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Helwan Ha-300

von Roland Sachsenhofer (1:72 A&A Models)

Helwan Ha-300

Die Welt nach 1945 stand unter dem Zeichen der Blockbildung, in deren Verlauf sich Ost und West in vielfältiger Form mühten, Staaten und Regierungen in ihren Reihen einzugliedern. Das bedeutete auch großzügige Waffenlieferungen, welche die existenzielle Abhängigkeit dieser Staaten mit dem jeweiligen Lager beziehungsweise mit deren Führungsmächten USA und Sowjetunion vertieften.

Helwan Ha-300

Eine kleine Gruppe von Staaten sollte sich dieser Instrumentalisierung allerdings für einige Zeit verweigern können: als Zusammenschluss der „blockfreien Staaten“ fanden sich so unterschiedliche Gebilde wie etwa Jugoslawien, Indien oder Ägypten zusammen, um eine gewisse Unabhängigkeit im globalen Geschehen des Kalten Kriegs behaupten zu können. Dies ist der Hintergrund, vor dem sich die erstaunliche Geschichte der Helwan Ha-300, die Ägypten beinahe zu einer eigenständigen Luftfahrtindustrie verholfen hätte, abgespielt hat.

Helwan Ha-300

Dass so illustre Namen wie Willy Messerschmitt oder Ferdinand Brandner hinter der Entwicklung der Ha 300 standen, macht die Geschichte umso spannender. Messerschmitt gelang es, nach seiner Enthaftung Anfang der 1950er Jahren im faschistischen Franco-Spanien interessierte Förderer zu finden, um danach bei Hispano Aviación die Entwicklung von turbinengetriebenen Kampfflugzeugen fortzuführen. Mit der Ha 200 gelang ein erster erfolgreicher Wurf. Die Weiterentwicklung zum überschallschnellen Turbinenjäger, der schon unter dem Projektnamen Ha-300 lief, wurde von Spanien nach langwierigen Entwicklungsproblemen Anfang der 60er Jahre schlussendlich jedoch gestoppt.

Helwan Ha-300

Hier setzt die Entwicklung der Ha 300 im engeren Sinne an. Ägypten war zu diesem Zeitpunkt unter Präsident Nasser am Aufbau einer eigenständigen Luftfahrtindustrie und Luftfahrtrüstung stark interessiert und auch gewillt, dafür beträchtliche Mittel einzusetzen. Die Gründung der „Egyptian General Aero Organisation“ (EGAO) inkludierte den Kauf sämtlicher Projektunterlagen der Ha-300 sowie die Übernahme des gesamten deutschen Entwicklungssteams, Messerschmitt inklusive.

Helwan Ha-300

Ursprünglich war vorgesehen, ein Bristol-Siddeley Orpheus Mk 703-S-10 Triebwerk einzubauen, dass sich jedoch schnell als zu schwach für die anvisierten ehrgeizigen Leistungsdaten erwies. So wurde in einem nächsten Schritt Ferdinand Brandner, ein geborener Österreicher, der während des Krieges bei Junkers leitend beschäftigt war, die Entwicklung eines völlig neuen leistungsstarken Triebwerks anvertraut.

Helwan Ha-300

Zu diesem Zeitpunkt zeigte auch Indien Interesse an der Ha-300, vor allem aber an Brandners neuem Triebwerk, das unter der Bezeichnung E-300 in die Erprobung ging. Mit Kapil Barghava, dem Top-Testpiloten der indischen Luftwaffe, wurde den Ägyptern erfahrenes Personal und entsprechendes Knowhow zur Verfügung gestellt.

Helwan Ha-300

Die Flugerprobung der Ha-300 verlief jedoch schleppend und litt sowohl unter technischen Problemen der Zelle wie unter dem zu schwachen Triebwerk. Insgesamt wurden vier Prototypen gebaut, drei davon  im Flug erprobt, die vierte Maschine dagegen blieb für Rollversuche mit der E-300 Turbine reserviert.

Helwan Ha-300

Die erflogenen Leistungen zeigen, welches Potential in diesem kompakten Abfangjäger gesteckt hätte: mit dem Brandner E-300 Triebwerk war eine Höchstgeschwindigkeit von 2.155 km/h möglich, die Dienstgipfelhöge wird mit 17.985 Metern angegeben, die Reichweite hätte 1.800 Kilometer betragen. Eine Spannweite von 5,84 m bei einer Gesamtlänge von 12,40 m ergab eine Flächenbelastung von 125,749 kg/m2.

Helwan Ha-300

Schlussendlich sollten zwei Ereignisse zum definitiven Ende des Ha-300 Projekts führen: zum einen zeigte sich, dass eine Triebwerksentwicklung dieses Ausmaßes und Anspruchs jenseits der damaligen Möglichkeiten Ägyptens lag. Explodierende Kosten und unzählige technische Probleme verzögerten dessen Einsatzerprobung, bis schlussendlich Indien absprang.

Helwan Ha-300

Ein zweiter Schlag traf Ägypten mit der als beschämend empfundenen Niederlage im Sechstage-Krieg von 1967. Die ägyptische Luftwaffe war praktisch am Boden ausgelöscht worden. Die Verantwortlichen wurden in den Reihen von Politik und Militär gefunden, worauf unter dem Druck der eigenen Bevölkerung eine Wende und Neuorientierung der Rüstungspolitik vorgenommen wurde.

Helwan Ha-300

Die Sowjetunion bot eine Neuausstattung mit state of the art Rüstungsmaterial an, dem Ägypten nicht widerstehen konnte. Teil dieser Abmachung war etwa auch die Lieferung hunderter Mig-21, die in etwa dem Leistungsspektrum der Ha-300 entsprachen. Die teure Entwicklung der Ha-300, die infolgedessen nicht mehr benötigt wurde, war damit zu Ende. So war die Helwan Ha 300, obwohl technisch vielversprechend, ein Opfer geänderter geopolitischer Umstände geworden. 

Helwan Ha-300

Mein Modell zeigt den ersten Prototypen in seinem Aussehen im Frühjahr 1964. Diese Maschine ist übrigens bis heute erhalten geblieben und war einige Zeit in der Ausstellung der Flugwerft Schleißheim bei München zu sehen.

Helwan Ha-300

Das Modell des Herstellers A&A kann ich jedem Interessierten als ein „rundum-sorglos-Paket“ uneingeschränkt empfehlen. Ob Passgenauigkeit, Detailfreude, oder die reichhaltige Ausstattung des Bausatzes betrachtet wird, überall kann ich Bestnoten verteilen. Was mir bei diesem Hersteller nun schon öfter angenehm aufgefallen ist, sind die Maskierfolien für die Klarsichtteile, die neben einer hilfreichen Bestückung mit fein gearbeiteten Ätzteilen den Bauprozess zu einem leichthändigen Vergnügen machen.

Helwan Ha-300

Meine einzige Veränderung, die ich neben der Verkabelung der Fahrwerksbeine und dem Neubau der Funkantenne am Rumpfrücken vorgenommen habe, besteht im Austausch des Bausatzteiles für das Staudruckrohres an der Bugspitze gegen eines aus Metall. Dieses stammt von Zurüstteilen für einen Saab Draken Bausatz in 1:48 und passte perfekt.

Helwan Ha-300

Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates“

Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at

Roland Sachsenhofer

Publiziert am 25. Juli 2020

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