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Blick in die Vergangenheit

von Frank Spahr (1:35 verschiedene Hersteller)

Blick in die Vergangenheit

Ein Bauernhof irgendwo in Deutschland heutzutage. Die traditionelle Landwirtschaft lohnt sich nicht mehr, viele Höfe werden aufgegeben. Ackerland verschwindet unter Neubaugebieten, die Gebäude finden neue Besitzer, vieles wird abgerissen oder umgebaut. Stellen wir uns mal vor, jemand kauft einen Bauernhof und macht Bestandaufnahme. Er schaut in jeden Raum und hinter jede schon lange nicht mehr geöffnete Tür. Vielleicht ist er selbst ein Bauer, vielleicht aber auch ein Stadtmensch mit Lust auf das Landleben. Vielleicht steht dem Hof eine neue Karriere als Biohof bevor, vielleicht aber auch eine Sanierung für Wohn- oder Ferienzwecke. Wer weiß. Jedenfalls räumt er irgendwann einen schrottreifen Pferdewagen zur Seite und findet dahinter ein Scheunentor, das schon seit Ewigkeiten niemand mehr geöffnet hat. Er setzt den Bolzenschneider an, der Torflügel öffnet sich widerstrebend. Staubteilchen flirren im Sonnenlicht, das ins Innere dringt, und etwas sehr Großes und Massiges wird sichtbar, das fast den ganzen Raum ausfüllt. Unser Mann zwinkert, hält sich am Torflügel fest und fragt sich, was er da entdeckt hat ...

Blick in die Vergangenheit

Ich werde mehr und mehr zum modellbauerischen Allesfresser. Nach einer ganzen Menge an Flugzeugen habe ich wieder mit Schiffen angefangen und arbeite mich zu den kleineren Maßstäben vor, und nun geht es auch noch mit Dioramen los. Teile der Wirklichkeit glaubhaft nachzubilden ist eine Kunst, die zu erlernen mir großen Spaß macht und für mich einerseits Entspannung und andererseits eine Übung in Fantasie, Feinfühligkeit und Durchhaltevermögen ist.

Ich werde mich wohl nie so spezialisieren wie viele, die über bestimmte Gebiete alles wissen, was es dort zu wissen gibt. Das macht mir persönlich nicht den größten Spaß, und deshalb werden die Details bei mir niemals perfekt sein. Mir geht es eher um den Spaß an der Sache.

Bis auf zwei 1:35er Leopard-Panzer habe ich seit Schulzeiten keine Militärfahrzeuge gebaut; erst im letzten Sommer passierte es: Vor der Tür des Modellbauladens „um die Ecke“ steht immer ein Drahtkorb mit Sonderangeboten. Ich wollte an diesem Tag eigentlich nur eine Dose Farbe kaufen, aber schließlich verließ ich den Laden mit einer Mirage III, dem alten Matchboxbausatz der HMS Kelly in 1:700, einer Airfix Auster Antarctic und dem Halbkettenfahrzeug Sd.Kfz 10 von Revell in 1:35 – und der Drahtkorb war deutlich leerer.

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Ziemlich bald legte ich mit dem Halbkettenfahrzeug los; es war ein unkomplizierter Bau ohne größere Passungsprobleme. Spachtel habe ich praktisch gar nicht benutzt, und ich konnte einen Großteil vor dem Bemalen montieren. Die diversen Laufräder habe ich natürlich vorlackiert, um die Gummibeschichtung wiederzugeben. Ich habe die Räder auf Zahnstocher in einem Styroporblock montiert und mit Schablonen gespritzt. Den Kettenantrieb habe ich in zwei Baugruppen vormontiert und erst nachher am Fahrzeug befestigt. Die Arbeit mit den Kettensegmenten war für mich der schwierigste Schritt. Die Kette lag in unterschiedlich großen Segmenten als ein gutes Dutzend Spritzgußteile je Seite bei; diese wurden vorlackiert und mit CA-Kleber befestigt, was nicht ganz ohne Probleme abging. Ich hatte die Kettensegmente mit Model Master Stahl Metalizer gespritzt und mit Ölfarbe trockengemalt, ähnlich wie ich es bei einem Flugzeugauspuff tue, nur erheblich dezenter. Die Lackierung des Fahrzeugs erfolgte locker an eine der Vorgaben des Bausatzes angelehnt, mit einer sandgelben Grundfarbe und grünen Flecken. Das eine oder andere Schattieren mittels Airbrush folgte, ebenso wie ein Washing mittels verdünnter schwarzer Wasserfarbe, der ich etwas Spülmittel beigemischt habe, um die Oberflächenspannung herauszunehmen. Verschmutzungen wurden zuerst mit Pastellkreide aufgebracht und schließlich mit einem Mattlack versiegelt.

Nun stand mein Halbkettenfahrzeug vor mir. Ich habe darauf verzichtet, das Verdeck zu benutzen; das Bordwerkzeug und die Benzinkanister wurden nicht eingebaut, denn mittlerweile hatte ich schon die Idee, wie ich das Fahrzeug präsentieren wollte

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Ich hatte irgendwo im Netz die Geschichte eines Sonderlings in den USA oder Kanada gelesen, der nach dem Krieg Unmengen an überzähligem Kriegsmaterial aufgekauft hatte und seine Farm damit vollgestopft hatte. Und in meiner früheren Stammkneipe hingen Poster aus der Reihe „Sleeping Beauties“ von klassischen Pkw´s, die ebenso in einer Scheune vor sich hin staubten. Und zu meinen Studentenzeiten kannte ich einen älteren Bauern, der behauptete, er habe sein privates Waffenlager irgendwo auf dem Hof oder im Wald versteckt - „für alle Fälle!“ Irgendwie kamen alle diese Bilder zusammen, und ich entschloß mich, einen Scheunenfund zu bauen.

Dafür war natürlich das eine Halbkettenfahrzeug etwas zu wenig; also besorgte ich mir nach längerem Brüten vor dem 1:35er Regal im Laden ein deutsches Motorrad von Tamiya sowie Zubehörsätze von Italeri und Academy, die allerlei Feuerwaffen, Werkzeug, Kanister, Kisten und Kästen sowie Fässer enthielten.

Als nächstes verschmutzte ich das Halbkettenfahrzeug; ich benutzte dazu feines Erdpulver aus meinem Garten. Nach dem Trocknen ging ich nochmals mit verschiedenen passenden Farbtönen aus der Airbrush über das Modell.

Das Motorrad wurde aus dem Kasten gebaut und erhielt einen dreifarbigen Anstrich – sandgelb mit grünen und rostroten Tupfen. Die Ledertaschen wurden mit Künstlerölfarben bemalt und gefielen mir nachher sehr gut.

 

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Nachdem ich diese zwei Fahrzeuge hatte, wurde die Frage nach einer passenden Figur immer aktueller. Ich habe lange und intensiv nach einem modernen Bauer gesucht, aber im Militärmodellbereich nichts passendes gefunden. Schließlich fand ich im Spielzeugladen einen Plastikbeutel mit Spielfiguren der Firma Siku, und in diesem war ein Bauer enthalten, ziemlich grob modelliert und aus Vinyl, aber besser als nichts.

Als Grundplatte nahm ich ein Frühstücksbrett von IKEA aus Birke. Auf diesem baute ich meine Fahrzeuge und die Figur auf und erstellte mir ein Modell der benötigten Mauern aus schwarzem Karton, um einen Eindruck von den Abmessungen und Proportionen zu bekommen.

Blick in die Vergangenheit

Schwierigkeiten machte mir der Bereich vor dem Tor. Ich wollte andeuten, daß dieses Tor lange Zeit versperrt war. Ursprünglich fiel mir ein, daß ich Büsche oder junge Bäume zeigen könnte, die davor gewachsen waren und die unser Bauer nun mit der Kettensäge beseitigt hatte. Das hätte so richtig nach Dornröschen oder auf englisch „Sleeping Beauty“ ausgesehen. Moderne Prinzen nehmen vermutlich Kettensägen. Nun, eine Kettensäge hätte ich bauen können, aber der Rest? Frische Baumstümpfe, frisch gefällte Bäume, Laub? Also, davor habe ich gekniffen. Ich vertagte die Entscheidung einfach und baute als nächstes die Wände.

Hierzu benutzte ich epafit-Karton, den es im Architektenbedarf gibt. Die Einzelteile wurden mittels der Kartonschablonen meines „Mock-up“ zugeschnitten und vom Karton befreit. Ich entschloß mich, daß meine Scheune ein Bruchsteinfundament besitzen sollte und ansonsten gemauert, von innen verputzt sein sollte. Was den Realismus und die Vorbilder angeht, habe ich mir da alle Freiheiten erlaubt. Ich gravierte das Material mit einem X-ACTO Nr. 11 und zwar mit der Rückseite der Spitze, so wird das Ergebnis ungleichmäßiger und realistischer. Bei den einzelnen Lagen der Backsteine benutzte ich ein Lineal, ansonsten arbeitete ich frei Hand. Die Einzelteile wurden mit UHU por verklebt und an der Zeichnung auf dem Grundbrett ausgerichtet. Die Bemalung erfolgte mittels Airbrush mit allen möglichen Farbtönen, die mir passend erschienen. Das Material nimmt sehr viel Farbe auf, und es ist auch möglich, durch unterschiedliche Spritzwinkel Effekte zu erzielen. Teilweise wurde auch mit dem Pinsel gemalt. Es waren zahlreiche Arbeitsgänge, in denen ich mich ziemlich instinktiv verhalten habe, um dem Bild, das ich im Kopf hatte, nahe zu kommen.

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Als nächstes wandte ich mich dem Boden zu. Hier hatte ich ursprünglich mit irgendeinem plastischen Material arbeiten wollen, entschied mich dann aber auch für epafit, weil ich das für unkomplizierter und sauberer hielt. Der Bereich vor der Scheune erhielt ein grobes Pflaster, der Innenraum einen Lehmboden und die beiden Nebenräume erhielten einen Backstein- bzw. einen Kieselboden (ich wollte es eben mal ausprobieren, deshalb die unterschiedlichen Strukturen). Der Boden wurde ebenso eingefärbt und schattiert, und ich konnte aus Kiefernleisten das Balkenwerk zusammenbauen. Das Holz wurde ebenso „alt“ gespritzt.

Die Scheunentore wurden aus Balsaholzleisten zusammengebaut und mit CA verklebt. Die Scharniere entstanden aus 0,3 mm Zinnfolie, die sich gut zuschneiden und auch prägen läßt. Bei der Lackierung des Holzes verwandte ich Grün- und Grautöne, um altes und verwittertes Holz wiederzugeben.

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Etwa zu dieser Zeit löste ich das Problem mit dem Bereich vor der Scheune. Ich hatte irgendwo einen völlig vergammelten alten Pferdewagen gesehen und beschloß, einen solchen vor die Scheune zu stellen. Nach erfreulich kurzer Suche fand ich den Bausatz von Italeri, der einen offenen und einen geschlossenen Pferdewagen nebst Pferden, Kutschern und Ladung enthält. Dieser wurde unkompliziert aus der Schachtel gebaut und heftig gealtert.

Einige Zeit zuvor hatte ich ein Zweikomponentenmittel zur Rosterzeugung gekauft. Mittel A ist eine Eisenpigmentfarbe, die man auf den gewünschten Bereich aufträgt und gut trocknen läßt.

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Mittel B ist ein sehr aggressives Oxidationsmittel, vielleicht Salzsäure oder etwas ähnliches, das man – am besten mit Handschuhen, liebe Kinder zu Hause vor den Bildschirmen ;-) – auf A aufträgt, wonach sich der Rost bildet. Man kann den Oxidator auch mehrmals auftragen, je nach der gewünschten Intensität des Effekts. Ich hatte zu der Zeit zwar mit meinem eigenen Rost (aus Stahlwolle, die man in Wasser legt) experimentiert, benutzte dieses Mittel aber trotzdem, und es funktionierte sehr gut. Bald waren alle Metallteile des Wagens übelst verrostet.

Blick in die Vergangenheit

Blick in die Vergangenheit

Mein Bauer wurde etwas umgebaut, er verlor seinen Ständer und den krummen Spaten, den er trug. Danach bemalte ich ihn mit Acrylfarbe neu. Nachdem ich ihn mit Future überzogen hatte, schattierte ich ihn etwas mit Ölfarben. Eine Schicht Flat Future beendete die Minimal-Bemalung.

Das geschah an dem Tag, an dem ich schließlich alles zusammensetzte. Ich klebte die epafit-Teile mit Weißleim zusammen und bestreute die Klebewinkel mit Erdpulver, um die Übergänge harmonischer zu gestalten, ich setzte die Fahrzeuge (die ich mit der Airbrush heftig verstaubt hatte) hinein, befestigte das Holzwerk und die Türen, und schließlich fanden die ganzen Kleinteile ihren Platz. Auf die Schnelle baute ich noch einen groben Tisch und zwei Regalbretter für das eine Nebengelaß und klebte die Mengen an Waffen und Munition und Ausrüstung ein. Es sollte so aussehen, als habe jemand alles an herrenlosem Material, dessen er habhaft werden konnte, zusammengetragen, ohne konkret zu wissen, was er damit anfangen wollte – und es schließlich vergessen oder die Augen davor verschlossen.

Über das Ganze wurde noch feiner Schmutz verstreut, und feine Hanfschnipsel als Stroh verteilt. Etwas mehr Staub und Dreck aus der Airbrush beendeten die Arbeit. Die Basis wurde ringsum mit Holzöl behandelt, und das war´s.

Wie schon Lehrer Bömmel in der „Feuerzangenbowle“ sagte: Wat lernt uns dat? Ich hatte eine Menge Spaß an diesem Projekt, und ich habe auch das Empfinden, etwas dabei gelernt zu haben. Es war neu für mich, mir über Kompositionen und Blickwinkel Gedanken zu machen, zu versuchen, eine Situation oder eine kleine Geschichte deutlich zu machen, ein stimmiges Farbkonzept zu erreichen. Ich hatte noch nie mit Rost oder Hanf oder epafit gearbeitet, und mit vielen anderen Dingen auch noch nicht. Es wird bestimmt nicht mein letzter Versuch in Sachen Diorama bleiben, mal sehen, was die nächste Idee ist, die aus dem Unterbewußtsein heraufkommt.

Blick in die Vergangenheit

Februar 2005 – Frank Spahr dr.frank.spahr@freenet.de

Die benutzten Bausätze sind:

Revell DEMAG 1 t ZgKw D7 (Sd.Kfz.10) #03039 Tamiya MM 241 German Motorcycle Orderly Set Italeri German Horse drawn Convoy Kit #6437 Italeri Accessories Kit #407 Academy Allied & German Tank Supplies Set I # 1382

Alle im Maßstab 1:35

Blick in die Vergangenheit

Frank Spahr

Publiziert am 20. März 2005

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