Supermarine Attacker FB.2von Roland Sachsenhofer (1:48 Trumpeter)
Es existieren Flugzeuge, die, einmal gesehen, in Erinnerung bleiben. Dafür ist weder der fachkundige Blick eines Luftfahrtingenieurs nötig, noch liegt es am Ruhm einer langen oder spektakulären Einsatzgeschichte und auch nicht an einem ästhetisch besonders bestechenden Erscheinungsbild. Das Geheimnis liegt vielmehr in einer anderen, eigentümlichen Qualität begründet: diese Flugzeuge wirken auf eine seltsame, gleichsam exzentrische Weise „falsch“! In einem folgenden gedanklichen Rundgang möchte ich kurz belegen, warum diese Aussage meiner Meinung nach auf die Supermarine Attacker zutrifft. Zur Supermarine Attacker F.B.2
Die erste Irritation erfährt man schon, wenn man diese Maschine auf ihrem Fahrwerk sieht. Einerseits erkennt man hier eindeutig einen Jet, andererseits aber ist die Attacker sonderbarerweise als Spornradmaschine konzipiert. Diese Konfiguration hat übrigens Zeit ihrer Verwendung stets Probleme verursacht: weder Graspisten noch der Beton oder Asphalt befestigter Untergünde, vom Material der Flugzeugträgerdecks ganz zu schweigen, schätzen es sonderlich, von einem mehrere hundert Grad heißen Abgasstrahl malträtiert zu werden. Zwar wurde bei den Serienmaschinen der letzte Teil des Abgasrohrs leicht nach oben ausgerichtet, eine wirksame Lösung brachte dies jedoch keineswegs. Meinem Wissen nach ist die Supermarine Attacker auch der einzige in Serie gebaute Jet mit Spornrad geblieben.
Angesichts des Gesagten drängt sich die Frage auf, wieso man bei Supermarine eigentlich zu diesem Layout gegriffen hat, vor allem, da mit dem Bugradfahrwerk ja beileibe keine unerprobtes Neuland betreten worden wäre. Eine Antwort darauf findet man in der Entwicklungsgeschichte des Typs. Als ein Jet der „ersten Generation“ war die Attacker von Anfang an als eine rasch verfügbare Interimslösung angesehen worden, mit der man erste Erfahrungen mit trägergestützten Turbinenflugzeugen machen wollte.
Das Projekt selbst geht auf eine Ausschreibung des britischen Luftfahrtministeriums aus dem Jahr 1944 zurück, in der Vorschläge für ein nur von einer Turbine angetriebenen Jagdflugzeuges mit laminaren Tragflächenprofilen gefordert worden war. Supermarine hielt die Wege kurz und stattete die laminaren Flächen einer Spiteful mit einem neuen Rumpf aus, dessen gebauchte Form eine Rolls Royce Nene Radialturbine beherbergen konnte. Das Fahrwerk der Spiteful wurde ebenfalls nahezu unverändert übernommen, was wiederum das Spornrad und somit auch das einzigartig exzentrische Aussehen der Attacker erklärt.
Supermarines Testpilotenlegende Jeffrey Quill führte den ersten von drei Prototypen des intern „Type 392“ genannten Projekts am 27. Juli 1946 zu seinem Jungfernflug. Die weiteren Entwicklungsschritte brachten zwar einige Änderungen an der Zelle, belegten aber das grundsätzliche Potential des Entwurfs. Eine Verlängerung des Seitenleitwerks in Form einer Rückenfinne verbesserte die Stabilität und kurierte die gefährliche Tendenz, dass das Seitenruder bei einem gewissen Schiebewinkel auf Dauer seine Wirkung verlor. Bei den Serienmaschinen wurde weiters auch die Spannweite erhöht.
Das erwachte Interesse der Fleet Air Arm wirkte sich bald in Form der Erprobung einer Attacker in Navy-Konfiguration aus. Die mit Fanghaken und verstärktem Fahrwerk „seegehend“ gemachte Maschine ging im Juni 1947 zum ersten Mal in die Luft, im November 1949 wurde der Produktionsauftrag der FAA an Supermarine erteilt und schon im May 1950 flog die erste Serienmaschine einer Attacker F.1. Die Auslieferung an die Naval Air Squadrons begann ein Jahr später. Neben den drei Prototypen sollten insgesamt 182 Exemplare der Supermarine Attacker gebaut werden.
Nun zur Irritation Nummer zwei! Schon bei der Flugerprobung wurde an der Attacker ein Element hinzugefügt, dass ebenfalls zum exzentrischen Erscheinungsbild und der daraus resultierenden Unverwechselbarkeit beigetragen hat. Die durstigen Triebwerke jener frühen Jet-Tage machten das Mitführen externer Treibstofftanks unumgänglich. Besonders traf dies auf Trägerflugzeuge zu. Supermarine fand bei der Attacker - genauso übrigens wie bei dessen landbasierten Stallgefährten Supermarine Swift - anstelle abwerfbaren Tanks zu einer recht handfesten Abhilfe: unter dem Rumpf wurde ein großer, rund 1.100 Liter Sprit fassender Außentank angebracht, der im späteren Flugbetrieb beibehalten wurde. Obwohl aerodynamisch geformt, verlieh dieser „Dackelbauch“ dem ursprünglich schlank-zierlichen Entwurf optisch eine deutlich bauchbetonte Gemütlichkeit.
Ein Eindruck, der jedoch täuscht, denn für gemütlich sollte man die Attacker besser nicht halten! Die Leistungen konnten sich im zeitgenössischen Vergleich durchaus sehen lassen. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 970 km/h kratzte die Attacker an der Schallmauer, auch die Dienstgipfelhöhe von 13.700 Metern und einer Steigrate von 32,3 m/s positionierten sie in der oberen Liga. Leer brachte die Attacker 3.862 kg auf die Waage, voll beladen wog sie 5.339 kg.
Die Bewaffnung spiegelte die damalig übliche Standardausrüstung von RAF und FAA wider - vor allem, wenn man an die Propellermaschinen denkt. Vier 20 mm Hispano Mk.V Maschinenkanonen waren in den Tragflächen untergebracht, die spätere FB.2 konnte außerdem an Außenstationen zwei 450 Kilo Bomben oder eine entsprechende Anzahl von acht ungelenkten Raketen mitführen.
Während ihrer wenigen aktiven Jahre bei der FAA sah die Attacker keinen scharfen Einsatz; obwohl sie bei den drei Naval Air Squadrons 800, 803 und 890 geflogen wurde. Ab 1954 wurde sie von diesen Frontverbänden abgezogen, nun sah man die Attacker nurmehr bei Trainingseinheiten sowie den Verbänden der Royal Naval Volunteer Reserve. 1957 schickte dann auch die RNVR ihre letzten Attacker in den Ruhestand.
In Pakistan jedoch, wohin ab 1953 sechsundreißig Maschinen der „de-navalisierten“ Version Mk.538 geliefert worden waren, roch die Attacker dann doch noch Pulverdampf. In den heftig geführten Bruderkriegen der beiden jungen Staaten Indien und Pakistan erwarb sich die Attacker als Jäger und Jagdbomber bei ihren Piloten einen ausgezeichneten Ruf und sollte noch längere Zeit im Arsenal Pakistans bleiben. Zu Bausatz und Bauprozess
Bei Trumpeter ist man ja aus gutem Grund oftmals geteilter Meinung, eines muss man den Entwicklern aus Fernost allerdings zugestehen: sie haben Mut zu einer ungewöhnlichen Vorbildauswahl! Meine Freude war groß, als ich diesen seltenen Jet als Mainstream-Bausatz erwerben konnte. Schnell hat sich jedoch auch herausgestellt, wo der sprichwörtliche Schatten zu finden sein sollte, der diese Freude trüben würde.
Leider weisen die Bausatzformen nicht nur wunderbar feine Oberflächenstrukturen auf, sondern auch entschiedene Formfehler. Vor allem eines muss zwingend korrigiert werden: Die Höhenflosse sitzt um einiges zu tief am Rumpf! Ich habe zwar deren Position mit einem kleinen operativen Eingriff nach oben gesetzt, allerdings wurde dabei vor allem der hintere Teil des Höhenleitwerks angehoben. Tatsächlich hatte mir nämlich deren seltsamer Anstellwinkel missfallen, den ich auf diese Weise korrigieren wollte. Das Resultat war leider so, dass beim Lackieren des Rumpfes die Grenzlinie zwischen dem Ober- und Unterseitenfarbton immer noch zu tief unten blieb - und daher der Zifferncode der Markierung in die obere Farbhälfte hineinragte. Dies widerspricht aber dem originalen Erscheinungsbild, bei dem die Oberkante des Zahlencodes genau an bzw. unterhalb dieser Grenzlinie liegt. Mir blieb nun nichts anderes über, als neu zu lackieren, um mit einem kleinen Trick die Grenzlinie nach oben zu bringen. Danach konnte ich mit einem neuen Decalsatz die Markierungen an die korrekte Position setzen.
Weiterer Korrekturbedarf besteht bei der missglückten V-Stellung der Tragflächen. Trumpeter bereitet hier eine vollkommen ebene Ausrichtung der Tragflächen vor, was nicht nur sehr seltsam aussieht, sondern auch definitiv falsch ist. Hier war die Reparatur einfacher: über einer Wärmequelle wurde der Kunststoff geschmeidig gemacht und dann in eine passende Form gebogen - ein Vorgang, den man allerdings nicht übertreiben sollte! Mit ein wenig Anpassen und Schleifen ist die passende Ausrichtung dann leicht bewerkstelligt.
Ein weiteres Manko des Bausatzes ist die fehlende Detailierung. Dabei denke ich nicht nur an klassisch unterversorgte Bereiche wie Cockpit und Fahrwerk - wo ich mir mit Ätzteilen aus meiner Sammlung ausgeholfen habe - sondern vor allem an Weglassungen von Details, die das Erscheinungsbild einer Supermarine Attacker deutlich mitbestimmen. Beispielsweise sind die Antennen, die im unteren Bugbereich zu sehen sind, nicht nur nicht im Bausatz enthalten, sondern werden auch nicht einmal dargestellt oder erwähnt. Der oft gehörte gute Ratschlag einer gediegenen Recherche zum Vorbild empfiehlt sich hier also tatsächlich. Um bei so viel Klagen mit etwas Positivem zu schließen: hat man diese Klippen gemeistert, erweist sich der restliche Bau als Vergnügen. Speziell die feinen Oberflächenstrukturen wissen wirklich zu gefallen.
Bei all den angeführten Punkten möchte ich diesen Bausatz dennoch eindeutig empfehlen. Nicht nur, damit Trumpeter für den Mut zu derartigen Exoten belohnt wird, sondern auch, weil mit ein wenig Mehraufwand und Improvisierfreude ein wirklich sehenswertes Stück Flugzeughistorie zum Leben erweckt werden kann. Denn, wie eingangs behauptet, wer ein Flugzeug wie die Supermarine Attacker einmal näher betrachtet hat, der wird sie nicht mehr vergessen!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates“. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 24. September 2022 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |