Boeing 307 Stratolinervon Roland Sachsenhofer (1:144 Roden)Zum Vorbild
Der Name Boeing sollte in den ersten Nachkriegsjahrzehnten zu einem Synonym für den sich rasch entfaltenden Kosmos der zivilen Passagierfliegerei werden. Epochemachende Entwürfe wie etwa die Boeing 707 revolutionierten sowohl den Markt wie auch die Luftfahrttechnik. Zu Ende der dreißiger Jahre war dies noch nicht abzusehen. Boeing war zu diesem Zeitpunkt einer der großen etablierten Hersteller und hatte schon eine durchaus wechselvolle Firmengeschichte hinter sich, doch von einer marktbeherrschenden Stellung in der Passagierluftfahrt war man noch weit entfernt.
Schon vor und vor allem nach dem Kriegseintritt der USA wuchs Boeing zum größten Hersteller schwerer Bomber für die USAAF. Diese Tradition sollte mit der B-17 und Entwürfen wie der B-47 oder etwa der noch heute geflogenen B-52 bis in die ersten Jahre des kalten Kriegs fortgeführt werden.
Boeings erfolgreichster Entwurf im zivilen Bereich war zu diesem Zeitpunkt das Modell 247, eine zweimotorige schnittige Reisemaschine, die zehn Passagieren Platz bot. Als 1935 die Arbeiten an einer großen, viermotorigen Passagiermaschine starteten, hatte man jedoch ganz anderes im Sinn. Ausgehend von der konstruktiven Auslegung des zeitgleich entwickelten Bombers B-17 sollte ein luxuriöses Flugzeug entwickelt werden, das gut dreißig Passagiere in einer Druckkabine auf Langstreckenflügen befördern konnte. Die Realisierung einer Druckkabine hatte den unschätzbaren Vorteil, ungestört vom Wettergeschehen und noch dazu mit geringem Spritverbrauch in großen Höhen fliegen zu können. Die Tragflächen, das Heck sowie das Fahrwerk wurden von der in Entwicklung befindlichen B-17 übernommen.
Sowohl PAN AM wie TWA bekundeten Interesse und orderten noch vor dem Jungfernflug sechs beziehungsweise fünf Maschinen. Am 18. Dezember 1938 erfolgte der Erstflug des Stratoliner-Erstlings, der, ohne ein Prototyp im klassischen Sinne zu sein, im Anschluss als erste Produktionsmaschine an PAN AM ausgeliefert hätte werden sollen.
Soweit sollte es jedoch nicht kommen. Die Tragödie ereignete sich bei einem Vorfliegen vor Vertretern der kaufinteressierten niederländischen KLM: nachdem die 307 in großer Höhe ins Trudeln geraten war, konnte zwar durch den Einsatz der Motoren wieder Ruderdruck erzeugt werden, allerdings hatte die Maschine dabei so viel Geschwindigkeit aufgebaut, dass das folgende Abfangmanöver über die Grenzen ihrer strukturellen Festigkeit ging. Mit abmontierten Tragflächen und wegbrechenden Höhenleitwerk riss die erste Stratoliner alle zehn Insassen in den Tod.
Versuche im Windkanal zeigten, dass das gefährliche Trudelverhalten mit dem Einbau einer verlängerten Heckfinne in Verbindung mit einer neu gestalteten Heckflosse entschärft werden konnte. Diese Maßnahme wurde auch für den nahen Verwandten, der B-17, ab der E-Version Standard. So zeigt sich auch in diesem charakteristischen Detail des Aussehens die konstruktive Verzahnung der beiden Entwürfe.
Neben TWA und PAN AM stellten sich rasch weitere prominente Abnehmer für die Stratoliner ein. Howard Hughes ließ ein Exemplar als Rekordmaschine ausbauen. Wenn auch die von ihm geplante Weltumrundung - natürlich in Rekordzeit, wie sollte es anders sein! – schlussendlich nicht durchgeführt wurde, konnte die Maschine später als luxuriösest ausgestatte „The Flying Penthouse“ noch Zeugnis von der Exzentrik des Milliardärs ablegen.
Während des Weltkriegs wurden die verfügbaren Stratoliner unter der Bezeichnung C-75 von der USAAF übernommen und als VIP-Transportmaschine auf Langstrecken wie zur Überquerung des Atlantiks eingesetzt. Die zivile Fliegerei war während der Kriegsjahre stark eingeschränkt, was der Entfaltung der Qualitäten der 307 natürlich nicht förderlich war-. Nach dem Krieg sollte sich außerdem bald zeigen, dass auch die Passagierfliegerei durch den Turbinenantrieb, ob als Jet oder Turboprop, vor grundlegenden Neuorientierungen stand. Für die Boeing 307 Stratoliner bedeutete dies, dass ihre große Zeit vorbei war, ehe sie recht begonnen hatte.
Die Produktionszahlen der 307 blieben dementsprechend gering, nur zehn Exemplare wurden gefertigt. Nach dem Krieg wurde die Stratoliner bei den großen Fluglinien schnell ausgemustert, einige Exemplare sollten aber von kleineren Haltern oft noch jahrzehntelang geflogen werden. Die letzte erhaltene Boeing kann im flugfähigen Zustand im Steven F. Udvar-Hazy Center/ Smithsonian Museum bewundert werden. Zum Modell
Als ich vor einem Jahr erfahren hatte, das Roden eine Stratoliner in 1:144 herausbringen würde, war der Entschluss zu Erwerb und Bau schnell gefasst. Ein Bausatz von Roden bedeutet für mich persönlich allerdings auch, dass ich mich um neue Decals umsehen musste.
Ein erster Blick in die Schachtel hat meine Vorurteile bestätigt. So sehr mich die Kunststoffteile mit Vorfreude erfüllten, so sicher vermittelte mir schon das Aussehen der bausatzeigenen Schiebebilder, dass sie nicht funktionieren würden. Aber das, wie gesagt, ist nur meine persönliche Meinung und soll niemanden abhalten, deren Einsatz zu versuchen und damit zu einem schönen Ergebnis zu kommen!
Der einzige Einwand zu den in allen anderen Bereichen lobenswerten Bausatzteilen liegt in den sehr tief geratenen Panellinien. Hier hätte ich mir etwas maßstabsangemessene Zurückhaltung gewünscht, da mir deren Tiefe angesichts der Kleinheit der Formen doch übertrieben erscheinen. An Rumpf und Flächen habe ich versucht, durch kräftiges Überschleifen diesen Eindruck etwas abzumildern.
Die Bauanleitung führt überschaubar durch die wenigen Bauschritte. Nur bei der Gestaltung der Motorgondeln/Auspuffanlagen blieben für mich einige Fragen offen, wobei ich hoffe, sie durch die Ergebnisse meiner Recherche einigermaßen korrekt beantwortet zu haben.
Die Markierungen für die vorliegende Repräsentation einer TWA Maschine aus dem Jahr 1940 stammen von Flying Vintage Decals, die ich, ob ihrer hohen Qualität und ihrer problemlosen Verarbeitbarkeit, bedenkenlos und wärmstens empfehlen kann.
Obwohl 1:144 wahrlich nicht mein angestammter Maßstab ist, bin ich sehr froh, dieses spannende Flugzeug in den recht sorgfältig gestalteten Formen von Roden bauen haben zu können. Mir persönlich hat das Projekt nicht nur Freude sondern auch Mut gemacht, ab und an einen Ausflug in Richtung „Mikro-Scale“ zu wagen!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zum Baubericht auf Scalemates. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 17. Oktober 2020 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |