Bristol Racer (Type 72)von Jürgen Klinglhuber (1:72 AviS)
1921 beendete die Firma Bristol erfolgreich die Arbeiten an dem neuen luftgekühlten Neunzylinder-Sternmotor Jupiter IV. Mit 436 PS zählte er zu den leistungsfähigsten Motoren der damaligen Zeit. Diesen neuen Motor in ein Flugzeug zu bauen und zu versuchen, einen Geschwindigkeitsrekord für Flugzeuge zu erzielen, ist also durchaus naheliegend - im November 1921 begann man somit bei Bristol Aeroplane Company mit der Entwicklung eines Rennflugzeuges, bei dem man die neuesten Erkenntnisse aus Aerodynamik und Technik einfließen lassen wollte. Der Entwurf war so radikal anders, dass sein ungewöhnliches Design bei den etablierten Flugzeugbauern nur ein Kopfschütteln erzeugte. Die Maschine war nämlich als Eindecker mit freitragenden Tragflächen, völlig verkleidetem Motor, aerodynamisch gestaltetem Rumpf in Halbschalenbauweise und einem einziehbaren Fahrwerk ausgelegt. Aerodynamisch hatte man sich der Tropfenform angenähert, die für niedrigste Widerstandswerte stand und so für ein Rekordflugzeug besonders geeignet schien.
Im Juni 1922 war die Maschine fertiggestellt und erhielt einen glänzenden roten Anstrich und die zivile Kennung G-EBOR. Da man mit der Maschine noch am Aerial Derby ‘22 teilnehmen wollte, wurde die Startnummer 10 in weißer Farbe beidseitig auf die Seitenleitwerksflosse gepinselt. Inzwischen hatte man bei Bristol die ersten Standläufe durchgeführt und stellte fest, dass der Spinner enorme Schwingungen erzeugte und auch nicht den erwarteten positiven Effekt auf die Kühlung des Motors hatte. Anfang Juli startete man mit dem Racer zum Erstflug. Kaum war die Maschine in der Luft, gaben die freitragenden extrem dünnen Tragflächen nach und begannen zu schwingen und die Maschine ging in einen beinahe unkontrollierbaren Flugzustand über. Nur mit knapper Not gelang es, wieder sicher zu landen. Zur Stabilisierung der Tragflächen wurden diese jetzt mit je zwei profilierten Stahldrähten oben und unten gegen den Rumpf verspannt.
Beim zweiten Flug ließ sich der Racer zwar besser steuern, aber der Spinner hatte Unwucht, beschädigte in der Folge die Windschutzscheibe sowie Teile der linken Tragfläche. Den dritten Flug führte man dann ohne Spinner aus. Allerdings merkte man nun den erhöhten Luftwiderstand an der Geschwindigkeit. Bei diesem Flug wurde die sehr träge Reaktion auf Steuerbewegungen und die dazu notwendigen Steuerkräfte bemängelt. Aus diesem Grund wurde die Maschine erneut umgebaut, um die Steuerknüppelwirkung zu verstärken. Schon beim nächsten Flug klemmten aber die modifizierten Steuerseile, so dass wieder eine gefährliche Situation entstand. Nach geglückter Landung wurden diese Umbauten wieder entfernt und durch eine Alternative ersetzt. Gleichzeitig kürzte man die Querruder um 40 Prozent und ein neuer Kegelstumpf-Spinner wurde angebracht. Dieser war mit Drähten zu seiner Mittelachse verspannt und auf dem Propellerkopf verschraubt worden. Zusätzlich verfügte dieser nun über kleine Schaufeln, die die Kühlluft zum Motor leiten sollten. Mit dieser Konfiguration wurden weitere drei Flüge durchgeführt, wobei es aber wieder zu Schwingungen an dem Flugzeug kam.
Schließlich brach man das ganze Projekt Mitte 1923 ab. Insgesamt hatte der Racer sieben Flüge durchgeführt mit einer Gesamtflugzeit von knapp vier Stunden. Bei zwei Flügen war das Hauptfahrwerk ein- und ausgefahren worden. An Wettbewerben hatte die Maschine nicht teilgenommen und der Geschwindigkeitsrekord wurde auch nicht aufgestellt. Man stellte sie erst im Hangar ab, bis sie schließlich Ende 1924 ein unrühmliches Ende fand und verschrottet wurde. Jürgen Klinglhuber Publiziert am 24. August 2023 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |