Messerschmitt Me 209 V1von Roland Sachsenhofer (1:72 Special Hobby)
755,138 Stundenkilometer sind eine beeindruckende Geschwindigkeit - und jene Flugleistung, mit der die hier abgebildete Me 209 V1 am 26. April 1939 einen Geschwindigkeitsweltrekord aufgestellt hat, sollte bis zum Jahr 1969 halten.
Am Steuer dieser fragilen und schwer zu fliegenden Rennmaschine befand sich dabei Flugkapitän Fritz Wendel, von dem übrigens überliefert ist, dass er dieses Hochleistungsflugzeug mit den wenig schmeichelhaften aber recht eindeutigen Worten „böses kleines Biest“ kommentiert hat.
Dieser Weltrekordflug war der Kulminationspunkt eines Rennens ganz anderer Art: als eifrig selbst antreibende Rädchen im Getriebe der NS-Propaganda und der Aufrüstung Deutschlands lieferten sich die großen Flugzeughersteller ein permanentes Rennen um Profit, Ansehen und politischen Einfluss.
Für den ehrgeizigen Willy Messerschmitt wurde es dabei spätestens Ende 1937 eng, nachdem bekannt geworden war, dass Ernst Heinkels He-100 die Bf 109 in Sachen Geschwindigkeit auf einen hinteren zweiten Platz verwiesen hatte. Das Messerschmitt Projekt „P.1059“, aus der sich dann die Me 209 entwickeln sollte, stellte die Antwort auf diese bedrohliche Herausforderung dar.
Im Unterschied zur serientauglichen He 100 war die Me 209 jedoch von Anfang an als Rekordflugzeug ausgelegt. Ein Blick auf das Aussehen wie auf die technische und aerodynamische Auslegung macht dies schnell klar: eine fehleranfällige Oberflächenkühlung, die unter Verlust des verdampfenden Kühlmittels nur eine in Minuten zu messende kurze Flugzeit zuließ, sorgte zwar für effizienteste aerodynamische Formen, hätte aber jede Serienfertigung erschwert und eine feldmäßige Verwendung verunmöglicht. Der kompromisslosen Jagd nach Geschwindigkeit war auch das extrem klein gehaltene Seitenleitwerk geschuldet, das jeden Flug mit der Maschine zu einem gefährlichen Abenteuer machte.
Die gezeigte aerodynamische Raffinesse, gepaart mit wohl platzierter politischer Einflussnahme sicherte Messerschmitt jedenfalls nicht nur den prestigeträchtigen Titel des Geschwindigkeits-Weltrekords sondern sicherte auch die Weiterführung des schon angelaufenen Serienbaus der Bf 109 als neuen Standardjäger der Luftwaffe.
Special Hobby bietet seit 2018 diesen Bausatz an, der in gepflegtester „short run“ Manier gehalten ist. Die Bauteile glänzen mit guter Passgenauigkeit und sauberem, gratfreien Guss. Eine gewisse Klobigkeit der Teile haben mich in manchen Bereichen dazu geführt, zum Schleifpapier zu greifen: so wurden alle Flächenhinterkanten „geschärft“, ebenso mussten die Fahrwerksverkleidungen ein wenig Materialstärke abgeben.
Ein wirklich großes Thema war die Einbindung des Klarsichtteiles in die Rumpfkontur. Hier muss das positive Urteil über die gute Passgenauigkeit aussetzen: an der vorderen Windschutzscheibe hatte ich massiv Spachtelmasse aufzutragen, um einen einigermaßen stimmigen Übergang zu erzielen, während der hintere Teil über die Kontur des Rumpfrückens hinaus ragte. Schlussendlich und mit nur ein wenig Geduld war es aber gut zu machen.
Die Naturmetall-Farbgebung wurde mit Metallfarben der Alclad-Palette versucht; hier ist Miteinbeziehen von Originalfotos anzuraten, da diese Rekordmaschine in einigen Teilen mit recht deutlich dunkel wirkendem Dural- Aluminium beplankt gewesen sein dürfte.
Das Thema Me 209 hat sich mit der V1 im Übrigen noch nicht erledigt- weder in der Realität, noch bei mir auf dem Werktisch! In einer entschärften Form wurde nach Kriegsausbruch die Verwendbarkeit dieser Konstruktion als neue Jagdmaschine für die Luftwaffe erprobt. Ein vergrößertes Seitenleitwerk, verlängerte Flächen und, last but not least, der Austausch der anfälligen Oberflächenkühlung gegen ein herkömmliches Kühlsystem sollte die Alltagstauglichkeit des Entwurfs garantieren.
Wie diese Erprobung ausgegangen ist, kann, wer möchte, in einem folgenden Artikel lesen, denn glücklicherweise hat Special Hobby auch diese spätere Version der Me 209 in einem eigenen Bausatz verewigt, dem ich ebenfalls nicht widerstehen konnte. Für dieses Mal bleibt es aber bei einem eindeutig positiven Fazit- und bei meinem Dank an Special Hobby, sich solcher exotischer und faszinierender Vorbilder als Spritzguss-Bausatz anzunehmen!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zum Baubericht auf Scalemates. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 13. Januar 2020 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |