HMS Dreadnought1907von Ingo Degenhardt (1:350 Trumpeter)GeschichteHauptsächlich auf Betreiben des ersten Seelords, John Fisher, begann man in Großbritannien Anfang des 20. Jahrhunderts, über eine mehr oder weniger radikale Änderung des Konzepts für die damalige Hauptwaffe der Marine, das Schlachtschiff, nachzudenken. Die Erfahrungen aus dem russisch-japanischen Krieg (1904-1905), insbesondere die Seeschlacht bei Tsushima, hatten gezeigt, dass die bis dato übliche Bewaffnungsaufteilung in Haupt- und Mittelartillerie keine besonders effektive Lösung war. Hinsichtlich Bewaffnung war in dieser Seeschlacht fast ausschließlich die schwere Artillerie entscheidend. Die damaligen optischen Zielmethoden basierten auf der Beobachtung der Granateinschläge, wobei nur schwer zwischen denen der verschiedenen Kaliber zu unterscheiden war. Es musste also separat gefeuert werden, was die Mittelartillerie ihres Hauptvorteils, der deutlich schnelleren Feuerrate, beraubte. Weiterhin war diese oft in Kasematten seitlich im Rumpf untergebracht, was ihren Einsatz in rauer See bereits einschränkte und bei schwerem Wetter unmöglich machte. Die Idee des neuen Konzepts zielte also auf ein „All-big-gun" Schlachtschiff, das idealerweise auch noch schnell sein sollte. Bis auf eine Anzahl kleinkalibriger „Quick firing guns" zur Abwehr von Torpedobooten und dergleichen sollte die Artillerie ausschließlich aus zehn 30,5cm Geschützen bestehen. Großbritannien war nicht die einzige Nation, die solche Pläne verfolgte - auch Japan und die USA hatten entsprechende Entwürfe in Arbeit, bevor am 02. Oktober 1905 der Kiel für Dreadnought gelegt wurde. Allerdings waren die Briten bei weitem die schnellsten und Portsmouth Royal Dockyard konnte das neue Schiff bereits am 10. Februar 1906 vom Stapel laufen lassen. Noch vor der Kiellegung waren jedoch bereits diverse Teile der Konstruktion vorgefertigt worden, so dass diese Daten nicht ganz so aussagekräftig sind. Nichtsdestotrotz begann schon im Juli 1906 die Seeerprobung, die überraschend problemlos für das komplett neue Design verlief. Dreadnought war neben der neu konzipierten Bewaffnung auch mit Dampfturbinen ausgerüstet, welche bisher noch nicht bei dieser Schiffsklasse zum Einsatz gekommen waren. Sie bewährten sich jedoch ebenso gut wie die gesamte Konstruktion. Nachdem sie eine Langstreckenerprobung über 11.000 Seemeilen absolviert hatte, wurde Dreadnought im April 1907 das Flaggschiff der Home Fleet und ihr Name zum Inbegriff für diese Schiffsklasse. Die Einsatzkarriere der Dreadnought verlief im Großen und Ganzen eher unspektakulär, abgesehen von zwei Ereignissen. „Dreadnought Hoax": Im Jahre 1910 kündigte sich eine „Abordnung der abessinischen Königfamilie" zur Besichtung von HMS Dreadnought bei der Royal Navy an. Dort war man dann auch sofort eifrig dabei, diesen Besuch zu organisieren und entsprechend der königlichen Abstammung der Besucher zu gestalten. Die Besucher wurden per Sonderzug von London zum Schiff gebracht, dort mit vollen militärischen Ehren empfangen und erhielten eine detaillierte Führung durch das neue und in vielen Aspekten natürlich noch geheime Schlachtschiff. Allerdings stammte die „königliche" Besuchergruppe keineswegs aus Abessinien (heute Äthiopien), sondern bestand aus dem für seine aufwändigen Streiche bekannten Aristokraten Horace de Vere Cole und einigen seiner Freunde, darunter die Schriftstellerin Virgina Woolf - alle mit geschwärzten Gesichtern und als abessinische Prinzen verkleidet. Unglaublicher Weise kamen sie mit diesem lustigen Streich sogar durch und mussten ihn am Ende selbst aufklären, da tatsächlich niemand den Betrug bemerkt hatte. Die Geschichte kann man im Detail sehr schön im Internet nachlesen. Weniger lustig war der 18. März 1915, als Dreadnought zufällig das deutsche U-Boot U-29 getaucht vor den Bug lief und man auf dem Schlachtschiff das Periskop bemerkte.U-29 wurde wenige Minuten später per Rammstoß versenkt. Somit war und ist Dreadnought das einzige Schlachtschiff, welches jemals ein U-Boot versenkt hat. Abgesehen von einigen Schüssen auf deutsche Zeppeline blieb dies auch die einzige Feindberührung, die HMS Dreadnought während des ersten Weltkriegs erfuhr. Trotz der erfolgreichen umfassenden Neuerungen und der Typklassifizierung über ihren Namen wurde Dreadnought recht bald von Nachfolgeentwürfen übertroffen und diente nach einer Überholung ab 1916 als Flaggschiff des 3. Schlachtschiffgeschwaders, welches vor der Themsemündung patrouillierte. Nach dem Krieg wurde sie 1919 noch einmal modernisiert und bekam u. a. zwei Flugzeugkatapulte auf den Türmen A und Y (vorn u. ganz hinten). Doch schon im März 1920 wurde sie zum Verkauf angeboten und im Mai 1921 für 45.000,- Pfund zur Verschrottung verkauft. Gekostet hatte HMS Dreadnought 1.785.682,- Pfund. Technische Daten:
Das Modell:Viele Schiffe baue ich ja nicht - ich habe mich für das Trumpetermodell entschieden, weil es bei meinen Nachforschungen leicht bessere Kritiken bekommen hat als die Dreadnought von Zvesda. So groß dürfte der Unterschied aber nicht sein. Zwecks Verbesserung und zusätzlicher Detaillierung habe ich mir ein Holzdeck von Artworx und Ätzteile von Eduard und White Ensign Models (WEM) dazu gekauft. Zur besseren Orientierung kam dann auch noch das Kagerobuch mit 3D Abbildungen und einem Maßstabsplan in 1:350 dazu (1:700 ist auch enthalten). Das Buch leistet sehr gute Dienste bezüglich des Was, Wie und Wo - sorgt aber auch dafür, dass man praktisch ständig neue Details entdeckt, die weder das Grundmodell noch die Zurüstteile abdecken, so dass beispielsweise am Hauptmast diverse Ergänzungen im Eigenbau entstanden. Selbst gemacht habe ich weiterhin die Verzurrungen der ausschwenkbaren Arme für das Torpedonetz (gezogener Gussast) oder auch die Persennings, die den Relings um die Brücke als Windschutz dienen - letztere aus Zigarettenpapier, passend zurechtgeschnitten, mit verdünntemWeißleim bestrichen, aufgebracht und nach dem Trocknen bemalt. Das Artworx-Holzdeck war mein erster Versuch in dieser Richtung und es hat tadellos funktioniert, da die Passgenauigkeit exzellent ist. Sieht besser aus und vereinfacht die Decksbemalung ja auch ungemein. Das Eduard-Set leistet ebenfalls gute Dienste, obwohl ich wahrscheinlich jenes von Pontos genommen hätte, so ich denn zum Kaufzeitpunkt davon gewusst hätte. Was ich nicht finden konnte, waren die achtarmigen Spreizer für die auffälligen Käfigantennen der Dreadnought. Ein allgemeines Set von WEM für solche Spreizer enthielt nicht die richtigen und schon mal gar nicht genug von einer Sorte, um auch nur einen Kompromiss eingehen zu können. Glücklicherweise war mir ein Modellbaukollege dabei behilflich, korrekte CAD-Zeichnungen dieser filigranen Teile anzufertigen. Weniger Glück hatte ich mit einem deutschen Hersteller von Ätzteilen, der nach einer Weile aufgegeben hat, sich an den Teilen zu versuchen. Ganz anders WEM, die sofort interessiert waren und nach kurzer und freundlicher Korrespondenz auch ein Ätzteilset produziert haben. Teil des Deals war natürlich meine Versorgung mit einem solchen Set. Das alles gerade noch rechtzeitig vor der überraschenden Geschäftsaufgabe von WEM. Die Verarbeitung dieser Ätzteile ist allerdings die übelste Fummelarbeit, die ich je zu bewältigen hatte - 32 Spreizer sind insgesamt zu verarbeiten, durch die dann jeweils acht „Antennendrähte" gefädelt werden müssen. Zur Verfügung hatte ich dafür den hervorragenden 0,01mm flexiblen Faden von Uschi van der Rosten aus der Reihe „Rig that thing". Gute Ätzteile, guter Faden - aber das mache ich trotzdem nie wieder. Lackiert habe ich Dreadnought mit einem Grau von WEM für Schiffe dieser Zeit und Rot-, Rost- und Mennigetönen von Lifecolor. Das Modell steht auf dem unschönen Sockel von Trumpeter, der sich so gar nicht der Rumpfform anpasst. Ich habe ihn aber trotzdem verwendet und in einen stark oxidierten Bronzesockel mit Zusatzstützen im Maßstab 1:350 verwandelt. Dazu noch eine „Besucherplattform" mit einigen Figuren in diesem Maßstab - u.a. eine kleine Arbeitsgruppe am hinteren Ende des Sockels, die gerade begonnen hat, den ursprünglichen Kupferglanz wieder herzustellen. Es wird sicher so einige versierte Schiffsmodellbauer geben, die noch deutlich mehr aus dem Modell und den verschiedenen Detailsets herausholen können, aber ich bin soweit recht zufrieden damit. Ingo Degenhardt Publiziert am 09. Januar 2015 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |