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Kugelpanzer - „What if“ oder „If what“?

von Thomas Ehrensperger (1:35 Das Werk)

Kugelpanzer -  „What if“ oder „If what“?

Die ungewöhnliche Form des Fahrzeugs in Kombination mit einem verkaufsfördernden Angebot ließen mich zugreifen: einen Bausatz bezahlen, zwei bekommen – macht bei dem Doppelbausatz von Das Werk (in Kooperation mit Amusing Hobby) vier rollende Plastikkugeln (Link Kit-Besprechung auf MV).

Vom schönen Deckelbild angeregt, schwebte mir zuerst eine Werkstattszene vor: z.B. in der Lehrwerkstatt eines Rüstungsbetriebs (Ausbildungsprogramm: Rundbiegen von 5 mm Stahlblech). Allerdings ließen mich die japanischen Decals mein Vorhaben schnell ändern.

Kugelpanzer -  „What if“ oder „If what“?

Kugelpanzer -  „What if“ oder „If what“?

Der Bau ging einfach, schnell und problemlos von der Hand, bis auf die Antriebsräder. Wie alle Rezensenten unisono betonen, ist die einzige Stolperstelle des Bausatzes der zweiteilige Aufbau der Antriebsräder. Die Klebefuge scheint immer sichtbar zu bleiben, wenn man sie nicht mit einer Schlammschicht oder ähnlichem wegtarnt. Die Alternative für ein akzeptables Erscheinungsbild bestand darin, die beiden Hälften mit hohem Druck zu verpressen, die Nahtstelle mit einem dickflüssigen Kleber zu bearbeiten und nach dem Trocknungsprozess mit einem Glasradierer aus dem Grafikbedarf zeitaufwändig die Flächen und Kanten anzugleichen. Den Rest sollte der Einbau ins Diorama erledigen.

Kugelpanzer -  „What if“ oder „If what“?

Schön sind auf alle Fälle die dem Bausatz beigefügten Abziehbilder, besonders die japanischen. Das kaiserliche Chrysanthemensymbol auf der Welle ist eine gute Wahl, findet man es im Japan des Zweiten Weltkrieges auf Untergründen aller Art, vom U-Boot-Turm bis zum Flugzeugleitwerk. Es zierte aber genauso das Stirnband einer Fabrikarbeiterin wie die Sake-Tasse eines Kamikaze-Piloten. Man kann die symbolische Bedeutung der Chrysantheme in Japan mit dem Wappen-Adler in den meisten europäischen Staaten vergleichen, ziert sie doch auch den Reisepass der Japaner des 21. Jahrhunderts. Aber das Symbol steht auch für so etwas wie Selbstaufopferung. Wenn man den Kugelpanzer betrachtet, kann man diese Assoziation bei dem Gebilde durchaus bekommen. Als What-If-Projekt haben die Kugelpanzer bei mir dann auch einen experimentellen Anstrich bekommen und warten nun auf ein Diorama, das ihre Erprobung bei der Panzerschule von Chiba zeigen soll.

Kugelpanzer -  „What if“ oder „If what“?

Geschichte, Legende oder Kolportage?

Am Kugelpanzer, vermeintlich deutscher Herkunft, scheiden sich die Geister. So gibt es Befürworter der Existenz des Fahrzeuges, andererseits Skeptiker, die den Apparat sogar für einen sowjetischen Fake halten, quasi eine potemkinsche Kugel (Anmerkung 1).

Zum Ausgangspunkt: Im Moskauer Panzermuseum Kubinka steht als „Exponat Nr. 37“ ein Exemplar eines Fahrzeugs, das 1945 in der Mandschurei von sowjetischen Streitkräften erbeutet worden sein soll. Doch wie kam es von Deutschland nach Japan? Fragen und Widersprüche bestimmen das Bild. Vieles verliert sich in den Nebeln von was auch immer. Historische Fakten: Fehlanzeige. Fotos im Netz – mit deutschen Soldaten – sind als bearbeitet erkennbar. Auch an die Fahrphysik im Gelände und an einfachste Panzerabwehrmaßnahmen mag man erst gar nicht denken … immerhin ist es erstaunlich, was man alles zu wissen glaubt, wie z.B. dass der Kugelpanzer von einem Einzylinder-Zweitaktmotor angetrieben worden sein soll. Bei dem einen Autor war er 8 km/h langsam, in einem anderen Fall wird die Höchstgeschwindigkeit mit 50 km/h angegeben. Was stimmt nun? Wir wissen es nicht, heute ist das Exponat Nr. 37 eine leere Hülle, motorlos: 0 km/h. Metallurgische Untersuchungen an der Fahrzeughülle sind verboten, lässt uns ein britischer Autor wissen (Anmerkung 2).

Kugelpanzer -  „What if“ oder „If what“?

Manchmal liest man, dass der Apparat von Krupp aus Essen stammen soll. Stichhaltige Belege ließen sich bislang dafür nicht vorlegen – oder sind noch unentdeckt. Vorsichtigere Zeitgenossen relativieren die Herkunft von Krupp durch Attribute wie „vermutlich“ oder lassen die Herkunftsangabe ganz weg. Aber warten wir einfach mal ab, was die Zukunft noch bringt. Vielleicht kann man ja eines Tages das einzig erhaltene Exemplar - eine motorlose Fahrzeughülle - untersuchen und Alter und Herkunft des Stahlblechs bestimmen, das heute noch handelsüblich ist.

Kugelpanzer -  „What if“ oder „If what“?

Was bleibt?

Ein ungewöhnliches What-If-Modell mit tollen Decals, das nicht wie üblich von Plänen oder einem Modell im Maßstab 1:1, sondern von einem Museumsexponat abstammt - nicht mehr und nicht weniger.

Übrigens: Nach Auskunft von Akira Takizawa, der seit Jahren zu Panzerthemen auf Englisch und Japanisch publiziert, weiß man von der Existenz eines Kugelpanzers in der japanischen Fachliteratur nichts. Aber es gibt ja noch die Variante, dass die „Kugel“ in der Heeresversuchsanstalt Kummersdorf südlich von Berlin erbeutet worden sein soll.

Kugelpanzer -  „What if“ oder „If what“?

Anmerkungen:

Anmerkung 1:

Unterschiedlich, teilweise widersprüchlich erscheinen die Angaben von Wikipedia in der deutschen und der englischen Fassung:

Anmerkung 2:

Thomas Ehrensperger

Publiziert am 22. Juli 2025

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