Spielwarenmesse Nürnberg 201004. bis 09. Februar 2010
Marginal weniger Aussteller, dafür aber 2% mehr Besucher als im letzten Jahr. Oder in absoluten Zahlen: 76.600 Besucher und 2.625 Aussteller aus 104 Ländern. So lässt sich kurz und knapp die Bilanz der Internationalen Spielwarenmesse Nürnberg aufstellen, die vom 04. bis 09.02.2010 nach dem letztjährigen Jubiläum nun zum 61. Mal stattfand. Glaubt man der offiziellen Pressemitteilung der Messegesellschaft, die passend mit der Überschrift „Kinder kennen keine Krise" aufwartet, so war die Stimmung durchweg optimistisch und die Orderbereitschaft im Vergleich zum Krisenjahr 2009 spürbar besser. Diese Aussage deckt sich auch durchaus mit der Einschätzung des deutschen Branchenführers Revell, der für sich allgemein aber auch im speziellen Hinblick auf das Geschäftsfeld Plastikmodellbau die Talsohle als durchschritten ansieht. Bei einem solch positiven Ausblick ließ es sich natürlich gleich viel entspannter nach den Neuheiten und Trends für 2010 suchen. Und davon gab es so einige. Der wohl auffälligste Trend ist dabei die immer häufigere Aufwertung von Modellen durch Ätz- und Resinteile. Und damit sind nicht die ständig wachsenden Zubehörofferten von Eduard, Aber & Co. gemeint, sondern die direkte Zugabe oder wenigstens das Angebot dieser zusätzlichen Detaillierungsmöglichkeiten durch die großen Bausatzhersteller selbst. Während Dragon zwar schon vor vielen Jahren ausgewählten Bausätzen Ätzteile beilegte, fielen diese jedoch meist recht mager für den aufgeschlagenen Preis aus. Vor einiger Zeit überraschte dann Italeri mit „Update"-Versionen bestehender Kits, indem Resinteile zu bekannten Spritzlingen in die Packung wanderten. Diese Praxis wurde nun in Nürnberg von fast allen namhaften Großserienherstellern aufgegriffen. Und nicht nur das, auch zu neu entwickelten Bausätzen bieten die Hersteller immer öfter direkt selbst passende Ätzteilsets an, die in Kooperation mit den bekannten Zubehörspezialisten entstehen. So stammen Revells Ätzteile, beispielsweise zur Colombo Express, von Eduard aus Tschechien. Während Revell den Basisbogen zusätzlich zum Plastikbausatz im Programm hat, gibt es auf dieser Grundlage dann je nach Modell noch ein erweitertes Set direkt von Eduard. Für das größte Aufsehen unter den Maßstabsmodellbauern dürfte am Revell-Stand die angekündigte U.S.S. Wasp in 1:350 gesorgt haben, der bereits von Haus aus Ätzteile beiliegen werden. Mit einem Preis von rund 200 EUR und über 1300 Teilen richtet sich dieser Bausatz natürlich nur an erfahrene Modellbauer, so dass man bei Revell von einer recht begrenzten Verkaufsrate von lediglich ein paar tausend Stück ausgeht. Aber es gibt natürlich auch Komplettpakete für kleineres Geld, etwa von Heller, die alte Bekannte wie Super Etendard in 1:48, Jeanne D'Arc in 1:400 oder den AMX30 B2 in 1:35 als „Upgrade" in Zusammenarbeit mit Azimut mit Ätzt- und Resinteilen neu herausbringen werden. Weiterhin waren Ätzteilsets, entweder separat oder direkt in den Baukästen, auch bei Italeri, Tamiya, Hasegawa und Academy zu sehen. Es wird interessant sein, ob und wie sich dieser Trend, alle zur Superdetaillierung benötigten Materialien vom selben Hersteller zu beziehen, ausbreiten wird. Im Grunde ist es jedoch ein logischer Schritt, denn egal um welche Branche es geht - Marken bleiben langfristig nur erhalten, wenn sie Innovationen aufweisen können. Schaut man in den Modellbahnbereich, so sieht man, dass die Lokmodelle mittlerweile am sinnvollen Detaillierungsmaximum angekommen sind. Die Innovation läuft daher vermehrt über die eingebaute Technik und Elektronik. Digitaldecoder und eingebaute Geräuschmodule halten quasi das Preisniveau oben. Im Statikmodellbau ist das natürlich schlecht möglich, weswegen man nun versucht, auch den Gelegenheitsmodellbauer an Werkstoffe wie Ätzteile und Resin heranzuführen, deren Beigabe für Revell & Co. das Potential bieten könnte, das neue Elektronik in alten Loks Märklin, Roco und Fleischmann bereits seit längerem bietet. Ätzteilset von Academy für die ebenfalls neue U.S.S. Oliver Hazard Perry in 1:350 des koreanischen Herstellers. A propos Werkstoffe. Neben Metall und Resin gibt es auch immer mehr Holz in den Vitrinen zu sehen. Dank Lasercut-Technologie können Bauteile aus Holzbögen passgenau ausgeschnitten und dann z.B. an Stellen im Modell eingesetzt werden, die auch im Original aus Holz waren. Schiffsdecks sind hier ein großes Thema, siehe oben das Titanic-Set von Academy. Aber auch bei Revell wird in dieselbe Richtung gedacht. Dort stellte man sogar eine komplett neu entwickelte Serie von Holzmodellen vor, die erstaunliche Konstruktionen des Universalgelehrten Da Vinci zum Vorbild haben. Und dass man sich die in diesem Bereich gemachten Erfahrungen auch für den Plastikmodellbau in Bünde zunutze machen wird, davon ist auszugehen. Woher der Trend kommt? Die Modellbahner haben den Werkstoff Holz schon vor einiger Zeit vermehrt für sich entdeckt, und Faller, Vollmer, Busch und Noch entwickelten daraus Gebäudebausätze. Blättert man im Neuheitenprospekt der Firma Vollmer, kann man dort sogar schon den nächsten Innovationsversuch entdecken: Bausätze aus Bio-Kunststoff. Vom Ansatz her ist die Idee einleuchtend. Wenn Flugzeuge in Zukunft mit Kerosin aus Algen statt aus Erdöl fliegen sollen, warum sollte das nicht auch auf das Material Plastik anwendbar sein, das klassischerweise ebenfalls aus Erdöl gewonnen wird. Bezeichnenderweise sind die ersten Bio-Bausätze von Vollmer ein Bio-Supermarkt, eine Bäckerei sowie eine Schreinerei. Symbolträchtiger geht es kaum. Man darf also gespannt sein, ob auch der Bio-Kunststoff mit der Zeit seinen Weg von der Modellbahn in den Plastikmodellbau findet - wie das Holz. Aber, Academy, AFV-Club und AoshimaAber bringt als neue Serie verschiedene gedrehte und aufgebohrte Läufe für Flugzeugbordwaffen heraus. AirfixEin Dambuster-Diorama in 1:72. In der Packung wird alles enthalten sein, um die Szene wie hier nachzubauen. Airfix hat seit der Übernahme durch Hornby einige Neuentwicklungen auf den Markt gebracht. Diese rufen zwar vielerorts ein geteiltes Echo hervor, denn Detaillierung und Gravuren können meist noch nicht mit den Neuentwicklungen anderer großer Hersteller mithalten, aber immerhin wird weiter investiert, und das Verhältnis von reinen Wiederauflagen zu echten Neuheiten verbessert sich. Ein Highlight dürfte dabei die HMS Illustrious sein, aber auch die angekündigte Valiant wird ihre Fans finden. Interessant auch das Dambuster Dioramenpaket, inkl. See- und Staudammausschnitt. Komplettsets wie diese sind rar gesät. Revells Eurofighter mit Hangar und Bodengeräten fällt noch am ehesten in diese Kategorie.
Andrea, Doyusha, Dragon, Eduard, Emhar und Hauler
Am Stand von Doyusha waren fast nur noch vorlackierte Steckmodelle oder Fertigmodelle zu sehen. Aber mittlerweile hat auch jeder andere große Hersteller seine eigene Palette an Easy Kits im Angebot, vor allem natürlich Revell. Aber auch Italeri und Airfix sind in diesem Bereich nachgezogen. Und man muss durchaus zugeben, dass die Qualität der Fertigmodelle besonders im Militärbereich bei manchen Anbietern schon so bestechend geworden ist, dass man sich beim Gedanken ertappt, z.B. einzelne Fahrzeuge eines Großdioramas auf diesem Weg zu beschaffen. Eduard präsentierte seine neue „Brassin"-Linie. Ein Kunstwort aus Brass (für Messing - also Ätzteile) und Resin. Denn genau wie diese Silbenverschmelzung sieht Eduard auch den Nutzen der Brassin-Sets: Ätzteile werden mit Resinteilen in einem Set so kombiniert, dass beide Materialien ihre Vorteile voll ausspielen können. Feine Details entstehen durch Ätzteile, während Teile, die im Vorbild z.B. rund sind und ein entsprechendes Volumen haben sollten, in Resin gegossen werden. Das Konzept an sich ist natürlich nicht neu. Ähnliche Sets aus beiden Materialien waren schon früher z.B. von CMK erhältlich. Aber Eduards Marketingabteilung weiß es wie gewohnt, die Vorteile dieser Materialkomposition klar zu kommunizieren. Hasegawa, Hobby Boss, IGB Models und LifecolorF-22 in 1:48 von Hasegawa Hasegawas Neuheitenpalette bestand zum Großteil aus Decalversionen und Conversions, also bekannten Bausätzen, die durch die Zugabe neuer Teile zu neuen Versionen werden. Airliner-Fans dürfen sich sogar über einen komplett neuen Bausatz in Form der Embraer E170 in 1:144 freuen. HobbyBoss dagegen brennt wieder einmal ein wahres Ankündigungsfeuerwerk ab, was echte Neuheiten angeht. Die Militärgilde wird sich wahrscheinlich am meisten auf das Eisenbahngeschütz Dora freuen, dass bereits im zusammengebauten Zustand bewundert werden konnte. Auch IBG Models macht weiter mit Neukonstruktionen von sich reden. Nachdem Chevrolet und Bedford Lkws in 1:72 gut angenommen wurden, wendet man sich nun dem Maßstab 1:35 zu. Unter anderem mit dem Einheitsdiesel in verschiedenen Varianten, z.B. als fast unaussprechlichen Fernsprechbetriebskraftwagen. Aber auch Bedford und Chevrolet Trucks sollen in 1:35 erscheinen. ICM, Italeri, Master Box und Mirage HobbyICM: Hs 126A-1 in 1:48 ICM kündigt für WKII Flugzeugbauer zwei Schmankerl in 1:48 an: Zum einen die Hs 162, die als Version A-1 sowie B-1 geplant ist, sowie den Aufklärer Fw 189 in den Versionen A-1 und A-2, ebenfalls im Quarter Scale. Aber auch die Militärbauer kommen auf ihre Kosten, wie oben zu sehen ist. Italeri bringt als Mainstream-Fabrikant natürlich einiges mehr an Neuheiten auf den Markt, als die Ukrainer. Decalvarianten, Konversionen und echte Neuheiten wie das African House, das besonders die Dioramenbauer erfreuen wird, und die F-35 in 1:72 waren am Stand in Halle 7 zu bewundern. Master Box hat sich bereits in der Vergangenheit als kreativer Kleinserienhersteller im Figurenbereich hervorgetan, was für 2009 eine Modell des Jahres Medaille der Modell Fan für das Set „Women at War: US Navy Waves" einbrachte. Sekunden vor dem Aufeinanderprallen zeigt eine ihrer neuen Figurenkomposition Japaner und Amerikaner auf Tarawa. Mirage Hobby zeigte sich wie schon in den letzten Jahren sehr „foto-kooperativ" und breitete ebenfalls auf dieser Messe bereitwillig ihre Top-Neuheiten für uns auf dem Tisch aus. Plus Model und RevellPlus Model: Wheels for Mercedes L4500A, 1:35 Plus Model ist immer wieder für kreative Kleinserien-Kits von Originalen abseits der ausgetretenen Plasikpfade gut. Im ersten Moment recht unscheinbar, erschließen sich nach kurzem Überlegen z.B. unzählige Verwendungsmöglichkeiten der neuen Paletten samt „Ameise" im Maßstab 1:35. Logistik ist im Militärbereich beim Vorbild immer ein Thema. Revell hatte wieder seinen angestammten Platz in Halle 12.2 bezogen, in direkter Nachbarschaft zu Lego, Mattel und anderen Branchenriesen. Und so ging es auf dem Stand der Bündener auch nicht nur um Plastikmodellbau, sondern auch insbesondere um den RC-Bereich, der von Jahr zu Jahr ein wichtigeres Thema zu werden scheint. Dass mit Bae Hawk, He 111 und Arado Ar196 gleich drei komplett neue Flugzeug-Kits in 1:32 erscheinen, soll jedoch reiner Zufall sein, und per se erst einmal nicht zur Regel werden. SKP Model, Tamiya und TrumpeterSKP Model: Berge-Hetzer in 1:35 SKP Model teilte sich den Messestand mit Plus Model und Hauler und hatte ebenfalls Bausätze dabei, die man im Programm von Großserienherstellern vergeblich sucht. Tamiya hat u.a. das British Light Utility Car nun von 1:48 auf 1:35 hochskaliert und erfreut dafür die 48er Fangemeinde mit einem Figurensatz, der U.S. Navy Piloten des 2. Weltkriegs beim Pre-Mission Briefing an Deck zeigt. Aus neuen Formen stammt der Aston Martin DBS in 1:24 inkl. Motornachbildung. Trumpeter macht es wie erwartet HobbyBoss nach (bzw. vor) und bringt wieder eine Flut an Konversionen und echten Neuheiten auf den Markt. Neue Super Sabres in 1:48 gehören genauso dazu wie die bereits vor längerer Zeit angekündigte Fw 200 in 1:72. Militärmodellbauer werden für die MT1083 Familie in 1:35 dankbar sein, gehört wie weiter oben bereits erwähnt doch die Logistik als wichtiger und fester Bestandteil jeder Armee bei allen Operationen dazu. Bei Z wie Zvezda endet unser Messerundgang. Dort war man besonders auf den Dreamliner B787 in 1:144 stolz. Andere Neuheiten werden eine Fokker F-VIIB/3M und eine weitere Ju 88 Variante (A-17/A-5) in 1:72 sein. Und auch in Russland setzt man auf das Segment Steckbausatz, wie das letzte Bild des T-34 in Easy Kit Ausführung zeigt. Zum Abschluss sei noch auf ein interessantes BGH Urteil hingewiesen, dass im Januar kurz vor der Messe im Rechtsstreit zwischen Opel und einem Modellautohersteller gesprochen wurde. Opel hatte gegen den Modellhersteller geklagt, weil dieser ohne Lizenzvereinbarung das Opel-Logo auf einem Opel-Modell benutzt hatte. Der BGH gab dem Angeklagten Recht und urteilte, dass Modellnachbildungen keine Markenverletzung darstellen, solange es eindeutig ersichtlich ist, dass das Modell kein Produkt des Originalherstellers (in diesem Fall Opel) ist. Dieses Urteil wird nun in der Branche als wegweisend angesehen, da fast jeder große Modellhersteller Lizenzvereinbarungen mit Originalherstellern unterhält. Auch wenn es weiterhin Lizenzvereinbarungen geben wird, da diese dem Modellhersteller ja auch Zugang zu den Konstruktionsdaten der Originale etc. bieten, stärkt das Urteil zumindest die Verhandlungsposition der Modellindustrie in Sachen Lizenzvereinbarungen. Mehr zu diesem Urteil gibt es im Netz bei der Suche nach "AZ: I ZR 88/08 Opel-Blitz II".
Bernd Korte Publiziert am 12. Dezember 2009 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |