Miles Magistervon Roland Sachsenhofer (1:32 Mikro Mir)
Kaum zu glauben, dass ein derart konventionell aussehendes Flugzeug wie die Miles Magister aus einer Flugzeugschmiede hervorgegangen ist, die für unkonventionell ausgelegte Flugzeuge und neuartige Konzepte geradezu berühmt war! Auch wenn man bei Miles Aircraft diese Experimentierfreude nicht immer sofort in die erhofften Erfolge umsetzen konnte, so hatte man sich Anfang der dreißiger Jahre doch den soliden Ruf aufgebaut, mit zur Avantgarde der britischen Luftfahrtcommunity zu zählen.
Angetrieben von der energievollen und schillernden Persönlichkeit Frederick Miles war der „Miles Aircraft Ltd.“ - bis zum Jahr 1943 übrigens noch unter dem Namen „Phillips and Powis Aircraft“ firmierend - eine ganze Reihe höchst bemerkenswerter Entwicklungen gelungen. Darunter sind ausgesprochen ausgefallene Entwürfe wie die M.35 Libellula beziehungsweise die M.39B, beides Experimentalflugzeuge mit Tandemflügeln. Die kompetente Experimentierfreude wird ebenso durch die fortschrittliche Miles M.20 illustriert, die dem Air Ministry im schicksalhaften September 1940 vorgestellt wurde. Diese wies einige für Jagdflugzeuge zukunftsweisende Elemente auf; das Potential ihrer Leistungsfähigkeit hätte sie in der elitären Liga von Hurricane oder Spitfire mitspielen lassen. Als letztes Beispiel sei die noch während des Krieges projektierte Miles M.52 angeführt: heute weitgehend vergessen, hatte diese Konstruktion das Potential, als erstes Flugzeug die Schallmauer zu durchbrechen. Unter noch heute geheim gehaltenen Umständen wurden 1945 die gesamten Unterlagen der M.52 in die USA verbracht und an Bell übergeben; alle in Großbritannien verbliebenen Materialen sowie der bereits fertig gestellte Prototyp mussten, der Vereinbarung entsprechend, vernichtet werden. Es ist unbedingt wert, ein Bild der Miles M.52 mit einem der Bell X-1 von 1947 zu vergleichen, um sich selbst die vielleicht gar nicht überraschende Ähnlichkeit der beiden Entwürfe vor Augen zu führen! Nach dieser Vorrede fällt der Blick auf die hier vorgestellte Miles Master vielleicht etwas differenzierter aus. Ist dieser bekannte Trainer der Royal Air Force wirklich so bieder, wie der erste Blick vermuten lässt - oder steckt doch etwas von der „Miles-Genialität“ unter der Beplankung aus Stoff, Holz und Metall? Zur Miles Magister Mk.I
Tatsächlich steht hinter dem Entwurf ein interessanter Vorgänger: die Miles M.2 Hawk Major war ein agiles zweisitziges Renn- und Sportflugzeug, dass Frederick Miles 1934 in mehreren Ausführungen für den privaten Markt entwickelt hatte. So wie die spätere Miles Magister, wurde die Hawk Major vom de Havilland Gipsy Major Motor angetrieben. Über 240 km/h Höchstgeschwindigkeit machten sich für ein Sportflugzeug nicht schlecht - und brachten der Hawk Major nicht nur einen absatzsteigernden hervorragenden Ruf ein, sondern auch gute Platzierungen bei mehreren vielbeachteten Rennereignissen wie dem bekannten King´s Cup oder dem legendären McRoberston-Rennen, dass in mehreren Etappen von RAF Mildenhall nach Melbourne, Australien führte. Insgesamt entstanden 64 Exemplare dieses bemerkenswerten Sportflugzeuges.
1936 wurde „Air Ministry Specification T.40/36P" ausgegeben, die Miles mit einer Adaption der Hawk Major für sich entscheiden konnte. Im März 1937 fand der Erstflug statt und schon im Herbst des selben Jahres konnte die Serienfertigung des neuen Trainers beginnen. Bei Kriegsausbruch 1939 waren die ersten 700 Miles Magister an die verschiedenen Trainingseinheiten von Royal Air Force und FAA ausgeliefert.
Das passenderweise „Magister“, also „Lehrer“, getaufte Muster konnte ihre Abstammung von der Hawk Major optisch wie technisch nur schwerlich verleugnen. Allerdings erscheinen die überaus schnittigen Linien der Sportmaschine etwas entschärft, was wohl auch ihrer erhofften Eignung als Anfänger-Trainer geschuldet ist. Obwohl der bewährte Gipsy Major mit rund 130 PS beibehalten wurde, brachte es die Magister nur mehr auf gute 210 km/h Spitze. Der bald unter dem informellen Namen „Maggie“ bekannte Trainer erwies sich schnell als die erhoffte ideale Schulmaschine für die neue Generation an schnellen und fordernden Jagdeindeckern, die in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre den Einheiten der RAF zuliefen. Bis zum Produktionsende 1941 wurde dementsprechend auch die stattliche Anzahl von 1.293 Exemplare dieser bekannten und beliebten Schulmaschine ausgeliefert. Gemeinsam mit den ihren zahlreich eingezogenen „zivilen“ Vettern Hawk Major bildete der Typ während des Krieges eine der Säulen der Pilotenausbildung in Großbritannien. Nach dem Kriegsende konnten viele der nun nicht mehr benötigten Trainer unter der Bezeichnung Hawk Trainer III ein zweites Leben als zivile Sport- und Reiseflugzeuge beginnen. Zur Miles Magister R1918/ 312th Squadron
Mein Modell zeigt mit der Miles Magister R1918 eine „Maggie“, die im Sommer 1941 bei der 312. Squadron als Verbindungs- und Trainingsflugzeug eingesetzt wurde. Die „3er Nummer“ dieser Jagdstaffel sowie das Emblem vor dem Cockpit der Magister weisen auf eine interessante Besonderheit hin: die 312th Squadron war eine jener vier Jagdstaffeln der Royal Air Force, die 1940 mit aus Nazi-Europa entkommenen tschechischen Piloten gebildet worden war. 1941/42 kommandierte mit Alois Vašátko dementsprechend auch ein Tscheche die 312th Squadron. Ausgerüstet mit Hurricane und Spitfire fand sich der Jagdverband ursprünglich auf RAF Speke in der Nähe von Liverpool wieder. Nach mehreren Standortwechseln verlegte die Einheit kurzzeitig auf die Orkney-Inseln, bevor sie Ende 1943 in die 2nd Tactical Air Force (TAF) eingegliedert wurde. Bis Kriegsende flog die 312. ihre Einsätze über dem besetzten Westeuropa von verschiedenen Basen in Ostengland aus. Interessant: nach Kriegsende sollte der Verband als Einheit der RAF aufgelöst und das Personal sowie ein Großteil des Materials der neuen tschechoslowakischen Republik übergeben werden. Zu Bausatz und Bauprozess
Meine Freude war groß, als ich im Katalog von Mikro Mir ein baubar erscheinendes Angebot für die Miles Magister bemerkt hatte - und dies noch dazu im Maßstab 1:32! Meine Erfahrungen mit dem ukrainischen Hersteller beschränkten sich auf ein paar wenige Bausätze, so dass ich recht gespannt war, was mich nach dem Öffnen der Schachtel wohl erwarten würde. Ich darf gleich sagen: ich war sehr positiv überrascht und schnell überzeugt!
Die Ausstattung lässt kaum Wünsche offen. Neben ansprechend gespritzten und durchaus passfreudigen Kunststoffteilen finden sich eine gut gefüllte Ätzteilplatine sowie ein höchst willkommener Bogen mit Abklebemasken. Die Decals sollten bei ihrer späteren Verwendung den ersten Eindruck belegen: sie sind von wirklich ausgezeichneter Qualität!
Ein echter Höhepunkt ist die Darstellung des Gipsy Six Motors: wunderbar mit klaren und fein ausgeprägten Teilen vorbereitet und durch Ätzteile unterstützt, kann schon „OOB“ eine ansprechende Darstellung des Sechszylinders gelingen. Nachdem eine Darstellung mit offenen Motorklappen von der Bauanleitung her nicht vorgesehen war, wollte ich dieses Prachtstück sozusagen nicht unkommentiert in der Versenkung verschwinden lassen. Ich habe mir also den Spaß erlaubt, den Motor nach dem Besten meiner Möglichkeiten zu detaillieren um ihn sodann in artgerechter Weise als „Modell im Modell“ abzulichten. Danach konnte ich ihn mit besserem Gewissen zwischen die beiden massiv gegossenen Halbschalen der Cowling verschwinden lassen.
Ergänzungen wurden am Modell nur in sehr kleinem Umfang durchgeführt: die beiden Instrumentenbretter bekamen aus der Literatur farbig kopierte und mit „Klearfix“ verschönerte Instrumente, die Sitzgurte wurden aus dem Sortiment von Eduard genommen, weiters wurden nur noch die offen liegenden Steuerseile/Gestänge im Heck mit feinem Stahldraht nachgebildet. Nun war ich anfangs noch unsicher, was mich hier erwarten würde, kann ich abschließend ein sicheres Urteil abgeben: das war eines der vergnüglichsten und kurzweiligsten Modellbauprojekte, die ich je das Vergnügen hatte, durchzuführen!
Zufällig kam mir beim Fotografieren noch etwas Personal zu Hilfe: die vier Figuren aus dem Figurenset „RAF cadetts“ von ICM, eigentlich zu deren Tiger Moth gehörend, sollten eigentlich auch bei einer Miles Magister eine gute Figur machen!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 16. August 2023 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |