"Pen-y-Darren"-Lokomotive von Richard TrevithickDie erste Lokomotive der Weltvon Roland Sachsenhofer (1:38 Branchline Trains - Laser-Art Structures)Eine kleine Vorrede zu Richard Trevithicks Lokomotive von 1804
Cornwall im 18. Jahrhundert wird in den Quellen als eine höchst unwirtliche Gegend beschrieben und ist ob ihrer kargen Landschaft und harten Bevölkerung, von London aus gesehen, als „western barbary“ verschrien. Die vom stürmischen Atlantik umtosten felsigen Küsten waren in der Seefahrt gefürchtet und wurden immer wieder Schiffen zum Verhängnis - deren an Land gespülte Ladung dann in halblegaler Weise das Einkommen der Bevölkerung aufzubessern half. Dem Land selbst war nur magerer Ertrag abzuringen - doch ging man unter die Oberfläche, hatte dieses raue Land einen seltenen Schatz zu bieten: Cornwall birgt bedeutende Kupfer- und Zinnvorkommen, die den Bergbau zum einzig profitablen Geschäft werden ließen. Der Feind das Bergmanns ist jedoch seit jeher das Wasser; je tiefer man grub, umso dringlicher wurde die Notwendigkeit, das stetig eindringende Wasser abzupumpen. Die Leistungsfähigkeit von mit Muskelkraft bewegten Pumpen hatte ihre Grenzen - und damit waren auch die Grenzen für die Tiefen gesetzt, in die man die Schächte hinab treiben konnte. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts allerdings waren ausreichend leistungsfähige Dampfmaschinen entwickelt worden, um zur Wasserhaltung in Bergwerken effektiv eingesetzt zu werden.
Dieses hier geschilderte Szenario ist der Grund, wieso im unwirtlichen, einsamen Westen Englands der Geburtsort des ersten Dampf-„Lokomobils“ lag: um 1800 gehörte das rhythmische Atmen der Dampfmaschinen und die kokelnden Schornsteine der Pumpenhäuser, die in unaufhörlichem Wettlauf die Minen von Wasser frei hielten, bereits seit Jahrzehnten zu den schroffen Hügeln Cornwalls. Darüber hinaus hatte die Zeit einen tatkräftigen Schlag Menschen groß werden lassen, die einerseits unternehmerisch gesonnen und zudem innovativ genug waren, die Möglichkeiten neuer Technologien zu erkennen. Richard Trevithick, „a giant of steam“
Richard Trevithick, 1771 in eine Familie von Bergleuten geboren, war Sohn eines in der Dolcoath-Mine beschäftigten Bergwerksingenieurs. In jungen Jahren in der East Stray Park Mine angestellt, gelangen ihm bemerkenswerte Verbesserungen der für den Pumpenantrieb eingesetzten Hochdruck-Dampfmaschinen. Als seine entscheidendste Innovation dieser Zeit wird die Entwicklung einer mit hohem Dampfdruck arbeitenden Maschine und die Entwicklung der dazugehörigen Hochdruck-Kessel angesehen. Der junge Trevithick machte sich jedoch nicht nur in bekannten Pfaden einen guten Namen, sondern auch als Querdenker und Innovator: schon 1797 überraschte er mit einem ersten Dampfwagenmodell, der allerdings anstelle einer Feueranlage mittels eines erhitzten Eisenstabes angetrieben wurde und so nur kurze Strecken zurücklegen konnte. Der Gedanke schien ihn allerdings nicht loszulassen: eine Straßen- „Lokomotive“, die auch Personen befördern konnte, folgte wenig später. Diese als „Puffing Devil“ bekannt gewordene Konstruktion konnte mitsamt Passagieren eine Geschwindigkeit von etwa 8 km/h erreichen, eine bemerkenswerte Errungenschaft. Allerdings war auch hier die Reichweite eingeschränkt.
Ein dritter Versuch, einen dampfbetriebenen Selbstfahrer rentabel zu machen, scheiterte ebenfalls: 1803 erregte ein von ihm konstruiertes „Steam Carriage“, eine mit einer Dampfmaschine ausgerüsteten Postkutsche zwar gewaltig Aufsehen, konnte aber als praktikable Alternative zu herkömmlichen Kutsche nicht überzeugen. Die „Pen-y-Darren-Maschine“: die erste Lokomotive der Welt
Zu dieser Zeit hatte Trevithick allerdings schon jene Erfindung grundgelegt, die ihn in die Geschichtsbücher schreiben würde - und die hier als Modell präsentiert wird. 1802 war von ihm eine Hochdruck-Dampfmaschine, die er für ein walisisches Eisenwerk in Pen-y-Darren konstruiert und gebaut hatte, auf ein Fahrgestell gesetzt worden. Eine Besonderheit dieser Dampfmaschine war das lange Rohr: als erster hatte er hier das Prinzip des Saugdruckrohres eingesetzt, dass die Luft forciert aus dem Zylinderauspuff nach außen beförderte und damit dem Kessel die notwendige Hitze verlieh. Diese Innovation sollte sich bis zu den modernen Dampflokomotiven bewähren. Eine zweite Besonderheit stellt das seitlich montierte und mit dem Schubgestänge verbundene Schwungrad dar, das mithalf, den Kolben über die jeweiligen Totpunkte des Bewegungsablaufes zu bringen. Dieses markante Detail war bei den damaligen stationären Dampfmaschinen üblich, sollte aber in der weiteren Evolution der Dampflokomotiven rasch wieder verschwinden. Im Wesentlichen aber war die „Pen-y-Darren-Lokomotive“ eine Hochdruckdampfmaschine, die auf Räder gesetzt wurde - ein Umbau, der als Fanal einer weltverändernden Innovation gelten darf!
Das Patent für dieses Fahrzeug wie die Maschine selbst verkaufte er 1803 an den Besitzer des Eisenwerks, Mr. Samuel Homfray. Dieser war von seiner Neuerwerbung so beeindruckt, dass er mit befreundeten Unternehmern bald darauf eine riskante Wette einging: seine Dampflokomotive würde zehn Tonnen Eisen über eine Strecke von 15,7 Kilometer ins benachbarte Abercynon ziehen können!
Der 21. Februar 1804 war der Tag, an dem die Wette eingelöst wurde. Homfray konnte sich freuen: innerhalb von vier Stunden und fünf Minuten zog die puffende, Dampf spuckende und kreischende Lokomotive nicht nur die geforderten zehn Tonnen Eisen, sondern auch noch 70(!) Männer in fünf Waggons über die 15 Kilometer. Mit dieser Leistung ist die „Pen-y-Darren-Maschine“ als erste Dampflokomotive anerkannt und konnte in die Geschichtsbücher eingehen. Die Konstruktion selbst hat allerdings eine nur kurze Verwendung. Da sie sich für die Schienen, die für Pferdewagen ausgelegt waren, als zu schwer erwies, war sie schon bald wieder zu einer stationären Dampfmaschine umgebaut worden und sollte als solche noch etliche Jahre betrieben werden.
Richard Trevithick ließ noch eine weitere Dampflokomotive folgen, bevor er sich anderen Themen zuwandte. 1808 baute er eine vereinfachte Version der „Pen-y-Darren- Lokomotive“, so fehlte das große Schwungrad, dafür brachte ein nun stehender Zylinder mittels Kurbelstange die Kraft direkt auf die Antriebsräder. Diese auf den schönen Namen „Catch me if you can“ getaufte Lokomotive wurde als eine Art Jahrmarktsattraktion eingesetzt: auf einer engen Kreisbahn am Ort des späteren Londoner Bahnhofs Euston konnte man die Lokomotive gegen Entgelt auf ihrer Kreisbahn beobachten oder sich gar zu einer Mitfahrt wagen. Lange hielt das Interesse an der „Catch me if you can“ allerdings nicht an: als das Publikumsinteresse zu schwinden begann, verkaufte Trevithick die Lokomotive nach nur zwei Jahren Betrieb.
Für den unsteten Erfinder und Unternehmer war damit das Kapitel der Dampflokomotiven, auf dem er so bahnbrechendes geleistet hatte, abgeschlossen. Danach beschäftigte er sich mit teils großem Erfolg an weiteren Hochdruckdampf-Projekten. So wurde eine Untertunnelung der Themse versucht – was damals noch nicht gelang - aber auch Dampfkräne, Dampfbagger und der Schraubenantrieb auf Dampfschiffen konzipiert und erprobt. 1816 brach Trevithick nach Peru auf, nachdem er in die Entwicklung von Dampfpumpen für den Silberbergbau investiert hatte. Dies sollte sich jedoch als reichlich unglückliche Entscheidung erweisen: ein bald nach seiner Ankunft ausbrechender Bürgerkrieg und eine damit verbundene Fehlspekulationen kosteten ihm sein Vermögen, was ihn 1826 nach England zurückzukehren ließ. Es gelang ihm nicht mehr, eine neue Existenz aufzubauen. Vollkommen mittellos starb er 1833 mit 54 Jahren im Armenhaus von Dartford. Zu Bausatz und Modell
Die Bausatzformen haben sich in ihrer gut sechzigjährigen Existenz auf recht verschlungenen Pfaden über mehrere Neuauflagen unterschiedlicher Hersteller bis ins Jahr 1996, als sie zum letzten Mal aufgelegt wurden, bewegt. Der Ursprungs-Bausatz stammt von Gakken, einem Hersteller aus dem Japan der frühen 1970er Jahre. Wie es der Zufall wollte, bin ich bei einer diesjährigen Modellbaumesse über den Bausatz in der ursprünglichen Gakken-Ausgabe gestolpert - und habe in der Minute, in der ich ihn gesehen hatte, gewusst, dass ich ihn einfach haben musste! Nun bin ich in keiner Weise ein Lokomotiven-Kenner, aber das historische Umfeld und auch der Bausatz, den ich noch aus meiner Kindheit kenne, haben mich fasziniert.
Der Bau selbst ging recht einfach und zügig von der Hand. Die Teile haben eine angenehme, auch heute noch angemessen erscheinende Detailierung und sind überraschend sauber gegossen. Ich habe nur die schon etwas korrodierten Metallstäbe, die für die Radachsen und das Schubgestänge beigelegt waren, gegen neue Metallstangen ausgetauscht, ansonsten wurde aus der Schachtel gebaut.
Für die Lackierung kamen mehrere Alclad II-Metalltöne zur Anwendung, deren wichtigsten „German Tank Grey“ sowie „Gunmetal“ waren. Die weitere farbige Bearbeitung wurde mit Pastellkreiden und verschiedenen Vallejo-Farben ausgeführt. Die Gleise, auf denen die „Pen-y-Darren-Lokomotive“ auf den Abbildungen mit den Bildhintergründen steht, habe ich aus zwei im rechten Winkel zueinander verklebten Plastikstreifen selbst hergestellt, jene, auf denen das Modell auf seinem Sockel präsentiert wird, stammen aus dem Bausatz. Der Sockel selbst wurde von mir mit Dioramen-Material ein wenig belebt.
Der Bau der „Pen-y-Darren“ war für mich ein wirklich erkenntnisreicher, kurzer und auch sehr kurzweiliger Ausflug in eine Modellbauecke, die ich bis jetzt noch gar nicht kannte. Nach dieser Erfahrung sehe ich jetzt jedenfalls Dampflokomotiven in einem anderen Licht - und bin mir recht sicher, dass da der eine oder andere thematische Ausflug noch folgen wird!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at Weitere Bilder
Roland Sachsenhofer Publiziert am 14. Dezember 2024 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |