Mil Mi-22 Hookvon Roland Sachsenhofer (1:72 Amodel)Die Mi-6 Hook von Amodel ist in mancherlei Hinsicht eine wahrhafte Herausforderung. Der Umstand, dass ich gleich zwei davon parallel gebaut habe, hat unmittelbar damit zu tun: Lösungen, die bei dem einen Modell gefunden worden sind, sollen die Chance bekommen, sich ein zweites Mal zu bewähren. Die hier vorgestellte Mi-6 in der Version Mi-6AYa/VzPU, die auch unter dem etwas übersichtlicheren Titel Mi-22 bekannt geworden ist, war jenes Modell, an dem die bei der ersten Mi-6 gefundenen Verbesserungen eingeflossen sind - wer möchte, kann ja die Bilder im ersten Mil-6 Hook-Galeriebeitrag mit jenen hier vergleichen und überprüfen, ob die Mi-22 tatsächlich etwas gelungener und sozusagen sicherer gebaut ist! Im ersten Artikel zu Amodels Mi-6 findet sich auch ein kurzer Abriss zur Geschichte und den technischen Aspekten dieses eindrucksvollen Schwerlast-Hubschraubers, hier dagegen möchte ich den Schwerpunkt auf die Schilderung meiner Erfahrungen mit dem Bausatz und im Bauprozess legen. Vielleicht ergibt sich daraus ja für Interessierte der eine oder andere informative Hinweis oder gar ein brauchbarer Tipp. Was sind das für Herausforderungen, von denen ich eingangs gesprochen habe? Im Wesentlichen müssen hier zwei Bereiche genannt werden: die durchgehend äußerst rustikale Gussqualität der Teile sowie die (sich auch daraus ergebende) mangelhafte Passgenauigkeit. Dabei hat alles so erfreulich gestartet! Ein erster Blick in die große Schachtel beeindruckte mich mit einer geradezu überquellenden Vielzahl an Teilen, die an ebenfalls beeindruckend vielen Gussrahmen zu finden sind. Ein erster orientierender Blick in die grafisch schön übersichtlich gestaltete Bauanleitung schien den Eindruck zu bestätigen, dass hier ein gut durchdachter Bausatz mit einem logischen Aufbau vorliegt - ein positiver Eindruck, der sich im folgenden Bauprozess durchaus bestätigen sollte. Die im Bausatz gebotene Detailierung für das Cockpit und den verglasten Bugraum habe ich als für den Maßstab durchaus ausreichend empfunden. Die Instrumentierung kann durch beiliegende Decals dargestellt werden, Sitzgurte müssen aber selbst beigesteuert werden. Die in Polystyrol gegossene Realität machte aber dem schönen Plan schnell einen kräftigen Strich durch die Rechnung: die Teile auf den Gussästen erwiesen sich als durchwegs grob und vor allem als eindrucksvoll unsauber gegossen. Das Resultat war, dass faktisch alle Teile, große wie kleine und kleinste, versäubert werden mussten. Das macht bei den vielen und oft auch komplex geformten Bauteilen schon einiges an Aufwand. Ein ärgerlicher Aspekt ist dabei, dass beim Nachbearbeiten viele Teile Schaden nehmen; gerade die feinen Teile zerbrechen schnell, wenn sie mit Skalpell und Schleifpapier in Form gebracht werden. Meine Reaktion auf diesen Umstand war, dass ich überall dort, wo es ging, die Originalteile mit Draht, Blech oder Ätzteilen aus meinem Fundus ersetzt habe. Ein Beispiel dafür sind die Handläufe rund um den Triebwerksbereich: die Bausatzteile sind ohnehin um einiges zu dick und außerdem relativ spröde; beim Wegschleifen der Angüsse besteht höchste Bruchgefahr. So sind sie hier bei der Mi-22 mit Ätzteilen aus dem Detailset von Brengun ersetzt, bei der ersten „Hook“ kam Blech aus der Restekiste zum Zug. Aber eben auch die Passgenauigkeit zeigte sich als durchgehend problematisch. Das bedeutet in vielen Bereichen zwar kein großes Problem, sondern nur zeitlichen Mehraufwand: so wurden die wirklich großen Spalten und Schluchten mit Cyanacrylat vergossen und dann mit mehreren Schleifgängen in Form gebracht, kleinere dagegen konnten einfach verspachtelt und verschliffen werden. In manchen Zonen aber wurde die Sache mit den verzogenen und passungenauen Teilen etwas haarig: so besteht der Rumpf aus elf großen und einigen kleineren Elementen, die alle zu bündigen Außenkonturen zusammengefügt werden müssen. Das muss bei der mangelhaften Qualität die Teile geradezu zu Schwierigkeiten führen - zumindest, wenn man so unbedarft wie ich an die Sache herangeht! Ich habe ein Vorgehen gewählt, das zwar in der Bauanleitung vorgeschlagen wird, von dem ich aber dringend abrate: nachdem ich zuerst den vorderen Rumpfabschnitt bis zu den Ladeklappen komplett montiert sowie nachfolgend den Heckausleger mitsamt den Heckklappen gefertigt hatte, blieb folgend die Aufgabe, Rumpf wie Heck bündig zusammen zu kleben. Leider waren Rumpf wie Heckausleger inzwischen so verzogen und aus dem Maß geraten, dass ich damit gröbste Schwierigkeiten hatte. Ein zielführenderes Vorgehen wäre gewesen, die linke und rechte Rumpfhalbschale vom Bug bis zum Heck in einem aufzubauen und dann erst zum langen Rumpf einer Mi-6 zu verkleben. Ein weiteres Thema, dem man sich hier stellen muss, ist der Umgang mit den runden und nach außen gewölbten Bullaugen-Reihen des Laderaums. Die Klarsichtteile selbst sind zwar von ganz guter Qualität, Schwierigkeiten macht aber deren Anbringung. Laut Bauplan sollen sie von innen befestigt werden, was aber zu keinem befriedigenden Anblick führen kann: die Fensteröffnungen am Rumpf haben leider ungewollt unterschiedliche Durchmesser und noch dazu auch ausgefranste Ränder. Die gewölbten Klarsichtteile von außen aufzukleben schien mir auch keine gute Lösung -und so habe ich versucht, mit einer neuen Idee zu einem besseren Ergebnis zu kommen. Da Weißleim glasklar aushärtet, habe ich zum einen die ausgefransten Ränder mit ein wenig Leim aufgefüllt, das hat manchmal schon eine Verbesserung gebracht. Dort aber, wo dies nicht möglich war, wurde zu einer radikaleren Lösung gegriffen: die leere runde Fensteröffnung wurde mittels Zahnstocher mit Leim aufgefüllt, dessen Oberflächenspannung dafür sorgte, dass sich eine geschlosse Weißleim-Oberfläche bildet. Gibt man genug Leim-Material hinzu und hält das Bauteil entsprechend, beginnt der noch flüssige Leim unter dem Einfluss des Eigengewichts durchzuhängen. Macht man das geduldig richtig, härtet der Leim mit einer leichten Wölbung zu einer Form aus, die mit dem gewünschten Aussehen der Bullaugen zumindest starke Ähnlichkeit hat. Da dies aber ein sehr aufwändiges Vorgehen ist, dessen Resultat für mich noch dazu auch nur einen Kompromiss darstellt, bin ich hier nicht wirklich zufrieden. Die bemerkenswertesten Eigenheiten des Bausatzes sind damit beschrieben, alles andere, was mir während des Bauprozesses noch begegnet ist, findet sich ähnlich auch bei anderen Projekten wieder. So liegt nahe, dass die beeindruckend großen Rotorköpfe von einer nachträglichen Detailierung mit Draht und den Ätzteilen des schon genannten Brengun-Sets wesentlich profitieren. Einen Teil der Fahrwerks-Streben sowie die Halterung der beiden Außentanks habe ich mit passenden Drahtstücken ersetzt. Der Grund war auch hier das spröde und unsauber gegossene Material der Bausatzteile. Ein Großteil der vielen Antennen besteht aus Ätzteilen - was unterstreicht, dass ich den Erwerb der erhältlichen Zurüstteile sehr empfehlen möchte. Die dargestellte Mi-22 ist eine der rund fünfzig gebauten fliegenden Kommandostände, die aus dem Mi-6 Schwerlasthubschrauber abgeleitet worden ist. Dieser Einsatzzweck erklärt auch das von Antennen- und Kommunikationsanlagen gespickte Äußere dieses Hubschrauber-Riesens. Amodel ist ja tatsächlich zu loben, dass immer wieder exotische, aber durchaus hochinteressante Vorbilder als durchaus verwirklichbare Bausätze angeboten werden. Man muss sich dabei manchmal aber auch gewissen Herausforderungen stellen. Wenn dabei allerdings nebst einem interessanten Modell auch neue Einsichten oder gar neue Fertigkeiten resultieren, ist das ja nicht schlecht. In diesem Sinn freue ich mich über meine beiden ersten Versuche, eine Mi-6 zu bauen - und empfehle im Lichte des Gesagten diesen spektakulären Bausatz wärmstens weiter! Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Text.... Roland Sachsenhofer Publiziert am 06. Juli 2024 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |