Givaudan I (1909)“Man weiß erst, dass etwas nicht funktioniert, wenn man es ausprobiert hat”von Jürgen Wagenknecht (1:72 Eigenbau)Das Original
Der Franzose Claude Givaudan (1872 - 1945) war ein Ingenieur, der für die Autofirma Vermorel kleine motorisierte Dreiräder baute. Hier entwickelte er auch sein erstes Flugzeug, welches durch sein sehr ungewöhnliches Design auffiel. Anstelle normaler Flügel baute er zirkulare Flügel. Diese bestanden aus einer inneren und äußeren Trommel, in die insgesamt acht Flügel sternförmig eingebettet waren. Zwei dieser Trommeln wurden mit einem Rumpf verbunden. Die hintere Trommel sollte der Längsstabilität dienen. Die vordere Trommel war in der Höhe und Seite beweglich und war für die Steuerung zuständig. Der Rumpf war als offene Gitterkonstruktion aus eckigen Metallrohren ausgebildet und nahm den Sitz, Tank, Motor, die Trommeln und das vordere Fahrwerk auf. Das hintere Fahrwerk war direkt an der hinteren Trommel angebaut. Dabei saß der Fahrer direkt hinter dem Motor, der wiederum sich hinter der vorderen Trommel befand. Über eine lange Welle trieb der Motor den an der Rumpfspitze befindlichen 2,40 m großen Zugpropeller über ein Getriebe an. Als Antrieb diente ein luftgekühlter 40 PS Vermorel V8-Motor. Dieser war bereits ca. 10 Jahre vorher entwickelt worden und damit einer der ersten, wenn nicht sogar der erste V8-Motor.
Die Givaudan blieb natürlich am Boden. Ein Zeitgenosse von Claude Givaudan meinte, er hätte nicht Angst davor, dass Givaudan Misserfolg hätte, sondern davor, dass er Erfolg habe.
Claude Givaudan blieb der Fliegerei weiter verbunden und starb 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg als Vizepräsident des französischen Aeroclubs. Auch eine weiterentwickelte Version seiner Givaudan mit Dreideckerflügeln beidseitig der vorderen Trommel blieb erfolglos. Quellen:
Das Modell
Mit der Givaudan wollte ich einen weiteren Exoten in meine Sammlung aufnehmen. Wie immer begann die Umsetzung des Projekts mit der Suche nach brauchbaren Unterlagen. Hier wurde man fündig mit einigen Originalfotos und dem Dreiseitenriss aus der Patentzeichnung. Danach kam dann die leider obligatorische Suche nach den Gründen, warum die Originalfotos nicht mit dem Dreiseitenriss übereinstimmen. Das war hier aber glücklicherweise relativ einfach. In der Patentzeichnung war ein Vierzylinder-Reihenmotor vorgesehen. Der dann verwendete V8 war wohl um einiges schwerer, wodurch der Rumpf im Bereich des Motors durch zusätzliche Rohre verstärkt wurde. Dadurch passte die vordere Trommel, die zuvor gleich groß wie die hintere Trommel angedacht war, nicht mehr über den Rumpf und musste entsprechend vergrößert werden. Die neuen Trommelabmessungen waren in Opdyckes Buch enthalten. Für die vordere Trommel habe ich das Originalgelenk nachgebaut, so dass die Trommel auch bei meinem Modell schwenk- und neigbar ist. Ansicht von oben, Trommel Anschlag links
Zuerst baute ich den Rumpf aus Evergreen-Profilen. Die gebogenen Bereiche wurden mit Vierkantdraht der gleichen Größe gebaut. Die äußeren Trommeln entstanden aus Kunststoffteelichtern. Für die vordere Trommel passte der Durchmesser perfekt. Für die hintere Trommel wurde der Durchmesser verkleinert, indem ein Streifen herausgeschnitten wurde und dann die Trommel stumpf mit Sekundenkleber wieder verbunden wurde. Durch die Wölbung des Kunststoffs klappte dieses alles sehr gut. Die inneren Trommeln bestehen aus unterschiedlichen runden Deckeln bzw. Verpackungen, die verbindenden Flügel dann aus Plastiksheet.
Der Motor besteht aus verschiedenen Evergreen-Profilen und für die Zylinder Kerbstiften, die mit ihren konzentrischen Rillen gute Kühlrippen abgeben. Da der Motor auf den Fotos nicht gut ersichtlich ist, benutzte ich, um die Informationslücken zu schließen, Konstruktionsdetails aus anderen Vermorel-Motoren und zeitgenössischen Konstruktionen. Die Auspuffrohre sind aus abgelängten Kanülen von Spritzen entstanden. Die Zündkabel sind aus dünnen Draht. Insgesamt besteht dann der Motor aus 98 Einzelteilen.
Das vordere Getriebe besteht ebenfalls aus Evergreen-Profilen, das Kardangelenk aus Flachdraht. Um den Propeller drehbar zu lagern, wurde quasi als Gleitlager ein Stück Spritzenkanüle eingebaut. Die Propellerwelle besteht aus einem Stück Stecknadel, die genau den passenden Durchmesser hatte.
Der Sitz besteht aus einem Stück Blech von einem Rahmen für PE-Teile. Für die Felgen kamen wieder Räder von dem Part-Satz für Speichenräder zum Einsatz. Die Reifen sind aus gebogenem Draht. Das Fahrwerk besteht aus Draht, Evergreen-Profilen und Spritzenkanülen. Die Kanülen deshalb, um die Federung des vorderen Fahrwerks nachzubauen. Hier sind auch winzige richtige Federn verbaut worden.
Die Farbgebung des Models ist fiktiv, da es keine Angaben dazu gibt. Auf allen Fotos sind die Trommeln extrem hell, während der Rumpf, je nach Lichteinfall in der Helligkeit variiert. Somit habe ich mich für Weiß für die Trommeln und Hellgrau für den Rumpf entschieden. Wie bei mir üblich, wurde mit Pinsel bemalt und die Verspannung mit dünnem Draht ausgeführt.
Jürgen Wagenknecht Publiziert am 14. September 2024 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |