Santos-Dumont 20 “Demoiselle” (1909)von Jürgen Wagenknecht (1:72 Aircraft In Miniature Limited)Zum Vorbild
Alberto Santos Dumont war ein in Paris lebender Brasilianer, der eine der prägendsten Figuren der aufkommenden Luftfahrt war. Über seine sehr interessante Person findet man im Netz ausführliche Informationen. Seine Konstruktionen von Luftschiffen bis zu Flugzeugen nummerierte er durch.
Sein erstes Flugzeug, welches den Beinamen „Demoiselle“ trug, war der Typ 19. Dieser war noch nicht sehr erfolgreich, bildete aber die Basis des Typs 20. Der Rumpf bestand jetzt nicht mehr aus einem einzigen Bambusstab, sondern hatte eine dreieckige Form. Als Material wurde Bambus beibehalten. Die Flügel wurden etwas vergrößert und als Motor kam ein Zweizylinder von Dutheil-Chalmers zum Einsatz, der bei Darraq überarbeitet wurde und 35 PS leistete. So ausgerüstet wurden im April 1909 2 km zurück gelegt, im September in 16 Minuten 18 km.
Noch im selben Monat wurde das Flugzeug im Grand Palais am Stand der Firma Clément Bayard ausgestellt und bis 1910 wurden ungefähr 10 Maschinen gebaut. Santos Dumont verzichtete auf eine Patentierung seiner Maschine und gab die Konstruktionspläne frei. Er selbst setzte sich im November 1909 das letzte Mal ans Steuer. Wahrscheinlich wegen einer schweren Erkrankung an Sklerose zog er sich von der Fliegerei zurück.
Die „Demoiselle“ war das erste erfolgreiche Leichtflugzeug der Geschichte, das Startgewicht lag bei ca. 143 kg. Es gab noch den Typ 21 und 22., beides Varianten der „Demoiselle“ mit stärkeren Motoren. Wer den Film „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ kennt, dort flog der Franzose eine „Demoiselle“. Quellen: Kenneth Munson: Flugzeuge der Jahre 1903 - 1914, Enzo Angelucci: Flugzeuge Von den Anfängen bis zum 1. Weltkrieg Der Bausatz
Bei dem Bausatz von Aircraft in Miniature Limited (AIM) handelt es sich um ein Modell aus photogeätzten Teilen. Der Bausatz besteht aus einem Rahmen in Messing, der Rumpf, Flügel und Kleinteile enthält und einen kleinen Rahmen aus silbrigen Material mit den Rädern. Zudem liegen noch Weißmetallteile für Propeller, Motor, Tank, Reifen, eine Pilotenfigur von Alberto Santos Dumont und ein Biegewerkzeug für die Felgen bei. Komplettiert wird der Bausatz durch einen Bogen Bespannungsmaterial aus Papier und ein paar Stecknadeln für die Achsen. Zudem liegt eine bebilderte Bauanleitung mit Texten in Englisch bei.
Vergleicht man das darstellbare Modell mit den üblichen Abbildungen der „Demoiselle“, so erkennt man einige Abweichungen. Hier hat AIM aber keine Fehler produziert, sondern eine sehr frühe Variante der „Demoiselle“ als Vorlage genutzt. Diese unterscheidet sich vor allem in folgenden Punkten von späteren Varianten:
Der Bau
Der Messingrahmen ist aus etwas dickerem Material, als z.B. von Eduard oder Part gewohnt. Stellen, an denen Teile geknickt werden sollen, sind verdünnt, so dass das Knicken vereinfacht wird. Der Rumpf besteht aus zwei Teilen, die zusammengeklebt werden müssen. Leider sind die Stäbe eckig und haben somit keine Ähnlichkeit mit Bambus. Ich habe hier nach dem Zusammenbau die Kanten geschliffen und mit Hilfe eines Fadens kleine Ringe abgebildet, die die typischen Bambusverdickungen darstellen sollen.
Der linke und rechte Flügel bestehen mit Spanten jeweils aus einem Teil. Die Spanten müssen um 90° gedreht werden, was beim Bau sicherlich die größte Herausforderung ist, denn hier dürfen sich die Flügel nicht mit verbiegen und auch die Spanten dürfen sich nicht verbiegen. Ich habe, um das Problem zu lösen, die Flügel an beiden Seiten jeweils in einen kleinen Schraubstock gespannt und die Spanten ganz vorsichtig langsam in kleinen Schritten gedreht, so dass sich auch die Spanten selbst nicht verbiegen. Mit den Flügelstreben verklebt, ergibt sich ein schönes dreidimensionales Gerippe der Flügel, die jetzt nur noch bespannt werden müssen. Auch dass ist nicht ganz einfach, da der Flügel der „Demoiselle“ gebogen ist und somit ein dreidimensional gebogenes Gebilde ist, was die Dehneigenschaften des Bespannmaterials etwas überfordert. Das Bespannen des Leitwerks ist dagegen sehr einfach, da hier nur flache Flächen vorliegen.
Bei den Flügeln habe ich das Bespannpapier recht genau vorgeschnitten, mit Klebestift bestrichen und angebracht. Nach Einsatz von reichlich Klarlack wurden überstehende Reste des ausgehärteten Materiales mit einem scharfen Skalpell entfernt. Der Klarlack wirkt hier auch noch als zusätzlicher Kleber. Beim Leitwerk habe ich dieses mit Sekundenkleber eingestrichen und auf das Bespannpapier gelegt und anschließend mit dem Skalpell ausgeschnitten, was hervorragend funktioniert hat. Die Flügel- und Leitwerksstreben wurden zuvor in Holzbraun eingefärbt. Das Hellbeige von Revell SM314 hat genau den Farbton des Bespannpapiers, so dass hiermit die sichtbaren Streben bemalt wurden.
Die Fahrwerksstreben sind als Kleinteile im Rahmen vorhanden, ebenso Steuerrad, Steuerknüppel und Mast. Alle Kleinteile sind zweifach vorhanden, was das Teppichmonster deutlich verharmlost. Auch der Sitz, im Original ein Stück Stoff zwischen zwei Bambusstreben, ist als PE-Teil vorhanden um muss in Form gebogen werden. Die Felgen sind im zweiten, deutlich dünneren Rahmen enthalten und können mit dem beiliegenden Werkzeug schön ausgeformt werden. Hier muss kräftig gepresst werden, damit die Felgen am Rand keine Wellen werfen. Die beiliegenden Stecknadeln sind als Achsen ungeeignet, da zu dick. Einen passenden Draht zu finden ist aber nicht schwer.
Während die PE-Teile passgenau und gut ausgeformt sind, sind die Weißmetallteile eher grob gehalten. Die Pilotenfigur ist ein Fall für die Intensivstation. Meine hatte Löcher im Bein, ein Fuß war abgebrochen und es war auch reichlich Gussgrat vorhanden. Zudem sind die Konturen der Kleidung nur am Oberkörper vorhanden. Dafür trägt sie aber den für Alberto Santos Dumont typischen Hut. Die Gesichtskonturen sind leider ebenfalls mangelhaft, hier haben wir den Mann ohne Gesicht. In diesem kleinen Maßstab kann man glücklicherweise über die Bemalung viel kaschieren. Und da die Sitzposition unterhalb der Flügel recht ungewöhnlich ist, durfte sich mein Alberto dort niederlassen. Die Figur wirkt zwar recht klein. Ob nun gewollt oder aus versehen so klein geraten, ist es hier nicht verkehrt, denn Alberto Santos Dumont war mit seinen nur 1,52 Meter ein recht kleiner Mensch.
Der Motor ist als Zweizylinder erkennbar, das war es aber auch. Beim Tank konnte man nicht viel falsch machen. Allerdings muss man zwei Einschnitte machen, um die Tankstreben einzusetzen. Sicherlich nicht die beste Lösung, da die Einschnitte bis 50% der Tankdicke durchgeführt werden müssen und besonders dick ist der Tank nicht.
Der Motor der „Demoiselle“ ist ein wassergekühlter Motor. Leider hat AIM die Kühler komplett vergessen. Diese befinden sich unterhalb der Flügel. Ich habe sie, ähnlich wie bei meiner „Antoinette“ aus dünnen Drähten nebeneinander aufgebaut und unter die Flügel platziert. Dann wurde der Motor, Kühler und der Wassertank mit Kupferdraht als Rohre miteinander verbunden. Beim Motor habe ich die Ventilsteuerung noch mit dünnen Drähten und die Vergaserleitungen in Front des Motors inkl. Vergaser nachgebildet. Somit ist aus dem groben Knochen von Motor noch ein recht ansehnliches Teil geworden.
Zum Schluss wurden noch die Steuerdrähte und Verspannungen aus dünnen Draht angebracht. Dabei haben es vor allem die Steuerdrähte in sich. Um die Umlenkungen darzustellen, habe ich kleine Ösen angebracht, durch die die Steuerungsdrähte geführt wurden.
Ein Modell ganz aus PE-Teilen zu biegen und falten war mal eine ganz andere Erfahrung und etwas einfacher, als zunächst befürchtet. Am Ende ergibt sich, mit einiger Nacharbeit, ein recht hübsches Modell der „Demoiselle“, die jetzt meine Sammlung bereichert. Jürgen Wagenknecht Publiziert am 13. Februar 2020 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |