Bell AH-1G Huey Cobravon Roland Sachsenhofer (1:72 Special Hobby)
Manches Fluggerät sieht derart eindrucksvoll aus, dass es, einmal gesehen, in Erinnerung bleibt. Verbindet sich dieses einprägsame Äußere mit einer dramatischen Einsatzgeschichte, kann passieren, dass dieses Flugzeug zu einer „Ikone“ wird: durch ihren bloßen Anblick wird ein ganzes Bündel an Emotionen, Einstellungen, Assoziationen- oder gar Erinnerungen- angestoßen; der Teil steht so stellvertretend für das Ganze. Im Falle der hier vorgestellten Bell AH-1G „Cobra“ ist das komplexe Ganze der Vietnamkrieg. Gemeinsam mit einem zweiten Produkt von „Bell Helicopters“, der UH-1 „Iroquois“, ist die AH-1 „Hue Cobra“ aus westlicher Warte eine der Ikonen dieses Konflikts. Dies soll Grund genug sein, die AH-1G einmal etwas näher unter die Lupe zu nehmen!
Zur AH-1G „Hue Cobra“ Beginnt man diese Betrachtung am Bug der „Cobra“, fällt sofort das großzügig verglaste Zweimann-Cockpit auf. Die Tandem Anordnung von erhöht und auf der rückwärtigen Position sitzendem Piloten mit dem Bordschützen vorne erscheint heute vertraut, wurde aber von Bell mit der AH-1 erstmalig eingeführt. Der vorne sitzende Mann bediente die am Bug in einem Drehturm montierte Bewaffnung. Die AH-1 war dabei so ausgelegt, dass im Anlassfall beide Besatzungsmitglieder die Aufgaben des jeweils anderen übernehmen konnten.
Das Konzept geht auf Bells im Juni 1962 präsentierten Designstudie „D-255 Iroquois Warrior“ zurück. Die sich aus der innovativen Anordnung der Besatzung ergebende schlanken Bug und Rumpfformen kannte man damals nur von schnellen Kampfflugzeugen, von den bis dahin vor allem zu Transportaufgaben verwendeten Hubschraubern war man dagegen füllige und behäbige Proportionen gewöhnt. Schlankheit bot aber auch Kampfhubschraubern Vorteile: der resultierende kleine Querschnitt machte die Konstruktion nicht nur wendiger sondern auch weniger beschussanfällig als jede andere im Einsatz stehende Konfiguration.
Das noch im selben Jahr gebaute und nun auch flugfähige „Model 207 Sioux Scout“ erprobte das Konzept der Tandem-Anordnung in der Praxis-und das mit äußerst ermutigenden Ergebnissen. Diese Erkenntnisse nutzte man, um zuversichtlich eine noch einmal verbesserte Version der D 255 bei der Ausschreibung zum „Advanced Aerial Fire Support System (AAFSS)“ antreten zu lassen. Zu Bells großer Enttäuschung wurden jedoch zwei Konkurrenten, die AH-56 „Cheyenne“ von Lockheed sowie die Sikorsky „Model S-66“ von der US-Army zur Weiterentwicklung ausgewählt. Bells eigener Wettbewerbsbeitrag, die aus der „Iroquois Warrior“ hervorgegangene D-262, war dagegen schon im ersten Durchgang ausgeschieden worden. Doch auch wenn es damals nicht so aussah: die Stunde von Bells revolutionärem Entwurf sollte bald noch kommen.
Einen wesentlichen Grund, dass sich Bell mit der AH-1 Cobra schlussendlich doch noch durchsetzen konnte, findet man in dem, was man hinter dem innovativen Cockpitdesign betrachten kann: dem kundigen Betrachter fällt gleich die Ähnlichkeit von Rotorblatt, Rotorkopf, des Getriebes sowie des gesamten Heckauslegers mit jenen der Bell 204 UH-1C auf. Tatsächlich wurden die genannten Baugruppen von Bells damalig neuester Konstruktion, der UH-1C, übernommen. Dadurch konnte Bell mit genau jenen Qualitäten punkten, die den Konkurrenten abging: Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit.
Diesem Gedanken folgend griff Bell auch bei der Wahl des Triebwerks auf Bewährtes zurück–wiederum in Form der Turbine der Bell UH-1C: die AH-1G wurde vom selben Triebwerk Lycoming T-53-L-11 angetrieben, das 1100 WPS liefern konnte. Interessant ist ein kurzer Blick auf die sich daraus ergebenden Leistungen: die leer rund 2700 Kilogramm wiegende „Cobra“ erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 277 Km/h, die Reichweite wird mit 574 Kilometer angegeben. Die Zuladung der „Cobra“ war erheblich: sie konnte mit Waffen und Munition ihr Leergewicht fast verdoppeln und brachte dann 4,4 Tonnen auf die Waage.
Nachdem die Weiterentwicklung sowohl die AH-56 als auch die S-66 wegen nicht enden wollenden Schwierigkeiten abgesagt hatte werden müssen, sahen sich die Streitkräfte vor dem Hintergrund der eskalierenden Lage in Vietnam nach einer sofort verfügbaren Lösung für einen neuen Kampfhubschrauber um. Bell hatte sich mit dem Einsatz der UH-1 I „Iroquois“ als Transport wie als Kampfhubschrauber in Fernostasien schon einen ausgezeichneten Ruf verschafft. Nun konnte der Hersteller mit der AH-1 „Cobra“, bei der sich das revolutionäre Konzept eines ersten „reinen“ Kampfhubschraubers mit bewährter Technik verband, auch genau jenen Helikopter anbieten, den die US-Army dringend brauchte.
Um den gedanklichen Rundgang um die AH-1 Hue Cobra mit einem letzten Gedenken zur Qualität „Einfachheit“ abzuschließen: blickt man auf die Kufen der AH-1 sieht man auch hier eine Region, bei der bewusst problemanfällige komplexe Technik abgebaut und auf einfache Lösungen zurückgegriffen worden ist: ursprünglich war überlegt worden, der „Cobra“ ein Radfahrwerk zu geben. Dazu sollten die äußeren Partien der verlängerten Stummelflügel im rechten Winkel nach unten abgewinkelt werden können, an deren Enden wäre das Fahrwerk montiert gewesen. Im Flug wurde das Ganze dann wieder hochgeklappt.
Dies ließ man jedoch ebenso bleiben wie die bei den ersten Prototypen noch verwirklichte Idee, die Kufen einziehbar zu machen. Zwar hat dies dem ohnehin dynamischen Erscheinungsbild der AH-1 gut gestanden, brachte aber die nicht unerhebliche Gefahr mit sich, dass ausnahmslos jeder Ausfall des Kufen-Mechanismus eine zumindest schwere Bruchlandung unvermeidlich gemacht hätte.
Die hier kurz angerissene spannende Entwicklungsgeschichte der AH-1 führte schlussendlich dazu, dass ab 1967 die US-Army sowie, in kleinerer Stückzahl, die US-Marines einen hoch innovativen aber technisch ausgereiften Kampfhubschrauber im zu dieser Zeit gerade ausufernden Kriegsschauplatz Vietnam einsetzen konnten. Der neue Kampfhubschrauber wurde bevorzugt für bewaffnete Eskortaufgaben, zur Aufklärung und Feuerunterstützung eingesetzt. Die Ah-1G bewährte sich in diesen und anderen Einsatzaufgaben schnell und erfreute sich sowohl bei den Besatzungen wie bei den von ihrer Feuerkraft unterstützten Truppen größter Beliebtheit. Allerdings zeigte der fordernde Fronteinsatz bei der AH-1 auch einige Schwachpunkte auf, die erst noch ausgebügelt werden müssten.
Ein interessanter Aspekt dabei war etwa, dass sich in Fernostasien die großzügige Verglasung des Cockpits gleich in zweifacher Hinsicht als Problem erweisen sollte: zum einen heizte sich das Cockpit unerträglich auf, die werksmäßig eingebaute Lüftung kam gegen die tropischen Bedingungen nicht an. Ebenso erwies sich das leicht dunkel getönte Glas als geradezu kontraproduktiv; durch die Tönung wurde die resultierende Hitze sogar noch verstärkt. Zum anderen wurde das Kabinenglas durch die Hitze zu einer erstklassigen Infrarotquelle, die, glaubt man den Angaben, eine stärkere IR-Quelle als selbst der heiße Turbinenauslass darstellte! Dies erwies sich spätesten ab jenem Zeitpunkt als ernstes Problem, als den Nordvietnamesen mit Waffen wie etwa der 9K32 „Strela 2“ infrarotgelenkte Fliegerabwehrwaffen zur Verfügung standen. Direkt in Vietnam wurde daher mit eigenen Rüstsätzen das getönte Glas gegen klares ausgetauscht sowie eine leistungsfähige Klimaanlage eingebaut, die es mit der feuchten Hitze Vietnams aufnehmen konnte.
Die hier gezeigte AH-1G mit der s/n 68-15189 „Wretched Mildred“ war 1971 Teil der D Troop, 3rd. Brigade , 4th Cavalry im südvietnamesischen Chu Chi. Dieses vom Vietcong beanspruchte Gebiet in der Nähe des damaligen Saigon war übrigens auch für sein von den Nordvietnamesen angelegtes Tunnelsystem bekannt. „Wretched Mildred“ wurde im Kampf so schwer beschädigt, dass bei der nachfolgenden Reparatur der gesamte Heckausleger ausgetauscht werden musste. Dieser wies danach einen auf der rechten Seite montierten Heckpropeller auf; mein Modell zeigt daher die Maschine im Zustand vor dem Gefechtsschaden.
Zum Bausatz Dem schönen Bausatz von Special Hobby kann ich in allen Kategorien gute Noten geben. Gut durchdacht und von angemessener Passgenauigkeit erfreuen schon die Kunststoffteile durch präzise Details und eine sinnvoll strukturierte Oberflächen. Als Draufgabe habe ich mir den passenden Ätzteilsatz von Special Hobby geleistet, dessen Inhalt sich vor allem in der Verfeinerung des Cockpits sowie der Unterseite bewährt. Als Kritikpunkt nenne ich die Gestaltung der Rotorwelle sowie des Rotorkopfes. Diese Baugruppe erscheint mir von den Details her recht lieblos geraten sowie auch von der Stabilität am Modell her fragwürdig. Nach einigem Hin und Her habe ich die Rotorwelle schlussendlich aus einem Metallstab und bearbeiteten Stahldraht selbst neu –und stabil- aufgebaut.
Lange schon habe ich mir vorgenommen, eine frühe AH-1 mit dem bekannten Haifischgebiss in die Vitrine zu bitten. Angesichts von ICMs neuer „großer“ Hue Cobra freue ich mich besonders, nun Special Hobbys 72er Variante, die ich schon länger in meinem Reservoir habe, endlich verwirklicht zu haben. Der qualitätvolle Bausatz wie das ikonische Vorbild sind es auf jeden Fall wert!
Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates“. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at
Roland Sachsenhofer Publiziert am 23. April 2022 © 2001-2024 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |