USS Enterprise (CVN-65)von Stefan Fraundorfer (1:350 Tamiya)Prolog„Mehr Feuerkraft braucht das Land“ mögen sich die Verantwortlichen gedacht haben, als sie den Bau des weltweit ersten durch Kernenergie angetriebenen Flugzeugträgers beauftragten. Die USS Enterprise (CVN-65) wurde am 4. Februar 1958 auf Kiel gelegt, am 24. September 1960 vom Stapel gelassen und am 25. November 1961 in den Dienst der US Navy gestellt. Bis zu ihrer letzten Einsatzfahrt Ende November 2012 spielte sie in den meisten größeren Weltkonflikten der letzten 50 Jahre eine Rolle. Von der Kuba-Krise bis zum Krieg in Afghanistan war die Big E – so ihr Spitzname – 25 Mal auf Einsatzfahrt. Zum VorbildMit einer beeindruckenden Länge von 342,3 m, einer Flugdeck-Breite von 78,4 m, einem Tiefgang von 11,9 m und einem Gewicht von stolzen 93.500 Tonnen war die Enterprise für viele Jahre das größte Kriegsschiff auf dem Globus. Sie war das achte Schiff und nach der Enterprise aus dem Zweiten Weltkrieg der zweite Flugzeugträger mit diesem Namen in der US-Marine. Sie war das erste und einzige einer ursprünglich auf sechs Schiffe geplanten Klasse von Flugzeugträgern, die aus Kostengründen nicht gebaut wurden. Der Name des Schiffes wird in Zukunft vom aktuell im Bau befindlichen Flugzeugträger USS Enterprise (CVN-80) angenommen werden. Die acht Druckwasserreaktoren lieferten über 32 Wärmetauscher den Dampf für vier Getriebeturbinen, die ihre Leistung an je eine Welle mit je einer fünfblättrigen Schraube abgaben. Die Gesamtleistung der Antriebsanlage betrug 280.000 Wellen-PS. Die Höchstgeschwindigkeit betrug etwa 36 Knoten, die Reichweite mit einer „Reaktorfüllung“ lag seit 1981 bei 800.000 Seemeilen oder 13 Jahren Laufzeit. Da die Kernreaktoren keine Treibstofftanks benötigten, konnte die Enterprise weitaus mehr Flugzeugtreibstoff für ihre Luftgruppe (8.500 Tonnen, ausreichend für zwölf Tage Flugbetrieb), aber auch Schweröl für andere Schiffe des Kampfverbands mitführen. Die Steuerung erfolgte durch vier je 35 Tonnen schwere Ruder, die dem Schiff eine bessere Manövrierfähigkeit als bisher verwendete Zweiruderanlagen gaben. Zur Selbstverteidigung des Trägers wurde 1967 ein Sea-Sparrow-Starter installiert, später kamen noch zwei weitere Starter an Bord. Mit der Modernisierung von 1979 bis 1982 erhielt die Big E auch drei Mk.15-Phalanx-Nahbereichsverteidigungssysteme, zwei davon wurden mittlerweile aber durch RAM-Starter ersetzt. Das Bordgeschwader der Enterprise konnte aus bis zu 110 Flugzeugen bestehen. Normalerweise befanden sich etwa 80 bis 90 Maschinen verschiedener Typen an Bord. Die Besatzung bestand aus etwa 3.000 Mannschaften und 300 Offizieren, dazu kamen noch etwa 2.500 Mann des Carrier Air Wing. Die Enterprise wurde bei ihren Einsatzfahrten von einer Flugzeugträgerkampfgruppe begleitet, die den Träger vor Gefahren schützte, aber auch offensive Kapazitäten lieferte. Die Kampfgruppe setzte sich zumeist aus mehreren Schiffen zusammen, darunter Lenkwaffenkreuzer, Zerstörer, Fregatten und U-Boote sowie Trossschiffe. Nach der Deaktivierung der Big E am 1. Dezember 2012 wurde bis Ende 2016 das nukleare Material bei Newport News Shipbuilding aus dem Schiff entfernt. Die offizielle Außerdienststellung erfolgte am 3. Februar 2017. Nach Angeboten und Schätzungen kann die Verschrottung 5 bis 10 Jahre dauern und bis zu 1,3 Milliarden Euro kosten. Bausatz und BauprozessDen altehrwürdigen Bausatz von Tamiya, der aus dem Jahr 1984 stammt, habe ich von meinem Schwiegersohn zu Weihnachten geschenkt bekommen. Da wollte ich mir natürlich keine Blöße geben und das riesige Modell mit einer Länge von einem Meter und fünf Millimetern, so gut ich eben konnte, bauen. Am 6. Jänner 2021 legte ich die Enterprise auf Kiel und schnell wurde mir klar, dass die Detaillierung des Tamiya-Bausatzes nicht meinen Ansprüchen genügen würde. Ich wurde beim tschechischen Ätzteilespezialisten Eduard fündig, der für die Big E einige Platinen im Programm hat. Mit diesen Fotoätzteilen kann man die Detaillierung des Trägers wirklich auf die Spitze treiben. Ich gebe allerdings offen zu, dass ich nicht alle PE-Teile verwendet habe, weil viele davon für mich einfach schon zu filigran bzw. zu kompliziert zu biegen waren. Aber alleine die Relings oder die Sicherheitsnetze bringen eine deutliche Aufwertung des Modells. Wer sich die Baustufenfotos ansieht, kann einen guten Eindruck davon gewinnen, wie positiv sich Eduards Fotoätzteile auf das Erscheinungsbild auswirken.
Weil ich anfangs recht zügig vorankam, dachte ich, das Modell könnte bis zum 60. Jahrestag der Indienststellung, also bis zum 25. November 2021, fertig werden. Doch weit gefehlt – erst am 19. März 2023 war es endlich soweit. Die umfangreichen Detaillierungen mit den Ätzteilen, die Lackierarbeiten, die Alterung des Schiffes und vor allem die Herstellung des Bordgeschwaders brauchten einfach seine Zeit – und ich brauchte auch die eine oder andere Pause, um die Motivation wieder anzuheizen. Über die Passgenauigkeit der Tamiya-Teile kann ich übrigens nicht schimpfen – das haben die Japaner auch 1984 schon perfekt gekonnt. Nur beim Zusammenbau des Rumpfes mit der Bugsektion musste ich spachteln und schleifen. Ansonsten konnte das Putty in der Tube bleiben. Weil für die vielen Markierungen des Trägerdecks keine Decals beilagen, musste alles maskiert und mit der Airbrush lackiert werden – was im Nachhinein aber ohnehin klar besser aussieht. Auch hier ein Lob an Tamiya: die Ränder dieser Decksmarkierungen sind als feine Linien leicht erhaben dargestellt, was die Maskierarbeiten deutlich erleichtert.
Ich wollte keinesfalls eine Enterprise, die aussieht, als käme sie auf Hochglanz geputzt frisch aus der Werft. Es gibt viele Fotos im Internet, bei denen man meinen möchte, die Big E hat es kaum noch in den nächsten Hafen geschafft, so verrostet sah sie zum Teil nach einem langen Einsatz aus. So krass wollte ich das Modell dann doch wieder nicht haben, aber eine gewisse Alterung musste einfach sein. Dafür habe ich diverse Produkte von AK Interactive, Ölfarben und Weathering-Sets von Tamiya verwendet.
Carrier Air Wing 8Tamiyas Bausatz enthält auch einige Flugzeuge, unter anderem Tomcats, Hornets und Vikings. Leider sind die beiliegenden Decals bestenfalls als rudimentär zu bezeichnen. Es sind nämlich nur die amerikanischen Hoheitszeichen und die Aufschriften „Navy“ vorhanden. Mein Ziel war aber, dass man die Maschinen diverser Staffeln also solche erkennen kann und vor allem wollte ich auch die sogenannten CAG Birds darstellen. So werden Flugzeuge bezeichnet, die in einem Trägergeschwader (Carrier Air Wing) der US Navy formal dem kommandierenden Offizier (Commander Air Group, CAG) zugeordnet sind und sich von den anderen „einheitsgrauen“ Flugzeugen durch ihre auffällige Farbgebung abheben. Leichter gesagt, als getan. Es gibt zwar ein paar Decal-Anbieter, aber die Verfügbarkeit ist sehr stark eingeschränkt. Nur Starfighter Decals aus den USA konnte einen passenden Decalbogen für die Enterprise liefern: Carrier Air Wing 8, Operation Enduring Freedom, 2001. Damit ergab sich aber folgendes Dilemma – und echte Marine-Spezialisten werden es schon erkannt haben: Der Bauzustand der Big E von Tamiya aus 1984 passt nicht zum Jahr 2001, weil bis dahin einige Umbauten am Träger vorgenommen wurden. Letztendlich dachte ich mir aber „was soll’s – es wird trotzdem gut aussehen“, nahm das, was ich zur Verfügung hatte und kann sehr gut damit leben. Grumman E-2 Hawkeye
Übrigens bietet der Decalbogen auch die Möglichkeit neben den oben erwähnten F-14, F/A-18 und den Vikings auch Hawkeyes, Prowlers und Seahawks zu dekorieren. Diese drei Flugzeuge bzw. Hubschrauber habe ich mir von Trumpeter zugelegt, die doch um einiges besser detailliert sind als die von Tamiya. Jedenfalls musste an den kleinen Modellen einiges umgebaut und verbessert werden. Am Beispiel der Lockheed S-3 Viking erkläre ich kurz die wichtigsten Schritte: absägen der Tragflächen im richtigen Winkel, aufbohren der Triebwerksein- und -auslässe, anbringen angedeuteter Faltmechanismen und Tragflächenhalterungen sowie ankleben der Flügel in gefaltetem Zustand. Lockheed S-3 Viking
Ich habe versucht, alle Flugzeuge soweit wie möglich mit der Airbrush zu lackieren - also auch die Cockpitkanzeln, um saubere und scharfe Ränder zu erhalten. Ganz ist mir das leider nicht gelungen, die Prowlers und die Hawkeyes waren zu kompliziert zu maskieren, da musste ich mit dem Pinsel ran - was man auf den Bildvergrößerungen leider auch deutlich sieht. McDonnell Douglas F/A-18 Hornet
Teilweise frustrierend waren die Starfighter-Decals. Während die einfarbigen Nassschiebebilder fehlerfrei gedruckt worden sind und gute Ergebnisse brachten, sah es bei den mehrfarbigen Decals für die CAG Birds ganz anders aus. Sie wiesen enormen Versatz auf, den ich nur an manchen Stellen mit Farbe und Pinsel kaschieren konnte. Nach der Anbringung von mehr als 600 Decals auf den 27 Flugzeugen und den drei Hubschraubern habe ich die Winzlinge auch noch etwas gealtert, weil Navy-Maschinen oft sehr abgeflogen aussehen. Grumman EA-6B Prowler
Vier der insgesamt acht Tomcats auf dem Trägerdeck gehörten damals zur VF-41 „Black Aces“. Die anderen vier F-14A flogen für die VF-14 „Tophatters“. Bei den Hornets gehörten vier zur VFA-15 „Valions“ und vier zur VFA-87 „Golden Warriors“. Die Vikings tragen die Markierungen der VS-24 „Scouts“, die Hawkeyes die der VAW-124 „Bear Aces“. Die Seahawks flogen für die HS-3 „Tridents“ und vier der fünf Prowlers standen in Diensten der VAQ-141 „Shadowhawks“. Grumman F-14A Tomcat
Um noch mehr Leben auf das Flugdeck zu bringen und dessen Dimensionen besser einschätzen zu können, habe ich einige fotogeätzte und bereits farbig bedruckte Figuren von Eduard angebracht. Auch wenn diese einmal gefaltet werden und so ein wenig mehr Volumen bekommen, bleiben sie doch zweidimensional. Aber auch damit kann ich leben. Sikorsky HH-60H Rescue Hawk
Verwendetes Zubehör
FazitObwohl der Bau der Enterprise über weite Strecken ein Vergnügen war, hat er mir doch die Grenzen meiner Fähigkeiten aufgezeigt - vor allem im Umgang mit filigransten Fotoätzteilen und winzigsten Decals. Auch die Dauer des Projekts, die ich völlig unterschätzt habe, hat schon etwas an meiner Motivation genagt. Trotzdem bin ich froh, die Big E fast so hinbekommen zu haben, wie ich mir das vor Baubeginn vorgestellt habe. Und jetzt steht ein wirklich imposantes Modell in meiner Vitrine – das hat was, und ist genügend Lohn für die investierte Zeit. Viel Spaß mit den Bildern!
Stefan Fraundorfer, Publiziert am 17. Juni 2023 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |