Boulton Paul Defiantvon Roland Sachsenhofer (1:72 Airfix)
Die Briten haben es tatsächlich zuwege gebracht, nicht nur einen, sondern gleich zwei „Turmjäger“ in Serie gehen zu lassen - und diese auch gemäß der aus dem ungewöhnlichen Aufbau resultierenden Taktik einzusetzen. Während Blackburns „Roc“ in den Staffeln der FAA nur einzelne Feindberührungen zu verzeichnen hatte, blieb ihrer Zeitgenossin in den Reihen der Royal Air Force dagegen wenig erspart. Noch vor Ausbruch des Krieges war die Boulton Paul Defiant erprobt und an die Frontstaffeln ausgeliefert worden. In „Britains finest hour“ erlebten die Besatzungen während der frühen Phase der „Battle of Britain“ tatsächlich einige Sternstunden: manche Jagpiloten der Luftwaffe erwischte es böse, als sie die vermeintlichen einsitzigen Jäger in bester Schussposition von „hinten oben“ angreifen wollten. Allerdings dauerte diese Phase nur jene kurze Zeit an, bis die Deutschen die wahre Natur dieser Gegner erkannt hatten und nun bevorzugt frontal von vorne angriffen. Ein für Defiant-Besatzungen fatales Vorgehen: ohne jede nach vorne feuernde eigenen Bewaffnungen war der Turmjäger schutzlos.
Allgemein gesprochen kann man den Mut der Defiant Besatzungen nur bewundern; speziell der Bordschütze hatte nicht nur in äußerst beengten Verhältnissen komplexe Aufgaben zu erfüllen; seine Chancen auf einen erfolgreichen Absprung im Notfall waren zudem…erschreckend. Es lohnt durchaus, sich in der einschlägigen Literatur einmal die auf die engsten Platzverhältnisse zugeschnittene Adjustierung sowie den Bordschützen-Arbeitsplatz selbst anzusehen - nichts für Klaustrophobiker!
Der Verluste stiegen über den Sommer 1940 in untragbare Höhen, so dass die Defiant aus der vordersten Linie genommen werden musste. Ein zweites Leben bahnte sich zeitgleich mit der Notwendigkeit an, eine funktionierende Nachtjagd gegen die vermehrt einfliegenden deutschen Bomber aufzubauen. Dies kam dem ursprünglichen Einsatzkonzept der Defiant nahe, deren schwerer Vierlingsturm ursprünglich ja als „Bomberkiller“ geplant war. Die Erfolge, die sich in der neuen Aufgabe bald einstellten, sicherten dem Muster eine weitere Verwendung, bis sie durch neue Muster wie die Beaufighter oder dann die Mosquito abgelöst wurde.
Defiants trugen aber auch danach in weniger glamourösen aber nicht weniger wichtigen Bereichen weiter zu Großbritanniens Kriegsanstrengungen bei. Maschinen der beiden gebauten Versionen Mk.I und Mk.II wurden mit Erfolg zur Luft-Seerettung und bei der Ausbildung als Zielschlepper bis Kriegsende verwendet.
Ein verdientes Einsatzmuster also, das durch alle Kriegsjahre im Einsatz stand… Leider war es als Modell bis vor kurzem nur in wenigen, durchwegs nicht mehr zeitgemäßen Bausätzen zu erhalten. In 1:72 ist Modellbauern meines Jahrgangs meist der altehrwürdige Bausatz aus dem Hause Airfix in Erinnerung. Schön ist, dass unlängst aus demselben Haus eine würdige Erneuerung in die Regale gekommen ist. Was Airfix hier anbietet ist wirklich in allen Kategorien zu loben: Die nun schon gewohnte hohe Qualität der neuen Airfix-Produktionen an Passgenauigkeit, Sinnhaftigkeit des Formenaufbaus oder der beeindruckenden Feinheit der Details findet auch hier eine wunderschöne Bestätigung.
Allerdings habe ich zwei Dinge zu bemängeln: zum einen sind die vier Turmmaschinengewehre relativ lieblos entworfen - die Mündungen aufzubohren war eine mühsame Arbeit - und schlecht gegossen: zwei davon standen schon im Gussgrat schief und mit unvollständig ausgeformtem Mündungsbereichen weg und mussten mit Spachtelmasse korrigiert werden. Zum anderen wiesen die Decals für die Kokarden auf den Tragflächen störende weiße Ränder auf; ich habe diese dann mit einer Schablone abgedeckt und mit schwarzer Farbe übersprayt. Ansonsten aber, das möchte ich betonen, ist der Bausatz von allerfeinster Qualität!
Meine Begeisterung für die neuen Airfix Bausätze hat dieses Bauerlebnis weiter vertieft - und die Faszination, welche die Boulton Paul Defiant schon immer auf mich gehabt hat, hat neue Nahrung gefunden. Wie schön, dass vom selben Hersteller dieses beeindruckende Flugzeug (endlich!) in 1:48 aufgelegt wird… Sobald sie zugänglich wird, werde ich sie bauen! Eduard hat übrigens auch hier mit dem vollen Programm von „Interior“- und „Exterior Sets“ Wesentliches zur Detaillierung beigetragen. Einen Baubericht sowie eine Übersicht über die Bausatzteile gibt es hier im JAM Forum. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 14. April 2016 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |