Pflanzen aus Papier fürs Dioramavon Thomas EhrenspergerWarnung: Bei allen unseren Tipps & Tricks immer an die Sicherheit denken und wenn möglich erst an einem Probestück ausprobieren. Realismus oder Hyperrealismus?
Auch im Hinblick auf die Dioramengestaltung leben wir Modellbauer in einem goldenen Zeitalter. Ganze Vignetten, Bauten, Ausstattungsdetails und Pflanzen sorgen für Bequemlichkeit beim Kunden (neuhochdeutsch: Convenience) und dank moderner Technologie (v.a. Fotoätzteile, Lasercut und 3D-Druck) für allerhöchste Detailtreue und außerordentliche Fertigungsqualität. Manche von uns werden sich noch an die Anfänge erinnern, die sehr eng mit dem Namen François Verlinden und gleichnamiger Marke verknüpft waren. Heute vergeht kaum eine Woche, ohne dass ein neuer Hersteller den Wettbewerb aufnimmt oder zumindest mit immer neuen Produkten überrascht. Lohnt es sich dann überhaupt noch etwas selbst zu fertigen? Bastelspaß
Aber auch das Thema Bastelspaß sollten wir nicht außen vor lassen, von den individuellen Lösungen einmal ganz abgesehen (u.a. Anzahl, Größe, Form). Dass wir uns richtig verstehen, ich nutze auch Fertigprodukte und Halbfertiges wie z.B. Belaubungsmaterialien von Silhouette, aber das Selbstgemachte spricht mich nach wie vor besonders an. Wobei dies nicht nur als Selbstwert verstanden wird, sondern durchaus Anlass bietet, darüber nachzudenken, wieviel Detailtreue eine maßstabsgetreue Umgebung verlangt, um das topdetaillierte Fahrzeug optimal zur Geltung zu bringen und in eine „natürlich“ aussehende Umgebung zu integrieren. Oder läuft zum Schluss das Beiwerk dem eigentlichen Mittelpunkt der Szene den Rang ab? „Grass“ oder „Weed“
Eine ganz schlichte Pflanze - ohne großen Aufwand - selbst hergestellt möchte ich hier vorstellen. Gleich vorweg: Ich bastle etwas nach einem Vorbild, das nicht von mir stammt. Es ist abgeguckt bei dem thailändischen Modellbauer Kreangkrai Paojinda. Quelle: AK Interactive (Hg.): Japanese Armor in World War 2. Ohne Ort [Logroño] 2022, S.134f. Dazu benötigt man (grünes) Papier (80g/m²), eine Schere (z.B. so eine kleine, die für Scherenschnitte geeignet ist, also mit kurzen „Blättern“ und großen „Augen“) aber jede andere geht auch, Hauptsache klein und leichtgängig; schließlich ein paar Zahnstocher und Weißleim. Aus dem Papier werden Zungen ausgeschnitten, die etwas an gotische Spitzbogenfenster erinnern sollten. Diese Papierzungen werden nun von der Spitze her 2 – 3 cm eingeschnitten, von der Mitte her beginnend, leicht schräg nach außen. Das ergibt später die Blätter. Über einem Zahnstocher wird die eingeschnittene Papierzunge gerollt und verklebt. Über einer Stahlnadel gerollt, ergibt sich ein dünnerer Stängel. Die einzelnen Blätter werden nun vorsichtig (es ist halt Papier) zwischen einem Zahnstocher und dem Daumen durchgezogen, als wollte man Schleifen für ein Geschenk herstellen. Die Pflanze nimmt ihre Form an. Der etwas nach Lauch aussehende Pflanzenstängel wird nach Bedarf gekürzt. Zum „Pflanzen“ wird dann ein Stück eines Zahnstochers eingeklebt.
Als Alternative kann man auch die Zungen am oberen Ende gerundet ausschneiden. Die folgenden Schnitte erfolgen dann von der Spitze der Zunge aus in Zick-Zack-Form, so dass eine Art Kamm entsteht. Danach wird wieder gerollt usw. – wie oben beschrieben. Grundsätzlich muss man überlegen, ob man das Papier zuerst einfärbt und dann die Pflanze bastelt oder umgekehrt. Beides geht und bringt interessante Ergebnisse. Mein Tipp: Erst bauen, dann airbrushen. Wer mit dem Pinsel arbeitet, sollte umgekehrt vorgehen. Wobei einer individuellen Nacharbeit nichts im Wege steht, z.B. mit Stiften oder Oilbrushern. Meiner Meinung nach ist dies ein riesiger Vorteil der Methode: Keine Pflanze sieht wie die andere aus. Ein Tipp zum Schluss: nur trockenes Papier lässt sich gut formen, noch vom Bemalen feuchtes Papier reißt sofort.
Im Text von Kreangkrai Paojinda wird die Pflanze als „grass“ bezeichnet, was einen an Sumpfgras erinnern mag - halt etwas, das überall wächst. Übrigens gibt es genau diese Form unter der Bezeichnung „weed“ (Unkraut) seit Neuestem vom japanischen Hersteller Kamizukuri in professioneller Ausformung, ebenfalls aus Papier. Die Pflanzenform wird man sicher in den Subtropen, also z.B. ums Mittelmeer herum antreffen können, wenn nicht gar gleich in den Tropen, wo sie sich nicht nur am Boden, sondern auch als Aufsitzerpflanzen auf tropischen Bäumen oder Totholz gut macht. Von Bogenhanf und Sisal bis zu Bromelien ist vieles möglich. Dabei lässt sich neben der Farbgebung natürlich auch die Stärke des Papiers variieren, wobei bei einem Papiergewicht über 100 g/m² der Stängel zu dick wird; also abschneiden oder „eingraben“. Zum Schluss muss jeder selbst entscheiden, was einem Bequemlichkeit und Bastelspaß wert sind. Übrigens …
… wer sich für die Herstellung von Pflanzen für den Dioramenbau und die pflanzliche Gestaltung von Modellszenen – bevorzugt 1:35 – interessiert, findet momentan jedes Wochenende einen thematischen Schwerpunkt u.a. mit Fotos, Links, Bauanleitungen unter: https://www.scalemates.com/profiles/mate.php?id=142308&p=albums&album=124097 (31.3.2025). Thomas Ehrensperger Publiziert am 17. April 2025 © 2001-2025 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |