Am Modell entfernte ich das Unterwasserschiff und baute die Rumpfhälften mit den Decks zusammen. Die Einsätze für die beweglichen Kasemattgeschütze wurden modifiziert, um die Geschütze später einbauen zu können. Die achterste Kasematte wurde mit Styrolrohrmaterial dichtgesetzt. Eben jenes Rohrmaterial benutzte ich auch für die Kasematten der Ersatzgeschütze. Es wurde mit einem kleinen Rohrschneider abgelängt, der sich bald als noch viel nützlicher erweisen sollte. Nach langem Herumsuchen suchte ich die gedrehten Rohre der Firma Master aus, die meinen Bedürfnissen am weitesten entsprachen. Das waren (jeweils im Masstab 1:700) britische 16-Zoll-Rohre, wie sie Nelson und Rodney trugen, und japanische 15,5 cm - Rohre. Parallel zur Arbeit am Rumpf wurde die Bewaffnung angegangen. An den schweren Türmen schnitt und feilte ich mir Aufnahmeplatten zu, die in die Türme passten und in die ich die gedrehten Rohre einkleben konnte. Bei den Kasemattgeschützen wurden die gedrehten Rohre in die zugeschnittenen Styrolrohre eingeklebt. Am Modell wurden zahlreiche überdimensionierte Löcher im Deck mit Styrolpfropfen verschlossen und die Nähte zwischen den diversen Bauteilen so gut es ging verschlossen. Die erhabenen Decksnähte litten beim Entfernen der klobigen angegossenen Bootsständer und beim Verschleifen der Pfropfen. Mit einem sehr groben Schleifstick brachte ich wieder etwas Struktur in die Oberfläche hinein. Die Schornsteine gefielen mir unterm Strich gar nicht und ich sah keinen Sinn, diese arbeitsreich zu versäubern. So entschied ich mich für den Versuch eines Neubaus. Ein erster Test aus Holzstäben passenden Durchmessers befriedigte mich nicht, so kaufte ich mir im Baumarkt passendes Messingrohr. Dieses ließ sich mit dem erwähnten Rohrschneider gut auf die richtige Länge bringen, und der Rohrschneider eignete sich auch zum Einbringen von Gravuren, die etwas Struktur in die Schornsteine brachten. Diverse geätzte Handräder der Firma Saemann ließen sich zu den unteren und oberen Abschlüssen kombinieren, teils mit ausgesägtem Innenleben. Weichgeglühter Messingdraht ließ sich zu passenden Ringen biegen. Die geätzten Schornsteingitter von WEM und Dampfrohre aus Polystyrolprofilen bzw. Messingdraht komplettierten den Neubau. Die erste Version der Schornsteine aus Holz mit den zusätzlich verwendeten Materialien Der Aufbau erforderte viel Arbeit und noch mehr Nachdenken. Ich musste die Kommandobrücke auf die gleiche Höhe mit den Schornsteinen bringen, den Bauzustand der Marlborough von 1922 soweit machbar nachvollziehen und alles feiner gestalten. Das führte zu einem deutlichen Korrekturaufwand, aber mir war klar, dass der Erfolg dieses Schrittes entscheidend für den Gesamteindruck des fertigen Modells werden würde, also nahm ich die Arbeit in Kauf. Praktisch alle Ebenen des Aufbaus wurden ausgedünnt, um in der Summe die passende Höhe zu erreichen. Klobige angegossene Schanzkleider wurden entfernt und ich war stets auf der Suche nach passenden Ätzteilen, um den Aufbau zu detaillieren. Das betraf besonders die markanten gerkümmten und gelochten Stützbleche unter der Kommandobrücke, aber auch die Abstützung des Fleckerstandes und natürlich die Schenkel des Dreibeinmasts, der weiter durch die Konstruktion hindurchpassen und sauber im Holzdeck verschwinden sollte. Zudem wurden Bullaugen neu gebohrt, geätzte wasserdichte Türen angebracht, nebenher der sichtbare obere Teil des gepanzerten Kommandostandes und der Feuerleitstand darauf komplett neu gebaut und zahlreiche geätzte Niedergänge möglichst passend gemacht. Die beiden Masten des Schiffs wurden aus konischem Messingdraht, Stahldraht und Ätzteilen neu gebaut. Am achteren Mast musste eine Scheinwerferplattform neu erstellt werden. Die Fußpferde der Rahen wurden aus dem sehr feinen 0,1 mm Draht von Albion Alloys erstellt. Dieser Draht erwies sich auch als nützlich für die Seile an den drei Bootskränen und die Verspannung der beiden prominenten Bootsdavits. 0,1 mm Draht passt gut für den Rahmen der Persenning.
Die Boote aus dem Bausatz sind über die Maßen grob und nicht gut nutzbar, wenn der Rest des Modells aufgewertet wird. Ich hatte mir kurz vor deren Geschäftsaufgabe noch Boote aus Resin von WEM bestellt. Ich bin mir nicht sicher, wie passend diese sind, sie waren aber das bestmöglich Erreichbare für mich. Neben diesen großen Beibooten nutzte ich übrig gebliebene - sehr feine - Boote von Kombrig. Die diversen Bootsspieren wurden aus Messingdraht erstellt und wo erforderlich mit dem erwähnten 0,1 mm Draht getakelt. Mittendrin entdeckte ich noch, dass die Marlborough auf dem mittschiffs gelegenen Turm Q noch 1922 eine Startplattform für Flugzeuge getragen hatte. Diese wurde aus einem passenden Ätzteil aus meinem Fundus gebaut, mit einer kleinen Unterkonstruktion aus Styrolprofilen. Das Schiff wurde mit Acrylfarben bemalt. Für das sehr helle AP 507 C an den vertikalen Oberflächen benutzte ich den entsprechenden Farbton von Coastal Craft /AKAN, der sich sehr gut verarbeiten ließ. Das Holzdeck wurde mit IJN Deck Tan von JPS (ich habe noch etwas davon), die meiner Einschätzung nach mit Linoleum belegten Flächen mit IJN Linoleum vom gleichen Hersteller bemalt. Das Holzdeck wurde durch unregelmäßiges Auftragen anderer Holzfarbtöne sowie ein leichtes Washing etwas charakterisiert und sollte einem gepflegten Holzdeck nahe kommen. Die Boote wurden auf Verdacht hin blau bemalt, das Innere der offenen Boote braun mit einem schwarzen Washing. Nach Bemalen der einzelnen Unterbaugruppen konnten sukzessive die Relings angebracht werden. Wo diese mit Segeltuch bespannt waren, wurde Weißleim benutzt und mit Deck Tan bemalt. Die große Persenning über der Kommandobrücke wurde aus einem Gerüst aus Ätzteilen und 0,1 mm Draht gebaut, das mit Weißleim bespannt wurde. Hierzu benutzte ich einen Pinsel mit exta langen Haaren, einen sogenannten Schlepperpinsel. Das Deck wurde bevölkert mit geätzten Figuren von Lion Roar. Die Takelung besteht aus dem ultrafeinen Caenis-Garn. Die zahlreichen Isolatoren wurden mit Weißleimtröpfchen angedeutet. Das Modell wurde nur sehr dezent gealtert, weil es sich um ein gut gepflegtes Schiff in Friedenszeiten nach einer Überholung handelte. Die Basis wurde nach meiner üblichen Methode in einer Trumpeter-Displaybox erstellt. Fazit
Alles in allem war es für mich ein spannendes und auch lehrreiches Projekt, bei dem ich ein paar neue Techniken erlernen konnte. Auch wenn es qualitativ hochstehende 1:700er Resinkits dieser Schiffe gibt, so ist doch meine Marlborough tatsächlich ein Einzelstück und mit allen ihren Schwächen - mein Werk. Ich möchte dieses Modell den Leuten hinter der Firma WEM widmen. Seit ich 2005 wieder begann, Schiffsmodelle zu bauen, haben sie persönlich und ihre Produkte mir ständig und vielfach dabei geholfen, Spaß an diesem Hobby zu haben. Vielen Dank dafür, ich vermisse WEM und das Team von WEM. Frank Spahr, Februar 2015 Frank Spahr Publiziert am 20. Februar 2015 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |