Martin P5M Marlinvon Roland Sachsenhofer (1:72 Hasegawa)
Großen Flugbooten ist Dramatik eingeschrieben, ein spektakulärer Auftritt ist ihnen gewissermaßen von Haus aus sicher. Es muss ein atemberaubendes Erlebnis gewesen sein, wenn ein gut dreißig Meter langes Flugboot, wie diese Martin P5M Marlin, unter dem Dröhnen seiner unter Volllast laufenden, je 3.500 PS liefernden Wright 3350 Motoren das Wasser zum gischten brachte, um die 36.000 Kilo maximales Abfluggewicht in die Luft zu bringen. Mit 240 km/h Marschgeschwindigkeit patrouillierte die Marlin bei einer Reichweite von 3.300 Kilometern, gut 400 km/h war als Höchstgeschwindigkeit zu erwarten. Elf Besatzungsmitglieder waren in der Regel notwendig, um die Aufgaben, für die dieses riesenhafte Flugboot geschaffen worden war, zu erfüllen.
Die Seeraumüberwachung und die Jagd auf U-Boote war das Metier, in der die Martin PM5 Marlin brillierte. Der Entwurf setzte in direkter Linie eine Erfolgsgeschichte fort, die mit Martins PBM Mariner gut 15 Jahre zuvor begonnen worden war. Die Glenn L. Martin Company konnte zu diesem Zeitpunkt auf eine bis ins Jahr der Firmengründung zurückreichende Tradition im Bau von Wasserflugzeugen zurückgreifen. Ab 1940 wurde die PBM Mariner im Auftrag der US Navy in die Serienfertigung gegeben. Insgesamt konnten zwischen 1940 und 1949 die imposante Zahl von 1.285 Exemplaren dieses großen Flugbootes gefertigt werden; ein Beleg für die Leistungsfähigkeit und den ausgezeichneten Ruf, den sich dieser Typ während seiner langen Karriere in den Kriegsjahren und der Zeit des ausbrechenden Kalten Krieges erwerben konnte.
Mit dem Entwurf des neuen Modells Martin Marlin sollte der solide Grundentwurf der Mariner verbessert und das noch in ihm steckende Potential ausgereizt werden. Dementsprechend hielten sich die ersten Prototypen auch noch eng an die Auslegung des Ausgangsentwurfs. Allerdings hoben von Beginn an zwei Wright R-3350 Sternmotoren, bis heute eines der stärksten je gebauten Kolbentriebwerke, die zur Verfügung stehende Leistung in eine neue Klasse.
Im Zuge der Erprobung des 1948 erstmals geflogenen Prototypen XPBM-1 wurden beständig Veränderungen eingearbeitet, damit entfernte sich auch die äußere Gestalt immer deutlicher vom Vorbild der Mariner. So wurde ein T-Leitwerk Standard, ebenso musste die Form des Bootsrumpfes im Bereich des Bugs neu gestaltet werden, um die Seegängigkeit zu optimieren. Interessanterweise hatte dazu das Vorbild des leitungsstarken japanischen Flugbootes H8K „Emily“ Anstoß gegeben.
Bis zum Erscheinen der endgültigen Serienversionen hatte die PBM Marlin auch die anfänglich noch eingebauten Waffenstände an Bug, Rumpfmitte und Heck verloren. Anstelle des vordersten Waffenturms wurde das Suchradar AN/APS-4 eingebaut, dessen nach vorne gezogene halbrunde Verkleidung das Erscheinungsbild der Marlin bestimmen sollte. Auch im Heck fand sich nun kein Drehturm mehr; anstelle dessen wurden Kuppeln für die visuelle Beobachtung eingebaut. Übrigens ist die längliche und mit einem halbrunden Abschluss versehene Röhre am äußersten Heckende keine Radarkuppel, sondern ein besonders spektakulärer Beobachtungsposten: das Besatzungsmitglied musste in diese Röhre kriechen, um dann, am Bauche leigend, durch ein nach unten gerichtetes Fenster die See zu beobachten!
Am weit über das Rumpfende hinaus gezogenen Ausleger der Leitwerksverkleidung befanden sich die fünf scheibenförmigen Detektoren des MAD-Systems. Damit konnte die Position getauchter U-Boote ermittelt werden, deren Bekämpfung zum Einsatzspektrum der Marlin gehörte.
Die Last an Abwurfwaffen wurde ganz in Tradition des Vorgängermusters Martin Mariner in den Schächtern hinter den Triebwerksverkleidungen mitgeführt. Das Gewicht dieser tödlichen Fracht an Minen, Wasserbomben oder Torpedos war erheblich: Bis zu 3.600 Kilogramm wurden intern geladen, noch einmal dreieinhalb Tonnen konnten an Unterflügelstationen außen befestigt werden.
Die P5M Marlin stand bei der US Navy im Einsatz sowie bei der US Coast Guard. Deren sieben Maschinen wurden allerdings schon nach kurzer Zeit wieder an die Navy zurückgegeben, Wartung und die Beschaffung von Ersatzteilen hatte sich im Vergleich zum Einsatzwert für die Küstenwache als zu aufwändig herausgestellt. Der Marine kam dies gerade recht: mit den unbewaffneten Marlins wurde eine eigene Trainingseinheit für angehende Marlin-Besatzungen bestückt. Der einzige weitere Halter sollte die französische Marine sein, an die zwischen 1957 und 1959 elf Exemplare dieses großen Flugbootes geliefert wurden. Diese kamen in Folge vom westafrikanischen Dakar aus zum Einsatz, wurden allerdings auch schon 1964 wieder verkauft.
Die Martin P5M Marlin, BuNo 135505, die ich mir hier als Vorbild genommen habe, wurde Ende der Fünfziger-/Anfang der Sechzigerjahre bei der „Maritime Patrol Squadron“ VP-45 geflogen. Diese ursprünglich in Florida stationierte Einheit hatte eine bewegte Geschichte und wurde an einigen Schauplätzen des in diesen Jahren eskalierenden Kalten Krieges eingesetzt. Die hier gezeigte Marlin war im Mai 1962 Teil der „Task Group Delta“, in deren Rahmen neue taktische Verfahren für die Seekriegsführung erprobt wurden, wenig später, im Oktober 1962, nahmen die Maschinen der VP-45 an den unübersichtlichen und brandgefährlichen Operationen rund um die sogenannte Kubakrise teil. Nie zuvor war die Welt derart nahe am Ausbruch des Atomkriegs gestanden.
Im Januar 1964 schieb die VP-45 noch einmal Geschichte: sie gab als letzte Einheit der Atlantikflotte ihre Flugboote ab; ab nun waren sämtliche Maritime Patrol Squadrons der US Navy ausschließlich mit Landflugzeugen ausgestattet, die Zeit der spektakulären Flugboote war nun endgültig vorbei. Zu Bausatz und zum Bauprozess
Der Bausatz der Marlin stammt aus dem Jahr 1971 und entspricht in jeder Weise dem von Hasegawa wesentlich mitformulierten hohen Standard der damaligen Zeit. Im Lichte dessen überrascht es natürlich nicht, dass Cockpit und Innenräume völlig oder so gut wie leer sind und die Detaillierung der Motoren nach heutigen Maßstäben mager erscheint. Andererseits erwartet den Modellbauer ein sinnvolles Teile-Layout und beste Passgenauigkeit.
Der Bau selbst ging daher schnell von der Hand und die auf diese Weise eingesparte Energie konnte in Nachdetailierung und Verfeinerung investiert werden. Das Cockpitinnere wurde komplett unter Zuhilfenahme von Ätzteilen, Gurten, Pilotensitzen etc. aus dem Fundus neu aufgebaut, die Motoren gewannen durch ein wenig Zuwendung in Form von Zündkabeln neues Leben.
Ein wenig Nachdenken verlangte die Herstellung der kreisrunden MAD-Detektoren am Heckausleger. Diese lagen in meiner Ausgabe des Bausatzes nicht bei - und wäre das der Fall gewesen, wären sie sicher zu grob ausgefallen - und mussten deshalb selbst gefertigt werden. Meine Lösung war, in eine Polystyrolplatte passende Bohrungen zu setzen, um danach das umgebende Material dann mit Gefühl so zurecht zu schneiden, dass die gewünschten Ringe entstanden. Diese Methode hat eigentlich auf Anhieb so gut funktioniert, dass ich sie jedem Modellbauer, der sich vor derselben Herausforderung sieht, empfehlen kann.
Die Markierungen für diese spezielle Maschine stammen übrigens von Caracal. Dieser Decalbogen ist nicht nur wegen der Bandbreite interessanter Marlins und der hohen Qualität sowie besten Verarbeitbarkeit der Decals empfehlenswert, sondern auch aus dem einfachen Grund, dass die aus grauer Vorzeit stammenden Decals des Bausatzes kaum mehr zu verwenden sein dürften.
Ein Thema bei „fliegenden Flugzeugmodellen“ ist naturgemäß die Besatzung im Cockpit. Hier habe ich zwei passende Figuren von „PJ Production“ so zu recht gezupft, dass sie als Pilot und Co eines Wasserflugzeugs der 60er Jahre durchgehen können. Dazu gehört neben einem passenden Schnauzbart auch ein Kopfhörer mit Bügel und Mikro aus Drahtlitzen.
Das Thema einer fliegenden Darstellung wird verschärft durch die Notwendigkeit, drehende Propeller hinzubekommen. Hier konnte ich auf jene Erfahrung zurückgreifen, die ich bei den Darstellungsversuchen von nun schon einigen „bewegten“ Modellen erwerben habe können. Spannend war für mich hier besonders die Frage, wie diese Methode im Maßstab 1:72 aussehen würde; bis dato habe ich drehende Propeller nur an Modellen in 1:48 oder größer versucht.
Ein wirklich großes Thema ist bei einem startenden Flugboot die Darstellung des Wassers rund um ein startendes Flugboot. Die Bilder der Bauphase zeigen die wesentlichen Schritte: auf die hölzerne Rückwand eines Bilderrahmens habe ich mit Ton die Basis der Wellen sowie des gischtenden Bereiches rund um das auf zwei Zapfen ruhenden Flugbootes gelegt. Die einzelnen Wellen wurden dabei mit den Fingerkuppen so in den Ton eingeprägt, dass die Windrichtung quer zur Längsachse des startenden Flugbootes zu liegen kommen würde.
Noch bevor der Ton ganz durchgetrocknet war, wurde mit etlichen Blau- und Grüntonen die Farbigkeit des Wassers festgelegt, danach konnte des ausgezeichnete „transparent water gel“ von AK aufgebracht werden. Im Anschluss - und auch hier noch vor dem völligen Durchtrocknen des Gels - wurden Gischtkämme einzelner Wellenspitzen mit Acrylfarbe angelegt. In einem abschließenden Schritt wurde nun noch das fertig gestellte Modell der Marlin platziert und das weiß gischtende Wasser mit handelsüblicher Watte angelegt. Dies war für mich nicht nur im Wesentlichen der Abschluss der Wasserdarstellung, sondern auch eine besonders vergnügliche Handlung!
Abschließend und um den Bogen zu schließen, darf ich sagen, dass es mich freut, mit dieser Darstellung einer startenden P5M Marlin der eingangs beschworenen Dramatik und dem spektakulären Auftritt eines großen Flugbootes eine Hommage erweisen zu können. Immerhin ist dies ein Anblick, der heute nicht mehr zu erleben ist!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates“. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at
Roland Sachsenhofer Publiziert am 10. Oktober 2022 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |