Antonow An-2 Coltvon Bernhard Pethe (1:72 Bilek)Das Original:Wenn man sich seit frühester Jugend mit der Fliegerei beschäftigt hat und in der Luftfahrt tätig war, kommt man eines Tages zu dem Schluss: Es gibt Flugzeuge, die sind wie Lebensgefährten! Mit dem kräftigen Motorengeräusch des ASch-62 ist man aufgewachsen, hat gute und schlechte Zeiten durchlebt und ist mittlerweile in die Jahre gekommen. Einer meiner Wegbegleiter ist die Antonow An-2. Man nennt sie liebevoll „Anna“, geschuldet ihrer gutmütigen Flugeigenschaften, ihrer Robustheit, ihrer Zuverlässigkeit und ihrer Variabilität. Man freut sich, dass man sie noch heute auf diesem und jenem Flugplatz wieder trifft, dass nach 50 Jahren der elektrische Schwungradanlasser immer noch seinen Dienst versieht. Die Antonow An-2, Urgestein russischer Ingenieurskunst, mit 18 Meter Spannweite immer noch größter fliegender einmotoriger Doppeldecker der Welt, hatte bereits am 31. August 1947 ihren Erstflug. Genau betrachtet und technisch besehen ist es ein Anderthalbdecker, dessen Design speziell auf ein Landwirtschaftsflugzeug mit einer besonderen Wendigkeit und guten Langsamflugeigenschaften zugeschnitten wurde. Als die Serienproduktion 1948 im Flugzeugwerk Nr.473 in Kiew- Swietoschina anlief, konnte Oleg Konstantinowitsch Antonow noch nicht ahnen, dass bis zum heutigen Tag schätzungsweise 18.000 Flugzeuge die Produktionshallen verlassen würden und er damit eine „Luftfahrtlegende“ geschaffen hatte. Während in Kiew nur 3480 Maschinen vom Band liefen, wurde der Hauptanteil aller An-2 in Polen produziert. So verließen bis 1991 hier 11.881 Maschinen die Werkshallen von PZL/WSK in Mielec. In China wurde die An-2 in zwei Werken unter der Bezeichnung Fongschou-2 und Junshuji Jun-5 in über 1200 Exemplaren gebaut. Allein in der damaligen Sowjetunion standen über 15.000 Flugzeuge im militärischen und bei der Aeroflot im Dienst. Vom Nordpol bis Sibirien, ob Wüste ob Schnee, eine Anna fand immer einen Landestreifen. Sie war und ist es noch immer, das „Buschflugzeug“ schlechthin. Ein konkretes Eingehen auf die weitere Entwicklungsgeschichte, die technischen Möglichkeiten und die Typenvielfalt der AN-2 erspare ich mir an dieser Stelle und verweise auf die Literaturangaben am Ende dieses Beitrages. Das Modell:Der erste Eindruck beim Öffnen des Bilek/Italeri- Kits war dann aber doch schon sehr ernüchternd. Das Modell und dessen Bauteile entsprechen zwar dem Maßstab 1:72 sehr genau, lassen aber in vielen Details Ungenauigkeiten zu oder erstere ganz vermissen. Ich bin mir heute auch sicher, ohne die drei Fotoätzteilsätze der polnischen Firma PART, hätte ich die Herausforderung nicht angenommen. Es ist einfach unverständlich, warum die prägnanten Sicken der automatischen Vorflügel an den oberen Tragflächen im Formenbau nicht berücksichtigt wurden. Oder, warum der Spant 6 die Cockpitrückwand sein soll, obwohl es im Original der Spant 5 ist. Das gleiche Manko haben übrigens auch die Bausätze von Trumpeter. Im Zuge der Arbeiten am Rumpf wird mit ein paar Kunstschnitten die Rumpfunterseite zwischen Cowling und unterer Tragfläche in die richtige Form gebracht. Das Anpassen und Einarbeiten der Ätzteile von PART ist zwar zeitaufwendig, macht aber trotzdem Spaß, da die Teile sehr gut passen. Nach meinen Erfahrungen würde ich PART qualitätsmäßig noch über den Erzeugnissen anderer Hersteller ansiedeln. Zur sauberen Verarbeitung gibt es heutzutage jede Menge teuren Schnickschnack zum Biegen und Anpassen solcher Teile. Eine feine Flachzange mit glatten Innenflächen reicht vollkommen aus. Selbstschließende Pinzetten und Sekundenklebstoff vereinfachen das Arbeiten mit diesen Blechteilen ungemein. An der linken Rumpfseite wird die Frachtraumtür sauber herausgetrennt. Das passende Gegenstück gibt es von PART. So steckt schon eine Menge Detailarbeit beim Aufbau des Cockpits und des Frachtraumes im Rumpfinneren, bevor die Rumpfschalen verklebt werden können. Nebenher wurde auch der obere Tragflügel mit Ätzteilen aufgewertet. Dabei war das Biegen der Vorflügel eine aufwendige Angelegenheit. Die im Bausatz falsch dargestellten Landescheinwerfer am unteren Tragflügel mussten korrigiert werden. Und wenn man dann schon einmal dabei ist, wurden die Höhenruder und das Seitenruder abgetrennt. Am rechten Höhenruder gibt es kein Trimmruder, dies muss verspachtelt werden. Auch die Ruderaufhängungen wurden an die richtige Position gebracht. Beim Ankleben der oberen und unteren Tragflügel ist unbedingt auf die richtige Symmetrie zu achten. In diesem Abschnitt (Rumpf/Flügel) stehen dann auch die meisten Spachtelarbeiten an. Am Original häufig gesehen, die geöffnete Triebwerkshaube, das könnte man doch auch gleich ... So ein Gedanke ist schnell gedacht, die bauliche Umsetzung verschiebt den Rollout um weitere Wochen. Von Engines & Things (Kanada) gab es eine sehr schöne Resin- Replik des Asch-62, der als Ausgangspunkt für mein Vorhaben diente. Der Abgassammler ist ein Stück gebogenes Lötzinn mit dem richtigen Querschnitt. Alle anderen Teile, auch zur Vervollständigung des Brandschotts, wurden „scratch“ gebaut. Im Maßstab 1:72 kein leichtes Unterfangen. Den passenden Propeller (W509 D7) für meine frühe Variante der AN-2 fand ich als Resinteil im Vaku- Bausatz von Frank- Modellbau. Die meisten Kopfschmerzen bereitete mir die Cockpithaube. Hier habe ich alles getestet was der Markt so hergibt. Das Problem, das bis zum jüngsten Tag kein Hersteller befriedigend lösen konnte, ist die originalgetreue Wiedergabe der Cockpithaube der AN-2. Wegen der Hinterschneidung der Seitenscheiben wäre das Teil als Spritzgussteil nur mit enormen Formenkosten akzeptabel herstellbar. So ist die Cockpithaube aus dem Kit sehr dick geraten und muss aus fünf Teilen zusammengesetzt werden. Keine überzeugende Lösung. Gerade noch akzeptabel ist die Vakuhaube von NEOMEGA. Nun befindet sich auf der PART- Platine 72-060 ein Cockpitrahmen, der wurde von mir erst einmal zu Testzwecken zusammengebaut und verlötet. Beim Anpassen am Modell stellte sich schnell heraus, es passt optimal und kommt dem Vorbild unwahrscheinlich nahe. Ja klasse, denke ich, aber wie nun die Scheiben in die Haube bekommen? Zugeschnittene Scheiben aus einer Folie machten mir schnell die Sinnlosigkeit meines Unterfangens klar. Es musste eine bessere Lösung geben. Es gab sie. Als Jugendlicher habe ich schon Flugmodelle gebaut, also Modelle die richtig fliegen. Ein Erfahrungsschatz der mir jetzt zu gute kam. Farbloser Spannlack hieß die Wunderwaffe, Spannlack von Graupner. Doch bis es zu einem brauchbaren Ergebnis kam, mussten einige Testreihen absolviert werden. Der Spannlack wird mit Azeton verdünnt. Die richtige Konsistenz musste ausprobieren werden. Nachdem ich dies herausgefunden hatte, wurde das Rahmengestell silber gespritzt. Mit einer selbstschließenden Pinzette wird der Kanzelrahmen in den Spannlack eingetaucht und nach dem Herausnehmen lässt man den Lack über eine Seite abtropfen. Innerhalb weniger Stunden ist der Lack glasklar ausgehärtet. Diese Methode hat aber nur Sinn, wenn man kleine, ebene Scheiben hat. Gewölbte Scheiben und Hauben lassen sich so nicht herstellen. Nach der gleichen Methode werden auch die Scheiben in die seitlichen Schiebefenster eingesetzt. Das Schöne an diesen hauchdünnen Scheiben, man hat einen exzellenten Einblick in das sehr gut detaillierte Cockpit. Ein Nachteil, die Scheiben sind gegen mechanische Einwirkungen zu schützen. Kritisch wurde es noch einmal beim Maskieren. Aber was soll ich sagen, der dünn aufgetragene Humbrol- Maskierfilm konnte ohne Beschädigung der Scheiben abgezogen werden. Nachdem diese Klippe umschifft war, gingen die restlichen Arbeiten dann doch zügiger von der Hand. Um gleichmäßige Ruderspalten und eine gewisse Festigkeit der Teile zu garantieren, mussten alle Ruder und Landeklappen mit je zwei Drahtstiften stabilisiert werden. Erst danach wurden die außen liegenden Ruderscharniere angeklebt. Umgebaut und in die entsprechende Form gebracht wurden der Ölkühler, die Abgasanlage und das Spornradfahrwerk. Es ist also sehr viel Nacharbeit angesagt. Ohne Mehrarbeit geht es dagegen bei der Anna- typischen Flügelverspannung ab. Hier hat PART die Optik vom Original sehr gut getroffen. Zur Farbgebung:Viel Zeit zum Nachdenken über das endgültige Outfit meiner Anna hatte ich ja, und trotzdem ist es mir schwer gefallen, mich für eine Variante zu entscheiden. Von Anfang an war die Auswahl auf eine deutsche Anna beschränkt. Aber auch hier zu Lande flog die Anna in ca. 40 verschiedenen Bemalungen. Die Decalbögen aus den Bausätzen waren für mein Vorhaben nicht zu gebrauchen und sind es für deutsche Annas überhaupt nicht. Das Modellbaustudio Rhein- Ruhr aus Essen bietet eine AN-2 Sonderedition unter dem Label „Classic Plane“ an. Hier gibt es eine AN-2 der Air Albatross, „Red Baron” D-FKMC u. „Baronesse“ D-FONE, sowie drei unterschiedliche INTERFLUG Markierungen (DDR-SKA, DDR-SKG, DM-SKX). Hi Decal Line hat auf seinem Bogen 72-046 neben fünf ausländischen auch drei NVA- Maschinen im Angebot. Letztendlich habe ich mich für die „845“ entschieden. Sie ist ein optisch schöner Kompromiss aus ziviler und militärischer AN-2. Diese Maschine kam 1957 zur Deutschen Lufthansa der DDR und wurde im April 1958 an die NVA übergeben. Hier flog sie nur kurze Zeit mit diesem Anstrich bei der Transportfliegerstaffel 27 in Dresden, bevor sie ein grünes Tarnkleidchen bekam. Zur Anwendung kam dann XTRACOLOR X 252 RAL 9006 Weißaluminium. Nur ein paar Rumpfpaneele wurden mit ALCLAD noch einmal nachbehandelt. Die Decals passen sehr gut, wenngleich der Trägerfilm etwas spröde war und mir der blaue Ziersteifen mehrmals gebrochen ist. Eine Nachbehandlung der Decals mit Mattlack ist notwendig Quellen
Bernhard Pethe Publiziert am 09. Juli 2006 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |