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Harbin

Ausflug auf hohe See oder ein Wiedereinstieg

von Frank Spahr (1:200 Trumpeter)

Harbin

Ich habe mein erstes Plastikmodell mit etwa sieben Jahren gebaut; zu Kinderzeiten habe ich die Programme von Matchbox und Airfix ziemlich komplett durchgebaut, auch später nie ganz damit aufgehört, aber nur noch sehr sporadisch, bis vor etwa zehn Jahren der Wiedereinstieg kam. Seitdem habe ich praktisch nur Flugzeuge gebaut, aber Schiffe fand ich immer schon sehr ansprechend. Es war allerdings eine Frage des Platzes, denn die ganz kleinen Maßstäbe waren mir immer zu schwierig und fummelig ...

Als Trumpeter den großen Sovremenny-Zerstörer in 1:200 herausbrachte und White Ensign Models die Ätzteile dazu, da kam schließlich der Punkt, an dem ich mich entschloß, so etwas auch haben zu müssen. Die diversen Websites zeigten mir, was heute möglich ist, welch ungeheures Niveau und Können hier heutzutage herrscht, und mir wurde auch klar, daß ich dazu etwas Übung brauchen würde. Und die wollte ich nicht gleich an der Sovremenny auslassen – nicht bei dem Preis inklusive der Ätzteile.

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Also schaute ich mich nach Alternativen um und fand eines Tages bei ebay einen älteren und erheblich preiswerteren Bausatz von Trumpeter, den des Zerstörers Harbin der Luhu-Klasse, ebenfalls in 1:200. Ich kriegte den Zuschlag ohne viel Gewese und konnte bald den sehr stabilen Karton auspacken.

Es stellte sich heraus, daß der Kit wenig detailliert ist und auch einige Kompromisse für den möglichen Einbau einer R/C-Anlage gemacht wurden. Der Bausatz stammt aus einer Zeit, als Trumpeter noch für den chinesischen Markt produzierte und der Spielwert Vorrang vor der Genauigkeit hatte. Aber ich sah ihn als einen guten Ausgangspunkt an, um einige der Techniken einmal auszuprobieren, die ich später „ernsthafter“ anwenden wollte.

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Im Internet fanden sich wenige Bilder des Vorbilds, was mir auch gar nicht so unrecht war, weil ich dadurch einfach so vor mich hinbauen konnte – klingt komisch, war aber so. Ich fühle mich umso eher behindert und unter Druck gesetzt, je mehr Referenzbilder ich habe – umso mehr Dinge muß ich ja einzeln abgleichen und auch anpassen bzw. korrigieren. Und umso mehr offensichtliche Fehler kann ich begehen. Und weil trotz der langen Erfahrung mein Geschick sich noch in Grenzen hält, sehen meine Sachen da bislang besser aus, wo sie aus der Schachtel gebaut sind. So etwas entwickelt sich ja auch, beim einen schneller als beim anderen. Ich habe jedenfalls das Gefühl, bei der Arbeit an diesem Kit manches dazu gelernt zu haben – und sage in Zukunft vielleicht seltener: Was ich nicht weiß ...

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Mir war klar, daß die Relings aus dem Baukasten einfach zu klobig und auch zu hoch waren und ersetzt werden mußten. Das gleiche gilt für die Niedergänge. Ebenso ist der Hubschrauber (ein chinesischer Lizenzbau eines französischen Dauphin) sehr vereinfacht, genau so wie die Beiboote. Besonders fiel mir auf, daß das Deck unter dem Helipad, das durch große Ausschnitte aus dem Rumpf gut sichtbar ist, fehlt. Hier hat Trumpeter zur besseren Seetüchtigkeit die Rumpfausschnitte verglast und im Decksbereich nur das Schleppsonar vorgesehen. Der Ständer aus dem Baukasten gefiel mir ebenfalls nicht, also begann ich in diesem Bereich.

Zuerst versäuberte ich den Rumpf, der besonders um die Stabilisatoren einige starke Grate aufweist. Die Passung war jedoch durchweg gut, ich mußte sehr wenig spachteln. Ich baute die Schraubenwellen mitsamt den Rudern ein; die Schrauben selbst sind aus einem anderen Plastikmaterial hergestellt und benötigten mehr Aufmerksamkeit beim Versäubern.

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Das Sonardeck habe ich aus Evergreenprofilen so nachgebaut, wie ich es mir vorstellte, und auch ein Schott zum bugwärtigen Abschluß eingefügt. Die Unterseite des Helipads wurde auch mit Evergreenprofilen etwas detailliert, aber das sieht man nun wirklich nicht mehr.

Während ich daran arbeitete, versuchte ich, die Bordwand etwas lebendiger zu gestalten. Schließlich ist keine Schiffsbordwand komplett eben, sondern gibt die darunterliegende Struktur aus Spanten und Längsträgern wieder. Ich versuchte, diese subtilen Unebenheiten durch Schaben mit einer sehr großen und gerundeten X-ACTO-Klinge wiederzugeben.

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Darüber hinaus habe ich bei der Lackierung die eine oder andere Schattierung eingebracht, um das Resultat lebendiger wirken zu lassen. Je größer der Maßstab ist, umso mehr fällt so etwas auf. Da ich keine wirklich gute Farbreferenz hatte, habe ich ein Hellgrau aus meinen mehreren dutzend Dosen mit grauer Farbe gewählt, das mir passend schien (Revell 76) und dieses für alle vertikalen Oberflächen verwendet. Später habe ich in einem Baubericht des Zhenzhen-Zerstörers gelesen, daß das chinesische Marinegrau eher einen Grünstich hat und alle Fotos es nicht richtig wiedergeben. Naja, daran konnte ich nun auch nichts mehr machen. Die Bauanleitung gibt als Farbe der Decks Dunkelgrün an. Einfach, weil es mir gefiel, habe ich die Decks dann auch dunkelgrün (Humbrol 30) lackiert, auch wenn ich später auf einem Vorbildfoto gesehen habe, dass sie dunkelgrau zu sein scheinen.

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Nachdem der Rumpf lackiert war, habe ich mir den Ständer vorgenommen. Hier habe ich mit der Heißklebepistole einen ziemlichen Holzkloben in den Rumpf eingeklebt, in den ich vorher schon zwei 8-mm-Löcher im gewünschten Abstand gebohrt hatte. Nach dem Abkühlen habe ich die Löcher durch den Schiffsboden weitergebohrt und die oberen Enden mit weiteren Holzklötzen abgeklebt, um einen Anschlag zu haben. Nun konnte ich Aluminiumrohre hindurchstecken und diese in einem sehr stabilen Bauständer verankern. Folglich mußte ich das Schiff selbst nicht mehr anfassen und fühlte mich sicherer beim Hantieren.

Gegen Ende der Bauarbeiten habe ich den Ständer wie folgt angefertigt: Ich habe ein Frühstücksbrett von IKEA aus Birkenholz mit der Dekupiersäge oval zugeschnitten, die Kanten angeschrägt, das Ganze verschliffen und mit Holzöl behandelt, schließlich passende Löcher für die Alurohre hineingebohrt und mir vom örtlichen Pokal- und Schilderspezialist ein Namensschild machen lassen.

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Mit dem Einbau des Sonardecks wurde auch die Frage der Ätzteile aktuell. Da dies mein erstes Schiffsprojekt mit Ätzteilen war, wollte ich nicht zu viel Geld ausgeben. Im Maßstab 1:200 fand sich bei meinen Suchen wenig passendes, und den Ätzteilsatz für die Sovremenny wollte ich denn auch nicht gleich kaufen. 1:200 ist eben kein ganz gängiger Maßstab.

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Schließlich stieß ich auf Ätzteile von Scheuer&Strüver für den Kartonmodellbau in 1:250. Nach längerer Überlegung habe ich einen Relingsatz und einen allgemeinen Zubehörsatz dieses Herstellers verwendet. Vielleicht sind die Relinge jetzt etwas zu niedrig, aber mir erscheinen sie zureichend passend. Übrigens war die fotogeätzte Reling mein höchstpersönliches Schreckgespenst an diesem Projekt, und die Sorge, diesen Teil aber auch so was von zu verhauen, hat die Fertigstellung erheblich verzögert.

Die ersten zwei Relingteile landeten am Sonardeck, und so konnte dieses denn auch eingebaut werden. Als nächstes wurden die vorlackierten Decks aufgeklebt, und es konnte kräftig weitergehen.

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Ziemlich rasch hatte ich einen ganzen Haufen von Baugruppen, an denen ich mich austoben konnte. Ich detaillierte jede soweit, wie ich spontan Lust hatte und war neugierig, wohin ich kommen würde. So habe ich am Hubschrauber alle Fenster ausgefräst, Auspuffrohre aus Alurohr eingesetzt, die Teile allgemein dünner geschliffen, die Rotorblätter aus dünnem Sheet neu hergestellt usw. Die Fenster am Brückenaufbau und an der Vorderseite des Hangaraufbaus sind im Baukasten nur eingraviert, diese habe ich ausgeschnitten und Unterteilungen aus Messingprofilen eingebaut. Ebenso wurden alle Bullaugen aufgebohrt. Die Fensterflächen wurden ganz zum Schluß mit Cristal Clear, einem speziellen Weißleim, der glasklar austrocknet, gefüllt.

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Der Schornstein erhielt Auspufföffnungen aus Metallrohr und die großen Gitterflächen wurden ausgesägt und mit Drahtgittern hinterklebt. Die Drahtgitter waren einmal Ladegut für die HO-Eisenbahn und stellten irgendwelche Drahtgitterrollen dar.

Die Hauptartillerie (130 mm Zwilling) erhielt neue Rohre aus Alurohr, der Turm wurde mit Draht verfeinert. Ebenso wurden die anderen Geschützrohre mit einer heißen Nadel aufgeschmolzen, um eine Mündungsöffnung zu zeigen. Ich habe mich nicht getraut, die Masten komplett scratch nachzubauen. Von daher habe ich mich darauf beschränkt, sie etwas zu verfeinern und mit gezogenen Gießästen zu detaillieren. Die sehr große Radarantenne auf dem Hangaraufbau wurde sehr fummelig verfeinert und auch mit Drahtgeflecht beklebt (in Ermangelung eines Besseren). Hier wäre natürlich eine fotogeätzte Antenne der absolute Hingucker gewesen. Wo ich Lust hatte, detaillierte ich die Aufbauten mit den Ätzteilen oder mit Evergreenprofilen.

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Die dem Baukasten beiliegenden Decals habe ich nur auf dem Helipad verwendet; die Rumpfnummer lag in Weiß bei, die Referenzbilder zeigen sie aber in Schwarz. Also habe ich das Decal als Vorlage für eine Spitzschablone genommen und die Nummern lackiert. Übrigens sahen die Referenzbilder so aus, als hätte das Schiff keinen Wasserlinienstreifen. Na, das war mir nur recht. Also: Ich kann tatsächlich auf das Vorbild Rücksicht nehmen, wenn ich nur will ;-)

Auch der Kutter wurde etwas verfeinert, indem ich die nur angedeuteten Fenster ausfräste.

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Ein Thema für sich war die Ankerkette. Ich hatte zuerst eine fotogeätzte Kette aus dem allgemeinen Set versucht, diese war aber einfach zu flach und unecht. Es dauerte einige Monate, bis ich über ein Fachgeschäft hier in Kassel schließlich eine passende Kette bekam und diese einbauen konnte. Die Kette wurde mit Metalizerfarbe von Model Master und Ölfarbe gealtert.

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So wuchs das Schiff relativ rasch heran, und dann geschah erst einmal lange Zeit nichts. Ich mußte meinen Bastelkeller ausräumen, weil ich eine neue Heizung bekam, ich baute andere Dinge, und es war Sommer, kurz gesagt, ich traute mich nicht an die Relinge heran. Frank Ilse und Guido Hopp von modelwarships.com und modellmarine.de hatten mir zwar schon gute Tips gegeben, aber irgendwie fehlten mir die Traute.

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Schließlich machte ich mich im November dann doch an die Arbeit und stellte fest, daß es gar nicht so schwer war. Ehrlich gesagt, war das Arbeiten an der Takelung und der Reling eher unkompliziert und lief gut ab. Ich habe mein Schiff mit einzelnen Kupferlitzen aus Kabeln von der Modelleisenbahn getakelt. Diese sind sehr dünn, aber stabil, und lassen sich gut knoten und mit CA verkleben. Der Nachteil ist, daß sie lackiert werden müssen, da ist schwarzes gezogenes Gußastmaterial natürlich schöner – aber erheblich weniger stabil!

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Die Relinge wurden mittels verschiedener Hilfsmittel zurechtgebogen und mit dünn- und dickfließendem CA verklebt. Ohne meine Leuchtlupe, die ich mir im Frühjahr gekauft habe, wäre das alles aber nicht gegangen. Endlich sehe ich beim Bauen einigermaßen so viel wie nachher auf meinen Fotos und kann vorher schon korrigieren und muß mich nicht nachher ärgern. Überraschenderweise fand ich auch das Biegen der zahlreichen Niedergänge eher unkompliziert, und ich finde, sie stehen dem Schiff gut. Immerhin müssen die einzelnen Treppenstufen um den Winkel der Treppensteigung gebogen werden, das hält auf, macht aber richtig Staat – wenn man´s sieht.

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Mitten in der Arbeit stellte ich fest, daß mir ein wenig von der 2-Stangen-Reling fehlte, ich hatte mich wohl verkalkuliert. Hätte ich auch am ersten Aufbaudeck die mit den drei Stangen verwendet, wär es OK gewesen. So mußte ich leider nachbestellen und habe jetzt reichlich Reling übrig ...

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Nachdem schließlich alle Baugruppen eingesetzt, das Schiff getakelt und die Relings montiert waren, habe ich mehrere Runden um das Schiff gedreht, bei denen ich die Bemalung verbessert habe. Nachdem ich damit soweit zufrieden war, wurde das Schiff mit Flat Future endlackiert. Flat Future ist Future Fußbodenversiegelung, ein Lieblingsprodukt unter Flugzeugmodellbauern, gemischt mit Tamiya Acryl Flat Base, also einem acrylbasierten Mattierungsmittel. Erdal Glänzer soll auch gehen, aber ich habe eben noch von meiner Original US-Future-Flasche etwas übrig. Nachdem das Schiff auf seinem neuen Ständer stand, habe ich die Fenster und Bullaugen mit Cristal Clear behandelt, alles schön trocknen lassen, und schließlich meine Fotos gemacht.

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Was ist nun mein Resumee? Es hat Spaß gemacht, und ich freue mich, wenn ich das fertige Modell sehe. Und das reicht mir auch. Ich habe das Gefühl, bei diesem Projekt hinzugelernt zu haben, und mittlerweile gehen viele Arbeiten mir flüssiger von der Hand als vorher. Wenn man den Preis mit den Bastelstunden verrechnet, hat es auch für billig Geld viel Spaß gemacht.

Es ist sicherlich kein Modell des Jahres, weder der Kit als solcher noch das, was ich daraus gemacht habe. Ich kann mir direkt den chinesischen Vater vorstellen, für den der Kit einmal gedacht war, wie er mit seinem kleinen Sohn an den Ententeich zieht und dieses Modell fahren läßt. Dafür war der Bausatz allemal OK. Und für mich war er eine Gelegenheit, einmal frisch drauflos zu bauen. Mut genug für die Sovremenny habe ich jetzt.

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Informationen über das Original finden sich unter

http://www.fas.org/man/dod-101/sys/ship/row/plan/luhu.htm

Anscheinend handelte es sich bei den zwei Schiffen dieser Klasse um einen Übergangstyp unter Verwendung vieler westlicher Systeme, der kein voller Erfolg war, weshalb auch nur zwei Schiffe gebaut wurden. Aber immerhin hatte die Harbin die Ehre, als erstes rotchinesisches Schiff den USA einen Flottenbesuch abzustatten.

Ich habe im Netz einen weiteren Baubericht eines sehr schönen RC-Modells gefunden unter:

http://www.military-rc.com/modelle/112/112index.html

So, das wäre mein erster Beitrag zu dieser Site. Mir gefällt´s hier, ich hoffe, Ihr hattet auch Spaß an dem, was ich geschrieben habe!

Frank Spahr

Publiziert am 07. März 2005

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