Explorer I, Juno Ivon Roland Sachsenhofer (1:72 Horizon Models)
Bilder erzählen Geschichten. Dies gilt auch für den Bereich prestigeträchtiger high-end Produkte der Luft- und Raumfahrt. Gerade die ikonisch gewordenen Bilder der Juno-Trägerrakete und ihres Explorer-Satelliten können dafür als gutes Beispiel dienen. Ich möchte diesen Artikel daher auch mit dem Verweis auf ein besonderes, übrigens bestens bekanntes Foto beginnen, das meiner Meinung nach in geradezu genialer Weise über die Geschichte der Juno/Explorer Mission erzählt. Was ist auf dieser Fotografie zu sehen? Drei freudestrahlende Herren, William Pickering vom Jet Propulsion Labaratory (JPL), der Astrophysiker James Van Allen sowie Raketenpionier Wernher von Braun halten gemeinsam triumphierend ein mock-up des Explorer I-Satelliten über ihre Köpfe. Aufgenommen wurde das Bild im Rahmen einer Pressekonferenz, die am Morgen nach dem am 31. Jänner 1958 erfolgten erfolgreichen Start der Juno/Explorer-Kombination aufgenommen worden war. Zur Vorgeschichte der Juno/Explorer Mission
Wieso halte ich diese Aufnahme für so beredt? Zum einen sind hier die führenden Köpfe des Projekts versammelt, gleichzeitig die zentralen Köpfe der amerikanischen Raketen- und Raumfahrtforschung. William Pickering war zu dieser Zeit Direktor des JPL, einer Einrichtung des California Institute of Technology mit institutioneller Verankerung beim US-Militär. Das mit der Entwicklung von Raketenantrieben beschäftigte und bis heute bestehende JPL wurde noch 1958, im Jahr dieser Aufnahme, von der frisch gegründeten NASA übernommen. Dem Astrophysiker und Raketenpionier James Van Allen brachte die Explorer I-Mission bis heute anhaltenden Ruhm: die Sonde hatte verschiedenen Detektoren an Bord, mit denen es unter anderem möglich war, ein von Van Allen vermutetes Strahlungsfeld, das weit in den Weltraum ausgreifend, die Erde von Pol zu Pol umspannt, experimentell nachzuweisen. Der nach ihm benannte Van Allen-Gürtel zählt zu seiner bedeutsamsten Entdeckung der Explorer I-Mission. Für Wernher von Braun schließlich brachte der erfolgreiche Juno/Explorer-Flug einen weiteren Karriere- wie Popularitätsschub. 1945 war der führende Kopf der Nazi-Raketenforschung ohne sichtbare Irritationen vom US-Militär zur Fortführung seiner Arbeit unter Vertrag genommen worden. 1958 war er in Huntsville beim Redstone Arsenal in leitender Funktion tätig; eine Position, die ihn für die Entwicklung der Juno-Trägerrakete prädestinierte.
Ende der Fünfzigerjahre hatte der kalte Krieg einen Höhepunkt erreicht. Am 4. Oktober 1957 war es der Sowjetunion gelungen, mit einer R-7 Trägerrakete erstmals einen Satelliten, auf Russisch “Sputnik“, in eine Erdumlaufbahn zu bringen. Die propagandistische Wirkung war ebenso enorm wie die dahinterstehende technische Leistung: die USA hatte den für sicher gehaltenen Sieg in einem prestigeträchtigen Rennen um dieses „erste Mal“ donnernd und weithin sichtbar verloren. Es sollte allerdings noch schlimmer kommen: kurz bevor die USA mit dem Start eines eigenen Satelliten der Sputnik-Katastrophe zumindest Gleichwertiges entgegen setzen konnte, landete die sowjetische Raumfahrt unter Sergeij Koroljew den nächsten Paukenschlag: am 3. November brachte eine weitere R-7 das erste Lebewesen, die Hündin Laika, in den stabilen Erdorbit. Auch wenn der vierbeinige Passagier den Orbitalflug schlussendlich nicht überleben würde, war eines klar: die Sowjets hatten offensichtlich die Nase vorn.
Selbstsicherheit und Würde der US-Raumfahrt mussten also schnellstens wiederhergestellt werden. Aber nicht nur aller guten Dinge sind drei, denn es sollte noch schlimmer werden. Dieses Mal hatten sich die Amerikaner allerdings selbst ein Bein gestellt. Um all die Scharten auszuwetzen, hatte die US-Administration kurzfristig und - wie sich zeigen sollte - übereilt den Start eines eigenen amerikanischen Satelliten für den 6. Dezember 1957 ankündigen lassen. Um dabei noch eines drauf zu setzen und die freie Welt von der bis vor kurzem noch für selbstverständlich gehaltenen technologische Überlegenheit der Amerikaner zu überzeugen, riskierte man, den groß angekündigten Start per neuem Medium Fernsehen zu übertragen – und zwar live und landesweit. Übrigens war dies die erste landesweit „live“ gesendete Fernsehsendung der Rundfunkgeschichte. Es endete im Desaster: die für den Start ausgewählte TV-3 Vanguard-Rakete der US-Navy explodierte vor den laufenden Kameras noch beim Start in einem gewaltigen Feuerball. Die Film- und Fotobilder dieser Katastrophe brannten sich unverzüglich in die öffentliche Wahrnehmung - und die konsternierte Weltpresse hatte in Anlehnung an das russische Wort „Sputnik“ schnell eine neuen Namen für die gescheiterten US-Satellitenversuche geboren: die Bezeichnung „Flopnik“ war geboren. Zur Jupiter C/Juno Trägerrakete und dem Satelliten Explorer I
Diese spektakuläre und für die US-Raumfahrt durchaus beschämende Vorgeschichte verlieh den Vorbereitungen für den Start des Explorer I-Satelliten eine ganz eigentümliche Dramatik, der Erfolgsdruck für die Beteiligten musste wahrlich hoch gewesen sein! Noch am 8. November hatte das Team der Army Ballistic Missile Agency (ABMA) in Huntsville die Freigabe zur Entwicklung eines Trägersystems bekommen. Angesichts des sowjetischen Erfolgslaufs drängte die Zeit: von Braun versprach dem ungeduldigen Secretary of Defense Neil McElroy noch die Fertigstellung innerhalb von 60 Tagen, während sein Kommandeur, der vorsichtigere John B. Medaris, die Frist noch auf neunzig Tage verlängern konnte.
Von Braun modifizierte eine Jupiter C, im Kern eine Redstone ICBM des Heeres, um den neu entworfenen Satelliten in einen stabilen Erdorbit tragen zu können. Präsident Eisenhower bestand auf einen unbelasteten Namen für die aus dem nuklearen Arsenal des Heeres stammende Redstone/Jupiter C, er bedingte sich weiters aus, dass die Sonde tatsächlich „Wissenschaft“ betreiben können musste, um den zivilen Charakter dieser Mission zu unterstreichen. Von Braun entschied sich daher für den Namen der mythologischen Ehefrau des Götterkönigs Jupiter: Juno I sollte die Sonde in den Erdorbit bringen.
Die 205 cm lange und 13,9 kg schwere Explorer I führte im länglichen Körper folgende Experimente mit sich: ein Temperatursensor, ein Mikrophon, das den Klang der Mikrometeoriten, die die Hülle trafen, aufzeichnete, sowie einen Geigerzähler, der die Strahlung messen sollte. Über einen Radiosender wurden die gemessenen Daten an die Bodenstation übermittelt. Explorer I funktionierte nach dem erfolgreichen „Schuss“ in den Orbit überraschend gut: die Meßsonden arbeiteten wie vorgesehen und Van Allen konnte die Existenz eines Strahlungsgürtels beweisen. Die Sonde verblieb ganze zwölf Jahre auf einer elliptischen, zwischen 360 km und 2.530 km Höhe befindlichen Flugbahn im Erdorbit, bevor sie im Jahr 1970 schließlich verglühte.
Die vierstufige Trägerrakete Juno I wies eine Gesamthöhe von 21,3 m sowie ein (betanktes) Gesamtgewicht von 31,5 Tonnen auf. Das Rocketdyne A-7 Triebwerk der ersten Stufe wurde mit Hydyne und LOX, also einem Alkohol und flüssigem Sauerstoff angetrieben und beschleunigte das System für eine Brenndauer von 155 Sekunden. Die zweite Stufe bestand aus einem Bündel von elf Baby-Sergeant Feststoffraketen. Diese waren in einer gemeinsam mit den weiteren Stufen sich drehenden Trommel nahe der Spitze untergebracht. Die Drehung sollte die Flugbahn stabilisieren. Die dritte Stufe schließlich bestand aus drei Baby-Sergeant-Raketen, die wie die vorhergegangene Stufe für 6,5 Sekunden feuerten. Die vierte Stufe stellte die Sonde selbst dar: an ihrem Heck war eine einzelne Baby-Sergeant integriert, welche in den 6,5 Sekunden Brenndauer die Sonde auf die für die Erreichung des Orbits notwendigen 29.000 km/h beschleunigte.
Der Start von Juno I/Explorer I am 31. Jänner 1958 gelang, nun ja, wie im Bilderbuch - falls dieses Wortbild nach der Abfolge technischer und propagandistischer Niederlagen angebracht ist. Die Erleichterung bei den Verantwortungsträgern muss unglaublich gewesen sein. Sieht man sich das eingangs zitierte Bild nun unter diesen Voraussetzungen noch einmal an, erkennt man: hier wird nicht nur ein erfolgreicher Start präsentiert, sondern auch die eigene Erleichterung ausgedrückt. Die körpersprachlichen Gesten des Triumphes sollen wohl auch eine verlorengegangene Selbstsicherheit beschwören und demonstrieren, dass man auf dem Weg sei - einem Weg zurück an die Spitze. Zum Bausatz
Meine Freude war groß, als ich erstmalig von den Raketenmodellen des Herstellers Horizon Models erfahren habe. Dementsprechend war deren Verweilzeit auf meinem Stapel bald zu bauender Modelle auch kurz. Weiter verkürzt wurde diese Zeit noch durch den Umstand, dass der Inhalt der attraktiv gestalteten Schachtel höchst ansprechend erschienen ist: präzise gegossene Formen, offensichtliche Freude an Details, die auf eine sachkundige Beschäftigung mit dem Vorbild schließen lässt, sowie eine Passgenauigkeit, die es einem förmlich schwer macht, die Teile wieder zurück in die Verpackung zu legen und nicht gleich drauf los zu bauen. Die Ausstattung des Bausatzes macht die Darstellung von drei unterschiedlichen Redstone Trägerraketen möglich.
Sehr gut gefallen hat mir neben den Teilen selbst auch die Vorbereitung für die Präsentation des Modells. Dies bezieht sich vor allem auf die Beigabe eines gut detallierten Starttisches. Dessen Aussehen lässt übrigens die technische Nähe der Redstone Raketen zu den deutschen V-2 Raketengeschossen erkennen: die Starttische der beiden Konstruktionen sind im Wesentlichen ident.
Der Bau des Modells ging wie zu erwarten problemfrei und rasch von der Hand. Das Bauvergnügen wurde für mich dabei noch durch die ungewohnte und Abwechslung bringende Natur des Vorbildes erhöht.
Als Fazit kann ich also sagen, dass ich Model Horizons Bausatz einer Redstone-Trägerrakete allen Interessierten wärmstens empfehlen kann. Der Freude an diesem Modell, dessen Hersteller sowohl dem Vorbild wie dem Kunden gerecht werden will, wird man sich kaum entziehen können!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Roland Sachsenhofer Publiziert am 12. August 2023 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |